Shows auf Instagram oder Beratungen via Webcam: Das Geschäft mit der Schönheit verlagert sich in Zeiten von Corona noch stärker ins Internet

Die Krise trifft auch die bis vor kurzem wachstumsverwöhnte Kosmetikbranche. Besonders der Einbruch der Einnahmen aus Duty-free-Läden schmerzt. Doch online eröffnen sich Unternehmen wie Estée Lauder oder Louis Widmer ganz neue Möglichkeiten.

Dominik Feldges
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Vor allem Parfums und hochpreisige Produkte für die Hautpflege werden trotz steigenden Absätzen im Internet vielerorts noch immer primär über den stationären Fachhandel gekauft.

Vor allem Parfums und hochpreisige Produkte für die Hautpflege werden trotz steigenden Absätzen im Internet vielerorts noch immer primär über den stationären Fachhandel gekauft.

Kim Hong-Ji / Reuters

Schönheit zählt immer – in Zeiten von Corona vielleicht sogar noch mehr. Wer in den vergangenen Wochen vermehrt per Videokonferenz mit Arbeitskollegen oder Kunden kommuniziert hat, dürfte der Gesichtspflege verstärkt Beachtung geschenkt haben. Kameras kennen schliesslich kein Pardon in Sachen Aussehen und legen auch kleinste Defizite offen.

Dennoch durchlebt auch die riesige Kosmetikbranche, die in den vergangenen Jahren vor allem in Schwellenländern von stark steigenden Umsätzen profitierte, eine harte Bewährungsprobe. In diesem Markt, dessen Gesamtvolumen laut einer letztjährigen Präsentation des Genfer Riechstoffherstellers Givaudan einschliesslich Parfums knapp 480 Mrd. Fr. beträgt, machten sich jüngst schmerzlich die Ladenschliessungen wegen der Coronavirus-Pandemie bemerkbar.

La Prairie leidet

Vor allem Parfums und hochpreisige Produkte für die Hautpflege werden trotz steigenden Absätzen im Internet vielerorts noch immer primär über den stationären Fachhandel gekauft. Dafür spricht, dass in Deutschland der durchschnittliche Warenwert eines Einkaufs von Körperpflegeprodukten in Ladengeschäften bis anhin 35 € erreichte, verglichen mit lediglich 19 € im Online-Handel. Ein weiterer wichtiger Verkaufskanal sind Duty-free-Läden an Flughäfen oder auf Kreuzfahrtschiffen. Dieser Absatzmarkt, der im Jargon der Branche als Travel-Retail bezeichnet wird, ist seit dem Beginn der Lockdown-Massnahmen in weiten Teilen der Welt fast komplett ausgefallen.

Die Schweizer Luxuskosmetikmarke La Prairie, die zum deutschen Konsumgüterkonzern Beiersdorf gehört, erlitt bereits im ersten Quartal dieses Jahres einen Einnahmenrückgang von knapp 36%. Das Management begründete dies mit dem Einbruch des internationalen Reiseverkehrs. Damit dürfte La Prairie noch deutlich stärker unter die Räder gekommen sein als der Gesamtmarkt. Der weltgrösste Anbieter von Körperpflegeprodukten, L’Oréal, bezifferte den branchenweiten Umsatzschwund bei Kosmetika im Luxusbereich in den ersten drei Monaten auf 16%.

Kurzarbeit bei Louis Widmer

Auch Louis Widmer, ein weiterer bekannter Hersteller von hochpreisigen Kosmetikprodukten aus der Schweiz, hat seit dem Ausbruch der Pandemie Einbussen hinnehmen müssen. Auf Anfrage hält die Unternehmenschefin Annemarie Widmer indes fest, dass die Familienfirma dank dem Vertrieb über Apotheken und Drogerien sowie einer «treuen Kundschaft» ein Stück weit «geschont» worden sei.

Gleichwohl war Louis Widmer gezwungen, Kurzarbeit für Mitarbeiter in verschiedenen Ländern zu beantragen. Erst vergangene Woche hat das Unternehmen aus Schlieren begonnen, seine Produktion wieder hochzufahren.

In der Kosmetikbranche sind neben internationalen Riesen wie L’Oréal, dem US-Konzern Estée Lauder oder der japanischen Shiseido-Gruppe auch zahlreiche mittelständische Unternehmen sowie Kleinfirmen tätig. Dies gilt auch für die Schweiz. Der Schweizerische Kosmetik- und Waschmittelverband (SKW) zählt unter seinen Mitgliedsfirmen knapp 80 Unternehmen, die Körperpflegeprodukte herstellen. Laut dem Präsidenten Thomas Früh hat die starke Exportabhängigkeit der Branche jüngst zu massiven Verwerfungen geführt. Gewisse Firmen hätten vorübergehend bis zu 100% ihres Geschäfts verloren, sagt Früh.

Tester aus dem Verkehr gezogen

Inzwischen haben in den meisten Ländern die Ladengeschäfte wieder geöffnet. Allerdings ist der Betrieb nach wie vor mit grossen Einschränkungen verbunden. In der Schweiz beispielsweise sehen die Hygienemassnahmen vor, dass Tester für Produkte wie Make-up oder Parfums nicht benutzt werden dürfen. Auch ist es der Kundschaft untersagt, Originalverpackungen zu öffnen. Dies gebe unter den Mitgliedern zu reden, sagt der Direktor des Branchenverbands SKW, Bernard Cloëtta. «Es herrscht die Sorge, dass Kunden ohne Tester erst recht keine Lust mehr verspüren, einen Laden aufzusuchen.»

Der gegenwärtige heftige Abschwung dürfte im Kosmetikbereich für viele Fachgeschäfte noch herausforderungsreicher als für die Hersteller ausfallen. Seit Jahren plagen den Handel Kostenprobleme – vor allem wegen hoher Mieten an Innenstadtlagen oder in Einkaufszentren.

Wie anderen Detailhändlern setzt den Parfümerien oder Drogerien auch der wachsende Wettbewerb mit Anbietern zu, die sich die hohen Fixkosten eines Ladennetzes sparen und ausschliesslich im Internet operieren. Hinzu kommt, dass vor allem kleinere Kosmetikhersteller mit einem Web-Shop damit begonnen haben, ihre Produkte auch direkt an Konsumenten zu vertreiben.

Was passiert mit Marionnaud?

All dies setzt dem stationären Handel zu, wobei laut Branchenbeobachtern inzwischen auch grosse Ketten teilweise um ihre Existenz kämpfen müssen. In der Schweiz kursieren immer wieder Gerüchte, wonach sich Marionnaud aus dem Markt zurückziehen wird. Dies würde die Schliessung von über 80 Filialen bedeuten. Trotz zweimaliger Anfrage war vom Hongkonger Besitzer der Kette, CK Hutchison, keine Antwort darauf zu erhalten, ob Marionnaud noch zum Kerngeschäft zähle oder nicht. Der Mischkonzern ist via die Tochterfirma AS Watson laut eigenen Angaben der weltgrösste Betreiber von Parfümerien und Drogerien und beschäftigt in 25 Ländern über 140 000 Mitarbeiter.

Louis Widmer beteuert derweil, dem Fachhandel treu zu bleiben. Man sei der Überzeugung, dass eine gute und umfassende Hautpflege eine kompetente Beratung bedinge, sagt Annemarie Widmer. Das Unternehmen betreibt keinen eigenen Online-Shop. Allerdings können sich Kundinnen seit zwei Jahren von Verkaufsmitarbeiterinnen der Firma im Internet beraten lassen. Neu will Louis Widmer auch Konsultationen zu allgemeinen Fragen der Hautpflege anbieten. Die Auskünfte sollen live von firmeninternen Expertinnen und Experten erteilt werden.

Das Unternehmen folgt damit einem Trend, der die Branche bereits seit geraumer Zeit beschäftigt. Kosmetikhersteller fragen sich, wie sie mithilfe von digitalen Angeboten die Kundenbindung verstärken und – vor allem via Beratungen – zusätzliche Einnahmequellen erschliessen können. Die Corona-Krise werde diese Entwicklung ohne Zweifel verstärken, sind sich Marktbeobachter einig.

Den Kundinnen gefällt’s

Unternehmen, die wie Estée Lauder im Internet bereits eine Fülle von Aktivitäten aufgebaut haben, scheinen auch von den jüngsten Marktturbulenzen weniger stark in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein als solche mit einer erst rudimentären Online-Präsenz. Die Verkäufe nahmen beim US-Branchenriesen im Geschäftsquartal per Ende März zwar um 12% ab, doch wäre der Einbruch, wie Analytiker von Morgan Stanley zu bedenken geben, ohne das starke Wachstum im E-Commerce-Bereich noch höher ausgefallen.

Was früher Sendungen auf Shopping-Fernsehsendern waren, sind bei Estée Lauder nun Live-Vorführungen auf Instagram oder firmeneigenen Websites. Den Kundinnen scheint es zu gefallen.