Müssen NGOs selbstkritischer und transparenter werden?

Oxfam, Ärzte ohne Grenzen, Weißer Ring – zuletzt häuften sich die Vorwürfe von Machtmissbrauch in Nichtregierungsorganisationen. Welche Schlüsse sollten wir aus den Vorfällen ziehen?

Susanna Krüger
  • Auch in NGOs passieren schmerzhafte Fehler
  • Sie aufzuarbeiten ist unsere Pflicht, wenn wir weiter gute Arbeit machen wollen
  • Ich habe vier Vorschläge, wie wir Vertrauen halten und gewinnen können

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Mehrere Hunderttausend Menschen weltweit arbeiten in Hilfsorganisationen. Männer und Frauen, die Sinnvolles tun. Sie arbeiten – oft an der Belastungsgrenze – in Ländern oder unter Bedingungen, in denen Menschenrechte, eine funktionierende staatliche Ordnung, Transparenz und Kontrolle nicht allzu viel wert sind.

Auch in diesem Sektor gilt, so banal es klingt: Menschen machen Fehler. Menschen sind ihren Aufgaben nicht gewachsen, Menschen missbrauchen ihre Macht. Was aber tun, wenn Systeme, wenn Menschen versagen?

Wir arbeiten seit 100 Jahren für den Schutz und die Rechte von Kindern überall auf der Welt. Dabei haben wir viel erreicht. Aber natürlich passieren auch in NGOs Fehler. Mal geht es um nicht sachgerechten oder ineffektiven Umgang mit finanziellen Mitteln, mal um Korruption. Zuletzt waren NGOs, auch Save the Children, mit dem Vorwurf konfrontiert, es gäbe Fälle von sexuellem Fehlverhalten gegenüber Mitarbeitern und Schutzbefohlenen. Wir von Save the Children empfinden dies als sehr schmerzhaft. Oberste Priorität hat die Aufklärung. Wir verstehen die Debatte auch als Weckruf. Wir wollen aus unseren Fehlern lernen.

Vier Ideen für transparente Hilfsorganisationen

Hier ist schon viel geschehen: Wir haben einen strikten Verhaltenskodex, der von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlangt, sich gegenüber Kollegen sowie Kindern und Gemeinschaften, mit denen wir zusammenarbeiten, respektvoll, professionell und ethisch korrekt zu verhalten. Save the Children hat eine Beschaffungs- und Antikorruptionsrichtlinie, die alle Mitarbeiter befolgen müssen. Bei Finanzen gilt das Vier-Augen-Prinzip, in unserem deutschen Büro unterziehen wir uns der jährlichen Prüfung des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen. Wir werden von externen Wirtschaftsprüfern und vom Bundesverwaltungsamt kontrolliert.

Obwohl wir selbst in Deutschland aktuell nicht betroffen sind, schauen wir in den Spiegel und fragen: Wie können wir vorbeugen? Was müssen wir verändern? Dazu habe ich vier konkrete Vorschläge.

Erstens sollten wir uns mit anderen Organisationen in einer Art Konsortium zusammentun und uns stärker vernetzen mit denen, die eine ähnliche Mission haben wie wir selbst. Gegen Konkurrenz und für mehr Partnerschaft, damit wir mehr erreichen können.

Zweitens müssen wir in unseren Entwicklungsprogrammen radikal aus Sicht unserer Zielgruppen, den Kindern, denken und von Anfang an nachhalten, wo welche Maßnahmen funktionieren und wo gegebenenfalls umgesteuert werden muss.

Drittens müssen wir auch besser belegen, wo unsere Arbeit für Kinder und ihre Familien wirkt. Das müssen wir als Beweis an unsere Spender, die Politik und an die Geldgeber besser vermitteln und so auch als Partner für sozial wirksame Lösungen und nicht nur als Charity auftreten. Transparenz bedeutet für mich zuallererst: gute Qualität, die man beweisen kann.

Viertens müssen wir in den Ländern, in denen wir arbeiten, eine Beschwerdestelle für diejenigen schaffen, die sonst keine Möglichkeit dazu haben. Und damit einhergehend unsere Mitarbeiter möglicherweise noch strenger aus- und fortbilden.

Nichts beschönigen, nichts vertuschen

Im Fall von Krisen und Skandalen gilt: Nichts beschönigen, nichts verschweigen, nichts vertuschen. Wir dürfen uns ruhig trauen, laut zu sagen: Ja, wir NGOs haben hohe Standards, wir haben professionelle Maßstäbe, wir arbeiten effizient. Aber wir sind nicht perfekt. Uns gelingt nicht alles. Wir sind fehlbar wie alle anderen. Aber wenn wir Fehler machen, dann arbeiten wir sie aktiv und öffentlich auf – rechtzeitig, aus eigenem Antrieb und schonungslos. Auch all das gehört für mich zur Transparenz. Und nur als transparente Organisation können wir Vertrauen halten und gewinnen.

Vertrauen ist die zentrale Währung von Save the Children wie allen anderen NGOs. Wir brauchen das Vertrauen der Kinder, denen wir einen guten Start ins Leben garantieren wollen, das Vertrauen ihrer Familien, unserer Mitarbeiter, unserer Spender und öffentlichen Geldgeber und unserer Partner. Wir brauchen das Vertrauen der Öffentlichkeit. Wenn wir es preisgeben, dann wäre unser Einsatz für die Rechte der Kinder und für eine bessere Bewältigung von Krisen, Konflikten und Katastrophen vergebens.

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Susanna Krüger
© Save the Children
Susanna Krüger

Geschäftsführerin, Save the Children Deutschland

Susanna Krüger (Jg. 1974) ist seit März 2016 Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende von Save the Children Deutschland. Zuvor war sie geschäftsführende Gesellschafterin von GoodRoots, einer von ihr gegründeten Beratungsfirma für gemeinnützige Organisationen. Weitere berufliche Stationen machte sie in der Verwaltungsreform, beim Mitaufbau einer neuen Universität und mehrere Jahre für den Deutschen Entwicklungsdienst und die Weltbank im Nahen Osten.

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