Was die Aufforstung in der Praxis bringt

Bäume pflanzen fürs Klima – eine Mogelpackung?

Wer in Bargteheide einen Baum pflanzt, bekommt vielleicht bald Geld dafür.

Baumpflanzprojekte gelten als beliebt - auch weil man sein ökologisches Gewissen damit beruhigen kann.

Hannover. Die Wälder auf unserem Planeten und das globale Klima sind eng miteinander verknüpft. Von den Tropenwäldern bis hin zu den großen Nadelwaldregionen in Russland und Kanada fungieren sie als gigantische Kohlenstoffspeicher. Auch unser deutscher Wald trägt seinen Teil dazu bei.

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Doch der Zustand der deutschen Wälder bleibt angesichts von Stress durch Hitze, Trockenheit und Käferschäden angespannt. Nur noch einer von fünf Bäumen ist gesund, zeigt der aktuelle Waldzustandsbericht. Betroffen sind vor allem die am meisten verbreiteten Arten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche. Als Hauptursache gilt die Klimakrise.

Klimagewissen kommt gut an

Kein Wunder, dass das Bäume pflanzen ein positives Image hat, das sich auch die Parteien gern auf die Fahnen schreiben. Politiker und Politikerinnen lassen sich gern beim Bäumepflanzen ablichten, um zu zeigen, wie sehr ihnen der Planet am Herzen liegt.

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Auch die Wirtschaft hat längst das Geschäft mit den Klimawäldern eingepreist. Wer einen Baum in der Ferne mitfinanziert, so heißt es oftmals, könne damit gleich die Klimabilanz der gekauften Produkte ausgleichen. Zahlreiche Unternehmen investieren bereits in Aufforstungsprojekte in europäischen und tropischen Wäldern. Das Versprechen: Bäume pflanzen, um die CO₂-Emissionen rechnerisch auszugleichen.

Doch ob sich die Aufforstung in der Praxis wirklich so positiv auswirkt, wird von Fachleuten unterschiedlich bewertet. So veröffentlichte die ETH Zürich 2019 eine große Studie, wonach wir den Klimawandel aufhalten können, wenn wir weltweit massiv aufforsten.

Mithilfe von KI hat das Uni-Team dafür Satellitenbilder ausgewertet, um herauszufinden, wo auf der Welt noch Bäume gepflanzt werden könnten. Danach wären weltweit noch 900 Millionen Hektar frei, um darauf Bäume pflanzen zu können – das entspricht in etwa der Größe der Vereinigten Staaten.

Kritische Stimmen weisen allerdings darauf hin, dass nicht alle Regionen, die die Forschenden für die gigantische Aufforstung vorsehen, dazu geeignet seien. Die Tundra beispielsweise sei zu kalt, um dort Mischwälder zu pflanzen.

Rodungen im Blick behalten

Bäume pflanzen fürs Klima – „mit dieser Erzählung wird viel Greenwashing betrieben“, kritisiert Nicola Uhde, BUND-Expertin für Waldpolitik. Ob bei Flugreisen, Veranstaltungen oder beim Onlinehandel: „Egal, wie viele Bäume gepflanzt werden, die CO₂-Emission entsteht ja trotzdem“, sagt Uhde. Wichtig sei vor allem, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid bei Produktion, Transport und Abläufen zu reduzieren: durch Sparsamkeit im Verbrauch, durch Effizienz und durch den Einsatz von erneuerbaren Energien.

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Auch der zeitliche Faktor spiele eine Rolle: „Bis so ein kleines Pflänzchen nennenswert CO₂ aus der Atmosphäre binden kann, dauert es Jahrzehnte. Es können ja schließlich keine 100-jährigen Eichen gepflanzt werden“, erklärt die Fachfrau. Zudem gebe es in Deutschland nicht beliebig viel Platz für die Aufforstung im großen Stil.

Ihr Fazit: „Vor allem müssen die bestehenden Wälder geschützt werden.“ Die zahlreichen Pflanzaktionen würden nur ablenken von Rodungen, wie sie beispielsweise beim Ausbau der Autobahnen auf der Tagesordnung stehen würden.

Heimische Art an der richtigen Stelle

Die BUND-Expertin betont, dass sie nicht grundsätzlich gegen Bäumepflanzen sei. „Wenn es sich um heimische Baumarten an der richtigen Stelle handelt, unterstütze ich das natürlich“, sagt sie. „Nicht zuletzt schärfen Baumpflanzungen ja auch das Umweltbewusstsein.“

Kritisch sieht sie aber auf jeden Fall das sogenannte Land Grabbing. „Wenn ein Unternehmen meint, für die hierzulande entstandenen Emissionen Bäume in Afrika oder anderswo in der Welt pflanzen zu wollen. Dann kommt es leider oft zu Konflikten mit dem Anbau von Nahrungsmitteln oder gar zum Landraub durch Regierungen und Unternehmen. Leidtragende sind vor allem die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen.“

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Aufforstung manchmal kontraproduktiv

Nicht zuletzt komme es auf den Boden an, sagt Uhde und verweist auf eine israelische Studie, die zeigt, dass Aufforstung mit Blick auf die Erderhitzung sogar kontraproduktiv sein kann, wenn in Trockengebieten wie Wüsten oder Grasland großflächig Wälder gepflanzt werden.

Die Wissenschaftler der Studie erklären das so: Obwohl die neuen Bäume das CO₂ aus der Luft speichern und damit helfen, der Erwärmung der Atmosphäre entgegenzuwirken, können sie auch Wärme produzieren. Denn die Blätter sind meist dunkler als der darunterliegende Boden. Dadurch reflektieren die Bäume weniger Sonnenstrahlung und haben einen wärmenden Effekt.

BUND-Expertin Uhde sieht vor allem kritisch, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher mit dem Bäume pflanzen ihr Gewissen beruhigen wollen. „Wer wirklich etwas fürs Klima tun will, sollte seinen CO₂-Fußabdruck reduzieren“: Flugreisen und Autofahrten möglichst vermeiden, sich pflanzlich ernähren, weniger Strom und Heizwärme verbrauchen, Ressourcen schonen und auf alternative Energiequellen setzen.

Wälder durch Technologie entlasten

Auch Atmosfair sieht die Pflanzaktionen kritisch. Das Kompensationsunternehmen hat sich komplett gegen Baumprojekte entschieden. „Bäume pflanzen ist gut, aber nicht für den CO₂-Ausgleich. Diese Gegenrechnerei funktioniert nicht“, sagt Geschäftsführer Dietrich Brockhagen.

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Bei Atmosfair setzt man stattdessen auf Projekte, mit denen das CO₂ eingespart wird, etwa durch den Umstieg auf erneuerbare Energien. Aktuelles Beispiel: Die „Biogas Support Programme“ in Nepal, bei denen Kleinbiogasanlagen für Haushalte im ländlichen Nepal gebaut werden.

„Adressaten sind Haushalte, die derzeit Feuerholz zum Kochen verwenden“, sagt Brockhagen „So werden die Wälder entlastet und können langfristig regenerieren.“

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