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Geld Stabilitätsbericht

Die Finanzwelt versinkt im gefährlichen Schatten

Zum fünften Mal in Folge ist der Anteil der „realen“ Banken am Finanzsystem geschrumpft Zum fünften Mal in Folge ist der Anteil der „realen“ Banken am Finanzsystem geschrumpft
Zum fünften Mal in Folge ist der Anteil der „realen“ Banken am Finanzsystem geschrumpft
Quelle: Getty Images
Fast die Hälfte aller Finanzanlagen liegt mittlerweile im Graubereich der Märkte. Eine bedenkliche Entwicklung für die globalen Systeme. Auch, weil selbst die einstigen Wächter der Stabilität zum Risikofaktor werden.

Die Finanzwelt des Jahres 2018 wirkt wie ein bestens regulierter Ort. Es vergeht keine Woche, in der man nicht Briefe von der eigenen Hausbank zugeschickt bekommt, in denen selbst Nickligkeiten in aller Ausführlichkeit ausgebreitet werden, um den gestiegenen regulatorischen Anforderungen Genüge zu leisten.

Doch das vermeintliche Idyll trügt. Tatsächlich finden in der Finanzwelt immer mehr Geschäfte außerhalb der bestens überwachten Banken statt. Nur noch 40 Prozent der weltweiten Finanzanlagen werden im herkömmlichen Bankensystem bewegt, der Rest findet im Graubereich der Finanzmärkte statt, wo sich Hedgefonds, Investmentfonds oder Indexprodukte tummeln.

Vor der Finanzkrise war der Einfluss der Banken deutlich größer – mittlerweile ist ihr Anteil am weltweiten Finanzsystem das fünfte Mal in Folge geschrumpft. Das offenbart der jährliche Finanzstabilitätsbericht der G-20-Staaten, der jetzt veröffentlicht wurde. Bedenklich dabei ist nicht nur, welches Gewicht die Schattenbanken inzwischen haben, sondern mit welchem Tempo der unregulierte Finanzbereich wächst.

Notenbanken werden zum marktmachenden Faktor

In den meisten Ländern und Regionen sind die Zuwächse deutlich rasanter als das Wirtschaftswachstum. Wenn die unregulierten Finanzmarktfirmen aber immer größere Volumina an den Märkten bewegen, werden sie damit zu einer potenziellen Gefahr für die Finanzstabilität. Immer häufiger kommt es an den Finanzmärkten zu Crashs, die für Schaden in der Realwirtschaft sorgen können.

Quelle: Infografik Die Welt

Der Bericht zeigt zudem noch einen weiteren potenziellen Störenfried. Wie aus den Statistiken hervorgeht, läuft ein immer größerer Teil der Finanzströme durch die Bücher der Notenbanken. Allein im Jahr 2016 legte das Volumen der Finanzanlagen in den Bilanzen der Zentralbanken um rund zwölf Prozent zu.

Inzwischen haben die Währungshüter 26,2 Billionen Dollar an Assets in ihren Büchern, das sind fast acht Prozent der weltweiten Finanzanlagen. Damit sind die Notenbanken selbst ein marktmachender Faktor, was insofern brisant ist, als die Zentralbanken eigentlich Hüter der Finanzstabilität sein sollen.

Finanzsektor wird immer weiter aufgebläht

Wie monströs sich der Finanzsektor über die Jahre aufgebläht hat, zeigt sich schon an der Gesamtsumme aller Finanzanlagen weltweit. Diese beträgt mittlerweile 340 Billionen Dollar, das entspricht gut dem Vierfachen der weltweiten Wirtschaftsleistung. Rund ein Drittel davon geht auf das Konto des unregulierten Graubereichs. Das Geld kann hier ohne größere Risikopuffer hin und her vagabundieren, mit entsprechenden Folgen für die Börsenkurse.

Gründe für den rasanten Anstieg sind unter anderem die Börsenrallye und die zunehmende Kreditvergabe durch Nichtbanken. Wenn die Bewertungen der Aktien schneller steigen als die Wirtschaftsleistung, bläht sich der Finanzsektor automatisch auf. Das Gleiche gilt, wenn neue Player plötzlich Darlehen vergeben.

Das gestiegene Gewicht der Notenbanken geht auf die Anleihekäufe zurück. Die Europäische Zentralbank kauft Monat für Monat Schuldtitel der Euro-Staaten und weitet damit die eigene Bilanz aus. Inzwischen hat sie 4,5 Billionen Euro (5,5 Billionen Dollar) in ihren Büchern, das entspricht immerhin 42 Prozent der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone.

Schattenbanken spielen in Deutschland geringe Rolle

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Insbesondere in Europa ist der Graubereich sogar besonders groß. Dem Report zufolge hat die Euro-Zone mit einem Volumen von 32,2 Billionen Dollar sogar den größten Graubereich weltweit, noch vor den USA mit rund 27 Billionen Dollar und China mit 9,6 Billionen Dollar.

Quelle: Infografik Die Welt

Innerhalb der Euro-Zone liegt vor allem Luxemburg weit vorn. Der Graubereich dort entspricht dem 246fachen der Wirtschaftsleistung des Landes. Mehr bringen nur die Cayman Inseln auf die Waage. In Irland entspricht das Volumen der im Schattenbereich des Finanzsystems gehaltenen Vermögenswerte dem 13fachen, in den Niederlanden dem neunfachen der jeweiligen Wirtschaftsleistung.

Quelle: Infografik Die Welt

Damit haben die Finanzakteure in den Ländern eine Größe erreicht, die für die jeweilige Ökonomie zum Problem werden kann. Zwar müssen Schattenbanken anders als „normale“ Kreditinstitute in der Regel nicht direkt gerettet werden, allerdings ist die Anballung von Finanzgeldern durchaus ein Risikofaktor. In Deutschland spielen Schattenbanken eine geringere Rolle. Hier beträgt das Anlagevolumen weniger als die Wirtschaftsleistung.

Bei den Notenbanken-Aktivitäten sticht neben dem kleinen Luxemburg die Schweiz heraus. Durch die zahlreichen Interventionen beträgt die Bilanz der Schweizerischen Nationalbank (SNB) 113 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung. Durch ihre Größe ist die SNB für eine normale Geldpolitik unbeweglich geworden.

Der Schattenbankenbericht wird seit dem Jahr 2011 veröffentlicht. Die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrienationen hatten den Report im Jahr 2010, unter dem Eindruck der großen Finanzkrise, damals in Auftrag gegeben, um größere Transparenz zu schaffen. Mittlerweile sammelt der Bericht die Daten von insgesamt 29 Ländern, die 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts auf sich vereinen. Luxemburg ist im diesjährigen Report zum ersten Mal dabei.

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