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Aerosolforscher zu Corona im Büro: „Wir müssen Arbeitsplätze stärker in den Fokus rücken“

Foto: Getty Images

Die Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) fordert von der Politik ein Umdenken in der Pandemiebekämpfung. Der Fokus müsse viel stärker auf den Innenräumen liegen. Was das für die Arbeit im Büro bedeuten würde, erklärt GAeF-Präsident Christof Asbach im Gespräch mit XING News.

Ein Interview von Stefan Mauer

XING News: Hallo Christof, was was läuft aus deiner Sicht gerade falsch in der Debatte zur Pandemiebekämpfung?

Christof Asbach: Aus Sicht der Gesellschaft für Aerosolforschung liegt der Fokus viel zu wenig auf dem Bereich, der am relevantesten für das Infektionsrisiko ist, nämlich die Innenräume. Es gibt eine aktuelle Studie aus Irland, für die mehr als 230.000 Infektionen zurückverfolgt wurden. Es stellte sich heraus, dass 99,9 Prozent dieser Infektionen im Innenraum stattfinden. Im Umkehrschluss heißt das: Nur eine einzige von 1.000 Infektionen findet tatsächlich draußen statt. Dennoch zielen viele unserer Maßnahmen auf den Außenraum ab und viel zu wenig auf den Innenraum. Deshalb haben wir am Wochenende unseren offenen Brief an die Politik verfasst.

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XING News: Warum sind Innenräume so viel gefährlicher für die Verbreitung des Coronavirus?

Christof Asbach: Die Viren, die wir ausatmen, sind physikalisch gesehen nichts anderes als Partikel. Wenn in Innenräumen nicht regelmäßig gelüftet wird oder die Luft gefiltert wird, reichern sie sich an. Das ist in Außenbereichen anders.  Dort ist die Luft immer in Bewegung, weshalb wird dort immer eine wesentlich geringere bis gar nicht existente Konzentration von Viren haben.

XING News: Die Coronaregeln sehen Masken für Innenräume vor. Reicht das nicht?

Christof Asbach: Man muss zwischen den Maskentypen unterscheiden. Wenn eine FFP2-Maske richtig getragen wird, dann schließt sie dicht am Gesicht ab. Dann strömt die gesamte Luft durch das Filtermaterial, und gerade die sehr kleinen Partikel werden effizient zurückgehalten. Wichtig ist aber entsprechend immer, dass die Maske auch richtig getragen wird. Das ist viel zu selten der Fall. Zwar ist eine FFP2-Maskenpflicht prinzipiell eine Verbesserung bei der Infektionsvermeidung, das Ganze müsste aber begleitet werden von einer Kampagne zum richtigen Tragen der Masken. Wenn zum Beispiel bei Brillenträgern die Gläser beschlagen, dann ist klar, dass die Luft dort entweicht und eben nicht gefiltert wird. Und damit kann natürlich das Filtermaterial auch nicht wirken.

XING News: Was heißen diese Erkenntnisse für die Büros und andere Arbeitsstätten?

Christof Asbach: Generell gilt für Büroräume und andere Arbeitsplätze das gleiche wie für alle anderen Innenräume auch: Das Infektionsrisiko ist hoch. Es reicht nicht, sich nur auf Schulen zu konzentrieren, sondern man wird sicherlich auch stärker Arbeitsplätze in den Fokus rücken müssen. Das ist im Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Wichtig ist, dass alle eine klare Vorstellung davon haben, was die Ausbreitung des Virus wirklich bremst. Das ist nicht überall der Fall.

Im Innenraum so viele Maßnahmen wie möglich kombinieren

XING News: Worauf müssen wir im Büro zum Infektionsschutz besonders achten?

Christof Asbach: Um im Innenraum das Infektionsrisiko zu reduzieren, ist es immer nötig, so viele Maßnahmen wie möglich zu kombinieren. Neben dem Maskentragen ist es enorm wichtig, so häufig wie möglich zu lüften. Das heißt immer die Fenster komplett aufzureißen und dafür zu sorgen, dass die Luft im Raum tatsächlich ausgetauscht wird. Alternativ gibt es gerade in Büroräumen teilweise auch entsprechende Lüftungsanlagen. Die sollten dann natürlich mit Frischluft betrieben werden und nicht mit Umluft, weil sonst die Viren nur im Raum verteilt werden. Es gibt auch mobile Raumluftreiniger, die die Luft filtern können. Bei denen ist es wichtig, dass sie einen möglichst großen Volumenstrom haben, also möglichst viel Luft in einer gewissen Zeit filtern.

XING News: Was sind deiner Einschätzung nach die wichtigsten Grundregeln, die wir im Büro beachten müssen?

Christof Asbach: So lange die Pandemie andauert, müssen wir in allen Innenräumen die Kontakte so weit wie möglich beschränken. Das gilt sowohl für die Anzahl der Personen, die ich treffe, als auch für die Zeit, die ich mit ihnen im selben Raum verbringe. Um das zu erreichen, sollten nach Möglichkeit Einzelbüros genutzt werden. Dort, wo das nicht möglich ist, sollten so viele Maßnahmen wie möglich kombiniert werden, um die potentielle Virenkonzentration niedrig zu halten. Lüften, eine Lüftungsanlage installieren, die entweder Frischluft nutzt oder mit einer entsprechend effizienten Filterung versehen ist. Außerhalb von Einzelbüros sollte immer eine Maske getragen werden, insbesondere wenn man sich zum Beispiel in der Kaffeeküche begegnet. Das Tückische ist, dass die die Aerosolpartikel und damit auch die Viren sehr lange in der Luft verweilen können. Selbst, wenn die infizierte Person die Kaffeeküche schon lange wieder verlassen hat, können die Viren trotzdem noch in der Luft sein.

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Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Dr. Christof Asbach

Dr. Christof Asbach ist Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung und Bereichsleiter für Luftreinhaltung und Filtration am Institut für Energie und Umwelttechnik in Duisburg. Die GAeF fordert in einem offenen Brief und einem Positionpapier eine Abkehr von den restriktiven Maßnahmen in Außenbereichen und einen stärkeren Fokus auf Innenräume bei der Pandemiebekämpfung.

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