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16.06.2021 | Unternehmensführung | Interview | Online-Artikel

"Viele Unternehmer sind noch nicht bereit, richtig loszulassen"

verfasst von: Andrea Amerland, Angelika Breinich-Schilly

4 Min. Lesedauer

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Wenn die Kinder den Betrieb nicht übernehmen wollen, bleibt oft nur der Verkauf. Was Unternehmer und Investoren bei der Unternehmensnachfolge beachten sollten, erklären die Experten Julian Will und Patrick Seip im Gespräch.

Springer Professional: Viele KMU suchen nach einer Lösung für die Unternehmensnachfolge, weil ein Erbe fehlt. Welche Optionen gibt es außer dem oft notgedrungenen Unternehmensverkauf?

Patrick Seip: Es muss nicht ein fehlender Erbe sein. Die Frage ist eher, ob die Erben auch unternehmerisch tätig sein wollen. Häufig haben die Nachfahren von Unternehmern andere Pläne. Daher geht bei der Unternehmensnachfolge der Blick in Richtung einer firmeninternen Übertragung an führende Mitarbeiter. Allerdings finden sich so selten Nachfolger, da die meisten Angestellten keine Unternehmertypen sind oder keine Nachfolge antreten wollen. Auch, weil damit eine langfristige Verschuldung für den Kaufpreis einher gehen kann. Daher ist der Unternehmensverkauf fast alternativlos. Dieser verläuft in der Regel planvoll und strukturiert. Deshalb ist das Bewusstsein vieler KMU für eine ordentliche, auch zeitliche, Vorbereitung auf die eigene Nachfolge präsenter denn je.

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Richtet sich die Wahl für eine bestimmte Nachfolgeregelung auch an Kennzahlen aus? Welche wären das?

Julian Will: In gewisser Weise gibt die Kennzahl 'Unternehmensgröße' vor, welche Nachfolgeregelungen für einen Betrieb in Frage kommen. Daraus leiten sich ein übertragbarer Geschäftszweck und die Übergabefähigkeit ab. Die Größe ist unter anderem von der Mitarbeiterzahl abhängig. Weitere Kennzahlen für die Firmengröße sind jährlicher Umsatz und Ertrag. Finanzinvestoren oder Beteiligungsgesellschaften haben ihren Investmentfokus auf gewisse Umsatz- und Ertragsgrößenordnungen gerichtet. Tatsächlich kommen aber auch Kleinunternehmen für den Erwerb durch kapitalstarke Investoren in Frage. Bei dem angestrebten Nachfolgeziel, im Zuge eines Verkaufs einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen, sind natürlich auch die verschiedenen Ertragskennzahlen, die Effizienz und Profitabilität wichtig.

Welche rechtlichen Folgen sind an die einzelnen Formen der Unternehmensnachfolge geknüpft? 

Patrick Seip: Es gibt viele Gestaltungsmöglichkeiten, weshalb Prozess- und Transaktionsberater, Steuerspezialisten und Anwälte im Nachfolgeprozess zusammenarbeiten. Das typische Beispiel dafür, wie Rechtsform und Strukturierung die Unternehmensnachfolge beeinflussen, ist der Unterschied zwischen Share und Asset Deal. Im Vergleich zu einem Share Deal, bei dem die Geschäftsanteile der Gesellschaft auf den Nachfolger übertragen oder von diesem erworben werden, werden bei Asset Deals einzelne oder alle Wirtschaftsgüter verkauft. Daraus resultieren steuerliche und rechtliche Unterschiede, auch für den Käufer, etwa bei Abschreibungsform und -dauer des erworbenen Betriebs.

Der Share Deal, bei dem sich nur Eigentumsverhältnisse ändern, regelt rechtlich, dass alle Verträge, Mitarbeiter, Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten, Altlasten und so weiter mit übergehen. Beim Asset Deal greift die Einzelrechtsnachfolge, bei der Vertragspartner wie Kunden und Lieferanten zustimmen müssen. Dies ist beim Share Deal nur in expliziten Ausnahmesituationen der Fall. Ausnahme ist das Arbeitsrecht. Beim Betriebsübergang muss der neue Inhaber in alle Rechte und Pflichten des alten Arbeitgebers eintreten, wobei die Mitarbeiter ein Widerrufsrecht zum Übergang haben.

Welche Vorteile bietet eine Unternehmensnachfolge oder -übernahme im Vergleich zu einer Neugründung?

Julian Will: Die Vorteile beginnen bereits vor der Übernahme und zwar bei der Suche nach möglichen Finanzierungspartnern. Eine Bank erwartet in beiden Fällen einen fundierten Businessplan. Bei einer Firmenübernahme liegen Unternehmenskennzahlen vor, was die Erarbeitung einer zukunftsgerichteten Planung erheblich vereinfacht. Im Finanzierungskontext spielen bestehende Umsätze und Substanzen bei einer Übernahme ebenfalls eine wichtige Rolle.

Gründer scheitern an der Behauptung des neu gegründeten Geschäftsmodells im Marktumfeld. Bei einer Übernahme haben sich das Geschäftsmodell, aber auch Kunden- und Lieferantebeziehungen, bereits bewährt. Wer einen Betrieb übernehmen will, sollte trotz der Vorteile den Übernahmekandidaten genau screenen. Ohne eine dezidierte Prüfung können starre Firmenstrukturen, die ein Nachfolger nur schwer mit eigenen Ideen durchdringen kann, schnell mit eingespielten Strukturen verwechselt werden.

Der Nachfolgeprozess kann viele Jahre dauern und wird oft von emotionalen Aspekten oder Konflikten überlagert. Was bedeutet das für den Beratungsprozess?

Patrick Seip: Inhaber haben häufig ihr gesamtes Leben in den Aufbau ihres Unternehmens investiert, was oft zu einer enormen emotionalen Bindung führt. Viele Unternehmer sind daher noch nicht bereit, richtig loszulassen. Das kann im Nachfolgeprozess zu Frustration auf allen Seiten führen, insbesondere, wenn das Nicht-Loslassen-Können erst im Prozess klar wird. Daher ist es wichtig, nicht nur das Unternehmen genau zu analysieren, sondern auch den Unternehmer und dessen Motive.

Der Beratungsprozess sollte möglichst entemotionalisiert und rationalisiert werden. Das beginnt mit einer sachlichen Bewertung des Status Quo sowie mit einer kritischen Chancen- und Risikobewertung sowie der Alternativen zur angestrebten Nachfolgelösung. Das erreicht man mit einem strukturierten Prozess, Arbeitsgruppen und klar definierten Meilensteinen. Eine emotionale Aufladung zeigt sich in viel zu hohen Kaufpreisvorstellungen, die sich nicht an realistisch erzielbaren Marktwerten orientieren, sondern an den ideellen Wertvorstellungen des Unternehmers. Verantwortungsvolle Transaktionsberatung muss an dieser Stelle in die kritische Diskussion treten und – sollte es unüberbrückbare Einschätzungen über den Wert der Firma geben – dann auch ein Mandat ablehnen.

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