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Geld Übernahmewelle

Deutsche Unternehmen sind im Fusionsfieber

Finanz-Redakteur
So viele Firmen wie noch nie planen derzeit den Kauf eines Konkurrenten. Eine wahre Fusionswelle könnte über das Land schwappen. Die Summen, die dabei geboten werden, sind zuletzt enorm gestiegen.

Die deutsche Wirtschaft brummt, belegen die jüngsten Wachstumszahlen. Und dies beflügelt zunehmend auch den Wagemut in den Konzernspitzen. Denn so viele Unternehmen wie noch nie planen derzeit die Übernahme einer anderen Firma. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage der Unternehmensberatung E&Y, die der „Welt“ exklusiv vorliegt.

Mehr als jedes zweite deutsche Großunternehmen, genau 56 Prozent, plant einen Zukauf in den kommenden zwölf Monaten. Das ist mehr als bei allen vorangegangenen Umfragen zu diesem Thema. Zuletzt, vor sechs Monaten, hatten schon 51 Prozent die Frage danach bejaht, inzwischen ist die Bereitschaft zu einer Übernahme jedoch weiter gestiegen.

Quelle: Infografik Die Welt

Es droht eine wahre Fusionswelle über die Wirtschaft zu schwappen, befeuert durch enorme Geldsummen. „Die Zentralbanken in den wichtigen Volkswirtschaften halten die Leitzinsen niedrig, allerorten kommen die Unternehmen leicht an frisches Kapital“, sagt Alexander Kron, Leiter des Bereichs Fusions- und Übernahmeberatung bei E&Y. „Dazu sind die Kassen vieler Konzerne prall gefüllt.“

Deutsche sind bereit, besonders viel Geld auszugeben

Das gilt insbesondere für die deutschen Firmen. Denn hierzulande sind inzwischen 26 Prozent bereit, mehr als 250 Millionen Dollar in den Ring werfen, um damit einen Konkurrenten oder eine Firma aus einer anderen Branche aufzukaufen. Im Frühjahr galt das für gerade mal vier Prozent. Weltweit dagegen will nur jedes sechste Unternehmen so viel ausgeben, auch wenn dort die Bereitschaft für Übernahmen sogar noch etwas größer ist (59 Prozent).

Quelle: Infografik Die Welt

Immerhin wollen die Deutschen ihr Geld vornehmlich auch in Deutschland investieren. Denn Ziele im eigenen Land stehen bei den Kaufwilligen hierzulande ganz oben auf der Wunschliste. Danach folgen Großbritannien, China, die USA und Indien. Unter den internationalen Konzernen rangiert Deutschland als Ziel dagegen erst auf Platz fünf. Hier stehen die USA ganz oben.

Hier wie dort speist sich das Übernahmefieber in den Konzernetagen aus einem fast schon euphorischen Blick auf die Weltwirtschaft. Fünf von sechs Firmenlenkern gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft weiter wächst, mehr als zwei von sechs erwarten sogar ein starkes Wachstum. Noch vor einem Jahr war gerade mal die Hälfte der Überzeugung, dass überhaupt Wachstum zu sehen sein wird. Und in Deutschland erwarten aktuell sogar 95 Prozent der Unternehmen, dass die Weltwirtschaft weiter wächst.

Doch nicht jeder Plan wird auch umgesetzt

Müssen jetzt also Tausende oder gar Millionen deutsche Arbeitnehmer damit rechnen, dass ihr Unternehmen in Kürze aufgekauft wird? Alexander Kron dämpft diese Angst. „Nur weil es Übernahmepläne gibt, heißt das nicht immer automatisch, dass diese auch zum Abschluss kommen“, sagt er. So sei die Zahl der attraktiven Übernahmekandidaten beschränkt. „Gleichzeitig bedeutet das gesteigerte Interesse auch eine größere Konkurrenz um die wenigen attraktiven Akquisitionsziele.“ Dadurch werden die Preise in die Höhe getrieben, was dann am Ende manchen Deal unattraktiv macht.

Vonovia will Deutsche Wohnen übernehmen

Vonovia-Finanzchef Stefan Kirsten erwartet bei einer Übernahme von Deutsche Wohnen keinen Widerstand des Kartellamts. Vermögensverwalter Georg Thilenius erklärt, was für eine Übernahme spricht.

Quelle: Die Welt

Das zeigt sich bereits bei einer Auswertung der Übernahmen der ersten neun Monate dieses Jahres. Insgesamt rund 1400 Käufe und Fusionen gab es in dieser Zeit in Deutschland, von der Übernahme kleinerer Firmen bis hin zu Megadeals wie der angekündigten Übernahme des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen durch den Konkurrenten Vonovia.

Im Durchschnitt lag der Preis je Kauf in diesem Jahr allerdings rund 50 Prozent höher als im Vorjahr. Insgesamt wurden bislang rund 90 Milliarden Euro bewegt, nach 60 Milliarden im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

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Weltweit ist das Bild ganz ähnlich. Hier wurden rund 23.400 Transaktionen gezählt, nur zwei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Doch der Gesamtwert ist ebenfalls um etwa 50 Prozent gestiegen, auf knapp zwei Billionen Euro.

Auch neue Arbeitsplätze sollen geschaffen werden

Erfreulich ist, dass die Firmen das Geld nicht nur für Käufe ausgeben wollen, sondern auch für neue Arbeitsplätze. Zwei von drei Unternehmen in Deutschland wollen der Umfrage zufolge zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Allerdings ist dies dennoch deutlich weniger als vor einem halben Jahr. Damals planten noch 90 Prozent mit neuen Jobs.

Weltweit ist der Anteil der Firmen, die ihre Belegschaft erweitern wollen, weniger stark zurückgegangen. Allerdings war sie dort auch zuvor weniger ausgeprägt. Nun planen noch 45 Prozent weitere Einstellungen, vor sechs Monaten waren es 52 Prozent.

Einen Strich durch die Pläne – sowohl was Einstellungen als auch Zukäufe betrifft – könnten den Firmen allerdings diverse Gefahren machen. International sehen die Konzernoberen dabei vor allem die wachsende politische Instabilität als Risiko. Nach den Terroranschlägen in Paris dürften sich darin auch viele bestätigt sehen.

Die Euro-Krise ist für die Firmen abgehakt

In Deutschland allerdings standen politische Verwerfungen für die Firmen nicht ganz oben auf der Liste der Gefahren, zumindest nicht zum Zeitpunkt der Umfrage, die im September und Oktober durchgeführt wurde. Hierzulande waren die Konzerne vielmehr besorgt, dass die erhöhten Schwankungen bei Währungskursen und Rohstoffpreisen ihr Geschäft beeinträchtigen könnten.

Die wirtschaftliche Lage in der Euro-Zone nannten dagegen nur noch acht Prozent als ein Risiko. Diese Krise scheint für deutsche Unternehmen weitgehend ausgestanden. Ganz anders dagegen bei der internationalen Konkurrenz. Hier ist immer noch jeder Vierte in Sorge um die Wirtschaft in der Euro-Zone. Bei der nächsten Umfrage dürfte klar sein, wer recht behält.

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