Homeoffice und Nomadendasein: Wird New Work zur Symbolpolitik?

Begriffe wie flache Hierarchien und flexible Arbeitszeit gelten als Synonyme für New Work. Doch sie vermitteln nicht den wahren Kern der Bewegung. Experten befürchten: New Work wird zur Symbolpolitik.

Jeder Einzelne kann New Work nach vorn bringen

Thomas Wickart
  • Markus Väth kritisiert zu Recht, dass New Work oft nur Symbolpolitik ist
  • Damit sich das ändert, sind auch Arbeitnehmer in der Pflicht
  • Immer mehr Berufe ermöglichen mehr Freiheit – fordern wir sie ein

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New Work beziehungsweise die Arbeitswelt 4.0 – das ist doch eine tolle Sache. Eine Bewegung, die immer mehr an Fahrt aufnimmt. Markus Väth hat mit seinem Artikel „New Work wird zum Hochglanzbegriff“ jedoch zu Recht kritisiert, dass sie häufig falsch interpretiert wird: In vielen großen Unternehmen versucht man sich des Themas New Work anzunehmen und verändert hier und da Strukturen, indem man einige Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten lässt und ihnen eine Vertrauensarbeitszeit ermöglicht. Das Problem, so Väth, sei aber, dass es sich dabei um neuen Wein in alten Schläuchen handele. Bei New Work ginge es nicht um strukturelle Änderungen, sondern um die Anpassung von Unternehmenswerten. Da pflichte ich Herrn Väth ganz bei: Es braucht einen Wandel in der Führungsetage. Es braucht aber auch eine Bewegung von Arbeitnehmern und Selbstständigen, die New Work schon leben. Menschen, die sich tagtäglich mit dem Thema befassen, darüber berichten – so Öffentlichkeit schaffen und mit gutem Beispiel vorangehen.

Ich habe meine eigene Definition von New Work im Nomadendasein gefunden. Als digitaler Nomade habe ich das Privileg, New Work für mich zu gestalten. Es ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens geworden – und genau darum geht es bei dem Thema. Es beeinflusst, wie ich meine Zeit einteile und wie ich arbeite. Seit mehr als acht Jahren bin ich selbstständig und darf meinen Arbeitsalltag selbst organisieren. Diese Selbstbestimmung und Freiheit ist mir sehr wichtig und passt zu meinen persönlichen Werten. Sie gibt mir auch die Flexibilität, mit meiner Frau eine Partnerschaft an drei Standorten zu führen: der Schweiz, Deutschland und Spanien. Meine Kunden sind an allen Standorten zu Hause. Wichtig ist für mich als digitaler Nomade, dass ich meine Kommunikation mit dem Kunden flexibel anpassen kann. Auch das ist New Work.

Unternehmen dürfen nicht nur an ihren Strukturen herumschrauben

Ich selbst kann also einer derjenigen sein, die mit ihrer Version von New Work zeigen, wie noch viel mehr Menschen in Zukunft arbeiten könnten. Das Magazin „Gründerszene“ hat das Thema gut verallgemeinert:

„Die zentralen Werte des Konzepts von New Work sind die Selbstständigkeit, die Freiheit und die Teilhabe an der Gemeinschaft. New Work soll neue Wege von Freiräumen für Kreativität und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bieten und somit etwas wirklich Wesentliches und Wichtiges zum Arbeitsmarkt beitragen. Auf diese Weise wird echte ‚Handlungsfreiheit‘ ermöglicht. Das selbstbestimmte Handeln steht hier im Vordergrund, wobei die alten starren Arbeitsmethoden der Vergangenheit angehören.“

Um das zu ermöglichen, sollten Unternehmen nicht nur an ihren Strukturen herumschrauben, sondern die Mitarbeiter tatsächlich an dem Unternehmen teilhaben lassen, eine Community aufbauen.

Es stimmt, was Herr Väth schreibt: Viele Berufsgattungen sind noch nicht so weit. Noch immer werden Mitarbeiter für das Fließband gebraucht, Mitarbeiter, die an der Kasse die Kunden bedienen oder unsere Straßen reinigen. Sie können ihre Arbeitsweise schwer mitgestalten. Aber wie lange werden diese Jobs noch überleben? Welche Jobs können durch die künstliche Intelligenz ersetzt werden? Welche kommen neu dazu? Das sind alles Fragen, die wir uns ernsthaft stellen müssen – auch damit wir die Bewegung New Work nicht verlangsamen.

Auch festangestellte Mitarbeiter brauchen variable Arbeitsstätten

Flexibilität wird auch in Zukunft ein zentraler Punkt der New-Work-Bewegung sein. Und je flexibler wir arbeiten können, desto flexibler muss unser Arbeitsplatz sein. Ich selbst bin gern in Coworkingspaces. Kreative, kleinere Start-ups oder digitale Nomaden kommen in meist größeren, offenen Räumen zusammen und profitieren auf diese Weise voneinander. Auch größere Unternehmen sollten diesen Effekt noch viel stärker für sich nutzen. Denn auch für Projektgruppen kann die andere Umgebung förderlich sein.

Unternehmen sollten aufpassen, dass sie mit New Work nicht nur Symbolpolitik betreiben und so ihre Mitarbeiter verunsichern. Wichtig ist es, zu wissen, wohin die Reise geht, und Werte zusammen mit der Community, ihren Mitarbeitern, zu entwickeln und zu leben. Die Bewegung wird voranschreiten, und das ist auch gut so. Gerade weil die kommende Generation mehr auf Werte und Selbstbestimmung setzen wird und nicht mehr nur auf Profit.


Diskutieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser: Verwässert der Begriff New Work zunehmend? Setzen Unternehmen nur neue Methoden ein, aber die Kultur bleibt gleich? Welche Erfahrungen haben Sie mit New Work gemacht?

Veröffentlicht:

Thomas Wickart
© Wickart
Thomas Wickart

Designer und digitaler Nomade

Der Designer ist seit 2010 selbstständig. Thomas Wickart berät Start-ups und Jungunternehmen im Bereich der visuellen Kommunikation, sprich: beim Markenauftritt und Erscheinungsbild. Als digitaler Nomade ist die ganze Welt sein Arbeitsplatz, darunter verschiedene Coworkingspaces. 2015 gründete er gemeinsam mit vier Kollegen den ersten eigenen Coworkingspace in der Schweiz. Inzwischen ist er Vorstand von Coworking Switzerland und berät Immobilienbesitzer und Betreiber beim Aufbau von Coworkingspaces.

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