Die Niedrigzins-Falle – Was sollen wir mit unserem Geld noch anfangen?

Der traditionsreiche Weltspartag führt Anlegern schmerzhaft vor Augen: Bei den historisch niedrigen Zinsen dümpelt ihr Erspartes vor sich hin. Wer ist besonders betroffen? Wer profitiert?

Niels Nauhauser
  • Vorsicht bei Zinsversprechungen von mehr als zwei Prozent
  • Indexfonds bieten höhere Erträge, erfordern aber Nervenstärke
  • Einzelne Immobilien unterliegen Standortrisiken

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Die Frage scheint auf den ersten Blick ein reines Luxusproblem zu sein. Schließlich hat nicht jedermann Geld im Überfluss und weiß nicht wohin mit all dem Wohlstand. Tatsächlich verhält es sich genau umgekehrt: Seit vielen Jahren, spätestens seit Einführung der Riester-Rente, ist es politischer Wille, dass die Bürger für ihr Alter vorsorgen, indem sie privat ihre Ersparnisse anlegen. Wichtig: Jede Form des Vermögensaufbaus dient der Altersvorsorge. Der Anleger hat es selbst in der Hand, ob und wann das gebildete Vermögen später für eine zusätzliche monatliche Rente oder Auszahlung verwendet werden soll. Wie aber soll man sein Erspartes vermehren, wenn die Zinsen am Nullpunkt sind und deutlich höhere nicht in Sicht? Hier sind einige häufige Fragen und Antworten zum Thema.

„Wird man bei Tagesgeld und Sparbriefen derzeit real wirklich enteignet?“

Ja, wenn man die Konditionen vieler Banken vor Ort zum Maßstab nimmt. Da gibt es kaum mehr als 0,1 Prozent Zinsen. Wer sich aber über Vergleichsrechner im Internet informiert, kann noch Zinsen von bis zu 1,0 Prozent erreichen. Und das bei gleich guter Einlagensicherung nach deutschem Recht. Wer sicher um die zwei Prozent haben möchte, muss sein Geld schon für zehn Jahre fest anlegen, zum Beispiel in Sparbriefen. Dann ist bei der Verzinsung von Einlagen das Ende der Fahnenstange erreicht. Vorsicht bei höheren Zinssätzen und bei ausländischen Einlagensicherungen. Hier verbergen sich nicht zu unterschätzende Risiken, die viele für den sicheren Teil ihrer Geldanlage gerade explizit minimieren wollen. Wir sind noch weit entfernt von einem einheitlichen Sicherungsniveau bei Einlagen im Euroraum.

„Wie kann man höhere Erträge erzielen?“

Die sind zwar möglich, aber damit gehen Wertschwankungsrisiken einher. Wer breit gestreut in die Aktienmärkte investiert, etwa über kostengünstige Indexfonds, kann auf deutlich höhere Erträge hoffen. So hat sich der Wert der Aktienmärkte gemessen am MSCI World Index in den letzten sechs Jahren verdoppelt. Solche beeindruckenden Kursanstiege sind aber nicht die Normalität. Die Historie der Aktienmärkte zeigt: Unterm Strich sind die Erträge im langfristigen Durchschnitt jährlich um rund vier Prozent höher als bei sicheren Geldanlagen. Allerdings gibt es immer wieder lange Durststrecken. Zwischenzeitliche Verluste von bis zu 50 Prozent sind ebenso normal wie rasante Kursanstiege. Indexfonds, die die Entwicklung der Aktienmärkte weltweit abbilden, sind eine grundsolide Geldanlage und auch zur Vermögensbildung fürs Alter gut geeignet, aber das Auf und Ab ist unvermeidbar. Wer schwache Nerven hat, sollte die Dosis in diesem Bereich auf ein für ihn erträgliches Maß begrenzen.

„Ist der Kauf einer Immobilie gerade angesichts der sehr niedrigen Kreditzinsen eine gute Alternative?“

Eine Immobilie mag Selbstnutzern viel Lebensqualität bieten und kann im Einzelfall auch eine prima Altersvorsorge sein. Immerhin kann man später mietfrei wohnen oder die Immobilie verkaufen und aus dem Erlös eine zusätzliche Rente finanzieren, so die Hoffnung. Betrachtet man die Immobilie aber unter dem Gesichtspunkt einer Geldanlage, bei der Wertstabilität und Ertragsperspektive eine Rolle spielen, verhält sich das schon anders. Hier sind die Risiken nämlich, egal ob bei Selbstnutzung oder bei Vermietung, weitaus größer als gemeinhin angenommen. Sie sind sogar größer als bei einer soliden Geldanlage am Aktienmarkt. Denn zum einen sind die maximalen Verluste generell größer bei jedweder Geldanlage, die mit Krediten finanziert wird, was bei Immobilien die Regel ist. Zum anderen droht ein sogenanntes Klumpenrisiko: Eine Immobilie befindet sich in einem Land an einem bestimmten Standort. Umweltänderungen in direkter Standortumgebung können sich massiv auf den Wert der Immobilie auswirken. Viel weniger riskant wäre es, wenn man gleich Dutzende von Immobilien kaufen würde, am besten in verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Mietern. Dann ist das Risiko geringer, dass alle Objekte zugleich etwa 30 Prozent an Wert verlieren. Alternative zur direkten Anlage in einzelne Objekte: Wer einen Teil des Geldes in ein paar verschiedene offene Immobilienfonds anlegt, kann von den Mieterträgen und Chancen auf Wertsteigerungen profitieren und die Risiken, so gut es geht, reduzieren. Eigenheimerwerber sollten wissen, dass dem Kaufpreis zwei Werte gegenüberstehen: Auf der einen Seite steht das Grundstück, dessen Wert je nach Lage einigermaßen stabil bleiben könnte, auf der anderen Seite die Bausubstanz, die ohne Sanierungen nach 50 Jahren praktisch wertlos sein wird.

Auf alle Möglichkeiten der Geldanlage kann dieser Artikel nicht ausführlich eingehen. Klar ist: Anleger müssen sich mit niedrigen realen Erträgen abfinden. Umso wichtiger ist es, bei den Kosten von Finanzprodukten besonders kritisch hinzuschauen. Denn sie sind sicher, die Erträge sind es nicht. Ein Anbietervergleich kann hilfreich sein. Übrigens sind diejenigen, die noch Schulden abzahlen, etwa fürs Eigenheim, meist am besten beraten, wenn sie zunächst diese Schulden tilgen und so hohe Darlehenszinsen sparen. Für alle anderen gilt: Wer bei der Geldanlage und Altersvorsorge nicht alle Eier in einen Korb legt und auf die Kosten achtet, kann sein Geld auch heute noch grundsolide mit guten Ertragsaussichten anlegen.

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Niels Nauhauser
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Niels Nauhauser

Verbraucherschützer, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg

Niels Nauhauser (Jg. 1975) ist Abteilungsleiter des Fachbereichs Altersvorsorge, Banken, Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Nach Bankausbildung und BWL-Studium an der Universität Mannheim war er bei der Unternehmensberatung McKinsey im Bereich Research tätig. Seit 2004 ist er bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg beschäftigt. Zusammen mit Werner Bareis hat er das „Lexikon der Finanzirrtümer – teure Fehler und wie man sie vermeidet“ (2008) veröffentlicht.

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