Villa Foster + Partners Villa Kaplankaya Blumer-Lehmann AG
Foto: Nigel Young

Technik 2. July 2020 Foster + Partners Villa: Freigeformte Wellendach imitiert das Meer

Auf einer türkischen Halbinsel gelegen bietet die Villa einen atemberaubenden Blick aufs Meer. Die transparente Leichtigkeit des repräsentativen Bauwerks geht auf einen Entwurf von Foster + Partners zurück, die mit der Ferienresidenz ihr zweites Privathaus-Projekt verwirklichten. Das wellenförmige Dach wurde zusammen mit den Freiform-Spezialisten der Blumer-Lehmann AG entwickelt.

Die Villa befindet sich auf der Halbinsel Kaplankaya an der türkischen Ägais-Küste. Beim Entwurf des Privathauses durch das weltweit agierende Architekturbüro Foster + Partners stand der spektakuläre Meeresblick im Vordergrund. Das Gebäude ist in den Hang gebaut und auf der Eingangsebene eingeschossig. Im Grundriss erkennt man zwei nahezu quadratische Baukörper. Sie sind mit einer leichten Spreizung zueinander platziert und bieten damit Platz für einen repräsentativen Eingangsbereich, der sich zum Meer weit öffnet. Auf der Ostseite befinden sich auf zwei Geschossebenen die Privaträume und Gastzimmer mit intimen Terrassen und Balkons, auf der westlichen Seite liegen die Gesellschaftsräume mit zum Teil 7,60 Meter hohen Wohn- und Essbereichen und einer großen Terrasse mit Infinity-Pool. Zwei Innenhöfe im hinteren Bereich der Residenz schaffen die Voraussetzung, dass die Gemächer auch bei großer Hitze von einer erfrischenden Meeresbrise durchspült werden. Gestalterisch ist der Übergang von innen und außen fließend. Die zum Meer fast vollständig verglaste Fassade erlaubt aus allen Räumen einen atemberaubenden Blick auf die türkische Ägäis.

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Freigeformtes Wellendach

Das beeindruckende Holzdach der Villa lässt an die Wellen des Meeres denken. Mit diesem Stilmittel schaffen es die Architekten, die gigantische Dachlandschaft harmonisch mit der Umgebung zu verschmelzen. Im hinteren Bereich flach und eben, entwickelt sich die Dachform nach vorne zu acht Wellentälern mit immer höher werdenden Wellenbergen, die der Terrasse mit einer 7,5 m langen Auskragung Schatten spenden. Das freigeformte Wellendach sollte auf Wunsch der Planer als Holzkonstruktion gefertigt werden. Durch die Holzbauweise wird das Gewicht des 1.600 Quadratmeter großen Daches gegenüber einem vergleichbaren Betondach beträchtlich verringert. Auch die Bauzeit wurde mit der Holzkonstruktion erheblich reduziert.

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Für die Realisierung der Dachkonstruktion holte sich Foster + Partners die Holzbau-Spezialisten der schweizerischen Blumer-Lehmann AG ins Boot. Man kannte sich bereits aus anderen gemeinsamen Projekten, zuletzt dem Maggie’s Cancer Centre in Manchester. Das Dachtragwerk wurde zusammen mit den Holzbauingenieuren der sjb Kempter Fitze AG geplant und berechnet. Die Parametrisierung der Planung erfolgte durch Design-to-Production. Mit beiden Büros arbeitet Blumer Lehmann schon seit vielen Jahren partnerschaftlich zusammen, vor allem bei Free Form-Projekten.

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Foto: Blumer-Lehmann AG

Dreistufiges Tragkonzept

Das Dachtragwerk wird von Primärträgern aus Eiche und Baubuche mit dazwischen gespannten Sekundärträgern aus Fichte gebildet. Augenfällig ist der abgerundete und geschwungene Dachrandbalken aus Eiche. Die primäre Tragstruktur in den Wellentälern bilden acht Hauptträger, jeder 24 Meter lang und einen Meter breit. Für den Transport wurden sie in fünf Einzelteile zerlegt, die auf der Baustelle wieder zusammengefügt wurden. Die Hauptträger lagern auf je drei schlanken Stahlstützen.

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Foto: Blumer-Lehmann AG

Die Wellenberge werden aus 187 Sekundärbalken geformt. Das Standardmaß für die Bogenbinder ist 120/500 Millimeter, wobei die Maße abhängig von den statischen Anforderungen und der Menge der Sonderausschnitte stark variieren. So mussten zum Beispiel die Führungsschienen für die Vorhänge auch im Bereich der Wellenbögen in die Dachkonstruktion eingelassen werden. Dafür waren zum Teil tiefe Einschnitte in die Bogenbinder notwendig.

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Foto: Blumer-Lehmann AG

Das dritte statische Element ist die Dachhaut, die über die gesamte Fläche eine aussteifende Scheibenwirkung hat. Auch dieses Dachelement wurde in transportfähige Einzelteile zerlegt. Die konisch geschnittenen Plattenteile wurden auf der Baustelle in die richtige Form gebogen und zu einer Scheibe zusammen montiert. Die Dachscheibe aus Dreischichtholz wurde später noch mit einer dünnen Dämmschicht versehen und abgedichtet. Das Dach hat zur Landseite hin ein leichtes Gefälle. Hier ist eine Rinne in die Dachkonstruktion eingelassen, über die das Dach entwässert wird.

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Foto: Blumer-Lehmann AG

Französische Eiche als Sichtholz

Alle sichtbaren Unterseiten des Daches sind aus Eichenholz. Bei den Hauptträgern ist der untere sichtbare Teil aus massiver Eiche. Aus statischen und wirtschaftlichen Gründen wurden die Tragbalken im vorderen Bereich mit Furnierschichtholz aus Buche, auch bekannt als LVL (laminated-veneer-lumber) verstärkt, im hinteren Teil mit Fichtenholz und miteinander verklebt. Die bessere Verfügbarkeit und die leichtere Bearbeitbarkeit des Holzmaterials sowie die damit verbundene Kostenoptimierung waren der Grund für diese Maßnahmen. Die Bogenbinder sind aus Fichtenholz gefertigt, nur der sichtbare Dachrandbogen ist aus massiver Eiche. Nach der Fertigstellung des Rohbaus wurden die Dachunterseiten innen wie außen mit geöltem Eichenholz verschalt. Insgesamt wurden ca. 50 Kubikmeter Eichenholz plus weitere 25 Kubikmeter für die Eichenschalung, ca. vier Kubikmeter Buchenholz und 300 Kubikmeter Fichtenholz verbaut. Das Material der Dreischichtplatten für den oberen Dachabschluss ist hier nicht mitgerechnet.

Parametrisierung und Vorfertigung

Für die Produktion war das Ziel von Planung und parametrischer Vorbereitung, möglichst viele gerade Elemente fertigen zu können. Die Zahl der gekrümmten Rohlinge wurde auf ein Minimum reduziert. Auch das Krangewicht und die Abmessungen der Einzelteile für den Transport wurden schon bei der Planung berücksichtigt. Dabei stellte sich heraus, dass trotz der klaren Struktur wenige Bauteile wirklich gleich waren. Durch die sich nach vorne langsam immer stärker entwickelnde Wellenform des Daches haben die Wellen an jeder Stelle des Daches eine andere Form. Die Bögen der Sekundärträger haben zum Beispiel im vorderen Bereich eine Stichhöhe von eineinhalb Metern, im hinteren Bereich konnten dagegen gerade Fichtenholzbalken eingesetzt werden. Andererseits ist der vordere Dachrandbogen sogar zweisinnig gekrümmt, denn das Wellendach beugt sich auch nach vorne heraus – wie Wellen, die an den Strand schwappen.

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Foto: Blumer-Lehmann AG

Nach einem exakten Zeitplan wurden die Einzelelemente in der Schweiz vorgefertigt, nummeriert und verladefertig gelagert. Der Transport mit Lkw dauerte durchschnittlich sieben bis elf Tage und verlief über sieben Ländergrenzen. Die Touren mussten inklusive der unterschiedlichen Zollanforderungen exakt vorgeplant werden, um Montagepausen auf der Baustelle zu verhindern. „Hier war sehr viel Steuerungskompetenz gefordert,“ erinnert sich Martin Eggenberger, Projektleiter bei Blumer Lehmann. Die Montage der Rohbaukonstruktion in der Türkei dauerte sieben Wochen, für die Eichenholzverkleidung waren weitere elf Wochen eingeplant.

zuletzt editiert am 04.08.2021