Folge 66: Warum Unternehmen unzufriedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen brauchen
Unzufriedene Kolleginnen und Kollegen kosten viele Führungskräfte den letzten Nerv. Dabei zeigen Beschwerden, wo Potenzial für Verbesserungen liegt. Wut ist oft Motor für Veränderung.
Achtsamkeits-Trainings, meetingfreie Freitage und Wechseljahresberatung - der Softwarekonzern SAP tut fast alles dafür, Mitarbeitende glücklich zu machen. Umso überraschender scheint es, dass ausgerechnet eine SAP-Topmanagerin eine Lanze fürs Motzen, Schimpfen und Nörgeln bricht. "Unternehmen brauchen unzufriedene Mitarbeitende", sagt Nina Strassner, Global Head of People Initiatives beim Software-Konzern aus Walldorf in der neuen Folge von Team A.
Den ganzen Podcast hört ihr hier:
Unzufriedene Kolleginnen und Kollegen kosten viele Führungskräfte den letzten Nerv. "Dennoch sollten wir jede gepfefferte Beschwerde feiern", fordert Strassner weiter im Podcast. Ihr wichtigstes Argument: Mitarbeitende, die sich beschweren, zeigen Unternehmen, wo Potenzial für Verbesserungen liegt. Sie trieben Veränderungen voran, legten den Finger in die Wunde. So werde bei SAP bis heute die Geschichte eines Kollegen erzählt, der in den Anfangszeiten des World Wide Webs auf der Hauptversammlung beharrlich nervte: "Wir müssen uns um das Internet kümmern."
Genug Energie, um Probleme anzugehen
Unzufriedenen Mitarbeitenden sei es eben nicht egal, wo und wie sie arbeiteten. Sie stünden noch in Beziehung zum Unternehmen, sagt Strassner. "Wer nicht mehr wütend und unzufrieden ist, bewegt sich nicht mehr, oder hat alle Level durchgespielt." Gerade Wut sorge oft dafür, Veränderungen voranzutreiben. "Ich möchte bitte bis zu meinem letzten Atemzug wegen irgendetwas unzufrieden sein", sagt die Managerin und Juristin über sich selbst. "Denn dann gibt es noch etwas, wofür man brennt."
Sollen Unternehmen nun alle Benefits abschaffen? Der Schlüssel liege darin, so viel Zufriedenheit zu schaffen, dass Mitarbeitende genug Energie hätten, an anderer Stelle Verbesserungswürdiges zu benennen und anzupacken. "Wer vor Sorgen schlecht schläft oder in ständiger Angst arbeitet, hat keine Kapazitäten, sich um Missstände zu kümmern", sagt Strassner. HR-Abteilungen und Führungskräfte sollten also nicht darauf abzielen, ausschließlich glückliche Rückmeldungen zu bekommen, sondern auch erreichen, "dass Leute die Power haben zu sagen: "So nicht. Ich setze mich ein, ich schreibe eine wütende E-Mail, ich gründe ein Netzwerk".
Wie Strassner persönlich mit Genörgel umgeht und wie sie Gelegenheiten schafft, um sich offen über Unzufriedenheit auszutauschen, hört ihr in der neuen Folge von "Team A – der ehrliche Führungspodcast" hier:
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