Jede Generation hat ihre Helden, ihre Moden – und ihre Glaubenssätze. Was meine Generation betrifft, so könnte das Motto lauten: „Wir wollen Veränderung, aber wir wollen nichts ändern.“ Klingt unlogisch? Absolut. Aber das ist es, was mir nahezu in jedem zweiten Gespräch mit meinen Altersgenossen entgegenschallt, meist garniert mit einem leicht verzweifelten Gesichtsausdruck. Ich bin Jahrgang 1977, darf mich also gerade noch zur sogenannten Generation X zählen. Eigentlich eine schöne, eine sorgenfreie Generation. Wäre da nur nicht dieser Schatten, der unser Leben immer wieder „verdunkelt“ – die Arbeit und unsere permanente Leistungsbereitschaft. Genauer: starre Arbeitsmodelle, die Anwesenheitskultur mit ihren in Stein gemeißelten Hierarchien, die insbesondere das Thema Kind und Beruf bis heute zu einem Drahtseilakt machen. Keiner will das, und doch entstehen beim Wort „Flexibilität“ gleich viele diffuse Bilder der Unordnung und Faulheit, die manchen gleich den Angstschweiß auf die Stirn treiben.
Wir haben das Steuer in der Hand
Anstatt dass wir, die wir zwischen 35 und 45 Jahren alt sind und mittlerweile an den Hebeln der Macht sitzen (oder es bald tun werden), endlich etwas an den Rahmenbedingungen, die uns stören, ändern, höre ich immer wieder die gleichen Hilfeschreie: „Die Generation Y wird uns retten, die kennt sich mit Flexibilität aus.“ Das mag vielleicht stimmen – allerdings ist es naiv zu glauben, dass ausgerechnet der Nachwuchs, der naturgemäß meist noch ohne gestalterische Möglichkeiten ist, eben jene starren Strukturen durchbrechen soll, die wir ihm vorgeben.
Worauf warten wir also? Warum verlassen wir uns auf die Generation Y, „die schon etwas machen wird“, wenn wir es doch selbst in der Hand haben? Zu viel Angst vor der eigenen Courage? Flexibles Arbeiten geistert in Vorstandsetagen von großen Unternehmen als Schreckgespenst durch die Flure. Es heißt dann: Wer seine Arbeitszeit reduziert, reduziert auch das Commitment zum Arbeitgeber und wird auch nichts im Unternehmen. Oder: Wer Homeoffice macht, der genießt eigentlich nur einen schönen Nachmittag auf dem Sofa. Diese Vorurteile sind in den Köpfen fest verankert. Die gute Nachricht ist: Wir können sie in kleinen Schritten abbauen. Dazu benötigt es keine großen Umstrukturierungsprojekte, bunten Rutschen oder sonstiges Spielzeug, wie es in manchen Corporates oder Start-ups gehandhabt wird – es braucht schlichtweg bedürfnisorientierte flexible Arbeitsmodelle für alle und nicht nur für gewisse Zielgruppen.
Klare Strukturen helfen bei der Flexibilität
Ich habe dies in meinem eigenen Unternehmen umgesetzt. Im Kern bedeutet es: Flexibilität gilt für alle. Die Zeiten können selbst bestimmt werden, man spricht sich ab, wer wann an was arbeitet. Wir verzichten auf Hierarchien, setzen auf Eigenverantwortlichkeit und Teamarbeit. Es bedeutet aber nicht: ohne Strukturen zu arbeiten. Natürlich gibt es klare Rahmenbedingungen, die eingehalten werden müssen – das Büro kann nicht unbesetzt sein. Diese Strategie geht auf und ist für alle Beteiligten von Gewinn. Modernes Arbeiten heißt neue Spielregeln zu setzen und eigenständig zu arbeiten. Der erste Schritt ist, Flexibilität konkret zu denken. Und dann umzusetzen. Als Übung (erzählen Sie niemandem davon): Treffen Sie ab morgen einfach keine Entscheidung mehr, die nicht direkt Ihren ureigensten Aufgabenbereich betrifft. Und schauen Sie gelassen, was die nächsten Wochen passiert.
Veränderung nicht nur um unserer selbst willen – auch die Generation Y wird es uns danken.
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