Nach einer vergleichsweise ruhigen Phase zum Ende des vergangenen Jahrhunderts, in der Wohnungen gar „rückgebaut“ wurden, steht die Frage nach der Bereitstellung von Wohnraum inzwischen wieder auf der politischen Agenda. Mit der zunehmenden Nachfrage nach Wohnungen und der sich daraus ergebenden Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt zeigt sich ein wichtiger Aspekt, der die Debatte um bezahlbare Mieten und ein attraktives Lebensumfeld prägt.
Die Creative Class ist in Städten erwünscht und wird dadurch bevorzugt
Die Einwohnerzahlen der Kernstädte (mit Ausnahmen von strukturschwachen Regionen) steigen seit einiger Zeit konstant an. Während die innerstädtischen Lagen an Attraktivität gewinnen, stehen immer mehr Wohnungen in weniger attraktiven Gebieten leer – insbesondere in den sogenannten Satellitenstädten der 1960er- und 70er-Jahre. Dort, wo Wohnraum begehrt ist, wird stark spekuliert und investiert. Dies feuert die Preisspirale weiter an. Ein Aspekt, der die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt ebenfalls beeinflusst, ist die kurzfristige Vermietung an Touristen. Unter dem Schlagwort des Teilens („sharing economies“) wird der ohnehin knapper werdende Wohnraum dem langfristigen Markt entzogen und zugleich zweckentfremdet. Die Politik steht hier vor der Herausforderung, unterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen und die differenzierten Gruppen angemessen zu berücksichtigen.
Die gesellschaftliche Transformation zur Wissensgesellschaft befördert den Kampf um Wohnraum zudem. Das sehen wir im Reallabor des Urban Offices insbesondere in „jungen“ und prosperierenden Universitätsstädten und Metropolen mit einer starken Wissensökonomie. Mit der steigenden Bedeutung von Wissen wächst der traditionell in den Städten angesiedelte und durch hoch qualifizierte Arbeitnehmer repräsentierte Dienstleistungssektor. Mit den Worten von Richard Florida ist es die sogenannte Creative Class, die mit Innovation und Wachstum verbunden wird und daher in den Städten erwünscht ist. Diese Argumentation wird zwar nicht zu Unrecht kritisch hinterfragt, doch aus Sicht der Städte ist sie ganz logisch. Einer regelrechten Maxime der wissensbasierten Stadtentwicklung folgend, sehen sich Städte als Räume des verorteten Wissens, weshalb strategische Entscheidungen an die zuvor dargestellten Rahmenbedingungen angepasst werden.
Der Wandel zur reinen Wissensgesellschaft birgt aber auch Gefahren
Eine entscheidende Voraussetzung kann dabei im ungeplanten und ungezwungenen Austausch zwischen verschiedenen Individuen gesehen werden. Hierdurch wird Wissen produziert, modifiziert und weitergegeben. In diesem Sinne sind solche Städte als Ausgangspunkte der gesellschaftlichen Transformation geeignet, die zum Verweilen einladen sowie die Interaktion der Bewohner und anwesenden Akteure fördern. Eng verbunden ist dies mit dem Anspruch eines zweiten aktuellen Leitthemas – der nachhaltigen Stadtentwicklung. Durch eine fußgängergerechte, fahrradfreundliche und klimaangepasste Umgebung sollen nicht nur Nachhaltigkeitsziele erreicht, sondern auch die bereits angesprochenen städtischen Qualitäten gestärkt werden.
Was hier jedoch nicht übersehen werden darf, ist die Gefahr urbaner Ungleichheiten. Verfolgen Städte diese Handlungslogik, werden Menschen, die nicht dem hoch qualifizierten und wissensbasierten Umfeld angehören, kategorisch ausgegrenzt und durch zu hohe Mieten aus der Stadt „vertrieben“. Mit Blick auf die eingangs dargestellte Konkurrenzsituation auf dem Wohnungsmarkt wird deutlich, dass soziale Ungleichheiten auf diese Weise sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Raum sichtbar werden.
Im Zweifel für das Wohl der Bewohner
Wie wollen wir also in Zukunft leben? Oder allgemeiner gesprochen: Wie soll die Stadt der Zukunft aussehen? Hier scheint ein Blick über das Wohnen als private Angelegenheit hinaus als angemessen. Vielmehr muss der öffentliche Raum in den Fokus gerückt werden, wobei Stadtplanung nicht mehr ohne die beteiligte Zivilgesellschaft durchgeführt werden kann. Eine lebenswerte und zukunftsgerichtete Stadt zeichnet sich also dadurch aus, dass sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt und die Infrastrukturen gemeinsam auf die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Einwohner ausrichtet. Durch eine nachhaltige Stadtentwicklung können so Orte der Begegnung mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen werden.
Das Ziel der Stadt der Zukunft liegt also darin, lebenswerte Rahmenbedingungen nicht nur in Visionen, Leitbildern und Modellen zu entwerfen, sondern diese auch in der gebauten Umwelt zu etablieren. Was gebraucht wird, sind keine Lippenbekenntnisse, sondern tatsächliche Handlungen, die durchaus auch Finanzen der öffentlichen Hand beanspruchen werden. Denn wer will schon in einer Stadt leben, in der man nur Menschen trifft, die so sind wie man selbst. Ich nicht.
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