Dr. Sabrina Zeplin

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für Job & Karriere, Digitale Plattformen, Gründung

Aus den Augen, aus dem Sinn? Wie hybrides Arbeiten nicht zum Karriereknick führt

© GettyImages/ Luis Alvarez
Hybrides Arbeiten führt zur Herausforderung, weiterhin alle im Blick zu behalten. So kann's gelingen!

Hybride Arbeitsmodelle sind gekommen, um zu bleiben – und bringen neben vielen Benefits auch einige Risiken mit sich, zum Beispiel aus dem Sichtfeld zu geraten. Zum Glück gibt es Mittel und Wege, das zu vermeiden. 

Waren flexible Arbeits(zeit)regelungen früher die Ausnahme, sind sie durch Corona eher zur Regel geworden – die tägliche Anwesenheit am Arbeitsplatz gehört für viele der Vergangenheit an. Auch ich genieße die Vorzüge der neuen Freiheit der Wahl.

Unternehmen, die wie wir zu einem hybriden Arbeitsmodell übergehen, müssen sich allerdings ein paar Fragen stellen. Wir Menschen sind nun einmal so veranlagt, dass wir diejenigen bevorzugen, die sich in unserer unmittelbaren Nähe befinden. Und die, die physisch nicht präsent sind, können darüber schon mal ein wenig in Vergessenheit geraten. 

Diese auch als "proximity bias" bekannte Voreingenommenheit ist instinktiv und ein evolutionärer Teil unseres kognitiven Entscheidungsprozesses. Früher äußerte sich diese gefühlte Nähe oft auch in der tatsächlichen: Je näher das Büro an dem des Chefs oder der Chefin war, desto wichtiger waren die, die dort arbeiten.

Was ist Nähe in Zeiten von Home-Office?

Heute aber ist Nähe nicht mehr so einfach zu definieren. Sind die näher dran, mit denen wir jeden Tag einen Zoom-Call machen, aber eher über Geschäftliches reden? Oder die, mit denen wir beim Kaffeeholen in der Küche einen kleinen privaten Plausch halten? Und wie fair sind eigentlich die Entscheidungen, die wir auf Basis dieser zwischenmenschlichen Interaktionen treffen?

Denn Bindung kann dazu führen, dass wir uns ein überhöhtes Bild von denjenigen machen, die in der Nähe sind, während wir qualifiziertere Personen in größerer Entfernung weniger wahrnehmen und ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen schlechter einschätzen können. Auch wir Führungskräfte sind vor diesem Phänomen nicht geschützt: Unsere Beurteilungen werden ebenfalls oft genug durch Gefühle statt durch Tatsachen gelenkt.

Ein neues Bewusstsein entwickeln

Das kann vor allem Frauen schaden. Der größte Unterschied zwischen Frauen und Männern manifestiert sich in dem Wunsch, von Zuhause oder einem anderen Ort aus arbeiten zu können. Das hat die von uns Anfang des Jahres durchgeführte forsa-Umfrage ergeben. Fast der Hälfte aller befragten Frauen (48 Prozent) ist dieser Aspekt wichtig, bei den Männern sind es nur 38 Prozent.

Bei freier Entscheidung für oder gegen das Büro kann das dazu führen, dass Frauen vergleichsweise weniger präsent sind – und sich der Gender Gap so vergrößert, weil Einkommenspotenzial und berufliche Aufstiegschancen von Frauen und gerade von Müttern ausgebremst werden. Denn auch weiterhin sind sie es oft Frauen, die einen Großteil der Familienarbeit übernehmen und mehr in Teilzeit arbeiten als Männer. Das macht das Arbeiten von Zuhause aus noch attraktiver, reduziert die Sichtbarkeit aber noch stärker.

Was können Unternehmen und was kann ich als Führungskraft tun, damit Menschen, die nicht ständig im Büro sind, genauso gesehen, gehört und gefördert werden wie die, die vor Ort Präsenz zeigen?

So versuche ich Chancengleichheit zu schaffen:

  • Der erste Schritt ist, sich des Problems und der eigenen – wenn auch unverschuldeten – Voreingenommenheit bewusst zu sein.
  • Auf dieser Basis können wir individuelle und an das Unternehmen angepasste Maßnahmen entwickeln, die sicherstellen, dass unabhängig vom physischen Standort alle an Bord sind. Das können Teammeetings sein, die weiterhin virtuell stattfinden, auch wenn viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Büro sind. Oder ganz bewusste informelle Anlässe, zu denen alle Mitarbeitenden zusammenkommen, um zu allen auch persönliche Nähe herzustellen.
  • Auch das Führen einer simplen Liste kann helfen, den Überblick darüber zu behalten, mit wem man sich in letzter Zeit ausgetauscht hat und mit wem nicht.
  • Ich selbst hinterfrage mich jetzt häufiger als früher, nach welchen Kriterien ich Projekte vergebe oder Wertschätzung ausdrücke. Denn selbstverständlich bin auch ich nicht frei von 'unconscious bias’ - also unbewussten Präferenzen. Auch wenn wir jetzt gefühlt schon seit einer langen Zeit remote oder hybrid zusammenarbeiten, haben sich die veränderten Dynamiken, die das mit sich bringt, noch nicht fest genug in unserem Bewusstsein verankert.

Aber auch die Mitarbeitenden sind gefragt: Wenn man nicht gesehen wird, muss man sich Gehör verschaffen – und zwar am besten, bevor der Frust zu groß wird. Probleme ansprechen, Bedürfnisse artikulieren, Vorschläge machen, Fragen stellen, Denkanstöße geben: So ebnet sich der Weg für gemeinsame Lösungen und Chancengleichheit in der hybriden Arbeitswelt.

Mich würde natürlich brennend interessieren: Was sind eure Erfahrungen? Wie geht ihr damit um? Ob als Führungskraft oder als Mitarbeitende, die von Zuhause arbeiten? Ich freue mich auf Kommentare! 

Wer schreibt hier?

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Dr. Sabrina Zeplin

Gründer und CEO, Restart Career GmbH

für Job & Karriere, Digitale Plattformen, Gründung

Dr. Sabrina Zeplin ist Digital-Unternehmerin und Gründerin von RestartCareer, der digitalen Plattform für berufliche Neuorientierung nach arbeitgeberseitiger Trennung. Mit ihrer Plattform möchte sie Menschen ermutigen und inspirieren, berufliche Veränderungssituation als persönliche Chance zu nutzen
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