Reiserecht Entschädigung nach dem Albtraumurlaub

Albtraum Urlaub: Verdreckter Hotelstrand, verseuchtes Meer. Quelle: dpa Picture-Alliance

Der Flug ist ausgebucht, das Hotelzimmer verdreckt – bei Mängeln können Urlauber Geld zurückfordern. Doch nicht immer kommen sie damit durch. Lehrreiche Fallbeispiele zeigen, was Gäste fordern können und wann sie scheitern.

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Sie wollten eine 18-tägige Rundreise durch Kanadas Osten machen, für insgesamt 15.500 Euro. Doch am Vortag ihrer Abreise vom Frankfurter Flughafen merkten ein Mann und seine Frau, dass sie vom Veranstalter nicht die gewünschte Business Class, sondern nur Economy Class gebucht bekommen hatten. Dabei hatten sie extra einen Aufpreis für die höhere Flugklasse bezahlt. Nach eigenen Angaben kam der Flug in der beengteren Economy Class für sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in Frage. 

Der Reiseveranstalter fand kurzfristig keine Lösung, da die Business Class ausgebucht war: Er bot nur die Erstattung des gezahlten Aufpreises an. Daraufhin traten das Paar die Reise nicht an.

Vor Gericht stritten die Reisenden mit dem Veranstalter um die Erstattung des Reisepreises und eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit. Beides sprach das Landgericht Frankfurt am Main dem Paar zu: Der Veranstalter habe kurzfristig die vereinbarte Reiseleistung erheblich geändert. Es habe dem Paar freigestanden, die Reise aus diesem Grund nicht anzutreten. Da die Reise durch die erhebliche Änderung vereitelt worden sei, stehe dem Paar auch eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zu. Diese sei mit 50 Prozent des reinen Reisepreises zu bemessen, ohne Aufpreis für die Business Class. Damit bekamen die beiden je 2380 Euro zusätzlich (2-24 O 96/22).

Aus der erhofft schönsten Zeit des Jahres wird in der Realität manchmal ein Alptraum. Vor allem bei Pauschalreisen können Urlauber nach Mängeln Geld zurückfordern. Dafür sollten sie den Mangel erst gegenüber der Reiseleitung rügen. Kann der Mangel nicht oder erst verzögert behoben werden, steht Reisenden ein Preisnachlass zu. Bei erheblichen Mängeln kommt eine Entschädigung hinzu, weil die Urlaubszeit praktisch entwertet worden ist. Von "nutzlos vertaner Urlaubszeit" sprechen die Juristen. 

Deren Höhe richtet sich nach dem Reisepreis, den Kosten eines Ersatzurlaubs und der Schwere des Verschuldens des Reiseveranstalters. In früheren Jahren wurde eine solche Entschädigung teils noch nach dem Einkommen bemessen, als Gegenwert einzelner Urlaubstage. Doch schon seit 2005 gilt der Reisepreis als Richtschnur (X ZR 118/03).

Erbrochenes und Gülle

Nicht angetretene Reisen – wie beim Paar mit der geplanten Kanada-Rundreise – mögen dabei ärgerlich sein. Noch schlimmer kann es aber sein, wenn Reisende erst vor Ort feststellen, dass an Erholung und Reisefreude nicht zu denken ist.

Bis vor den Bundesgerichtshof ging ein Fall, bei dem ein Paar mit zwei Kindern elf Tage lang im türkischen Antalya Urlaub machen wollte. Es hatte dafür gut 3000 Euro gezahlt. Doch nachdem der Flug verspätet ankam, wurde die Familie in einem anderen Hotel als gebucht untergebracht. Das Zimmer dort war völlig verdreckt. Handtücher teils nicht gewaschen. Ein Bett war mit Erbrochenem von anderen Hotelgästen verunreinigt. Ameisen, die das Zimmer ebenfalls bevölkerten, fielen da schon fast nicht mehr ins Gewicht. Nach drei Tagen durfte die Familie in ihr ursprünglich gebuchtes Hotel wechseln und kam dort in ein anderes, sauberes Zimmer.

Streit gab es hier darum, ob der Familie neben einer Preisminderung auch die Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zusteht. Schließlich sprach ihnen der Bundesgerichtshof nur eine Preisminderung von insgesamt gut 32 Prozent zu. Normalerweise gehen Gerichte erst ab einer Minderung von 50 Prozent von einer erheblichen Beeinträchtigung aus, die auch eine Entschädigung rechtfertigt.

Doch das griff aus Sicht des Bundesgerichtshofs zu kurz: Den Türkei-Urlaubern sei aufgrund der ekelerregenden Zustände im Hotel für drei Tage ein 70-prozentiger Preisnachlass eingeräumt worden. Erst der Hotelwechsel habe die Probleme beseitigt. Der Umzugstag, mit Wechsel vom einen ins andere Hotel, rechtfertige bei einer Familie mit Kindern sogar einen 100-prozentigen Rabatt. Selbst wenn die Minderung auf den Gesamtreisepreis bezogen dann keine 50 Prozent erreiche, sei solch ein Urlaub erheblich beeinträchtigt worden. Die Richter sprachen der Familie daher auch noch 600 Euro Entschädigung zu (X ZR 111/16).

Schon vor einigen Jahren mussten Gerichte sich mit Problemen nach einer mangelhaften Kanalisation in der Türkei beschäftigen. Im Hotelprospekt hatte noch alles super geklungen: Mit einem „langen, feinen Sandstrand“, bewacht noch dazu, lockte das Fünf-Sterne-Hotel an der türkischen Riviera. Ein Paar buchte für sich und seine zwei Kinder, 6 und 11 Jahre alt, einen zweiwöchigen Badeurlaub samt Flug für 6143 Euro. Vor Ort kam alles anders. Weil die örtliche Kläranlage defekt war, landeten ungeklärte Abwässer im Meer. 200 Meter vom Hotel entfernt war ein Gülleabfluss.

Nach der Ankunft erkrankten die Familienmitglieder an einem Brechdurchfall. Nach fünf Tagen wies der Hotelarzt sie ins Krankenhaus ein. Statt Hotelbuffet gab es Zwieback und Banane.

Die Zweite Zivilkammer des Landgerichts Köln sprach ihnen für neun Tage 100 Prozent Preisminderung, außerdem noch pro Person 987 Euro Entschädigung für nutzlos aufgewandte Urlaubszeit und 500 Euro Schmerzensgeld zu – insgesamt über 10.000 Euro (2 O 56/15): Schon im Vorfeld der Reise hätten sich Durchfallerkrankungen vor Ort gehäuft. Der Veranstalter hätte die Familie daher kurzfristig umbuchen müssen. Zumal er selbst davon ausging, dass die Erkrankung mit dem Ausfall der Kläranlage zusammenhing.

Mülltonnen vor dem Zimmer

Das war wohl entscheidend. Denn so viel Verständnis ist nicht die Regel. Oft blitzen Urlauber mit ihren Forderungen aber ab. So wies eine andere Zivilkammer des Landgerichts Köln Forderungen von Türkei-Urlaubern zurück, die ebenfalls eine Magen-Darm-Erkrankung bei einem Ausfall der lokalen Kläranlage erlitten hatten (22 O 204/15).

Anders als die Richterkollegen der Zweiten Kammer hielten sie es nicht für erwiesen, dass verdrecktes Meerwasser und kein normaler Virus die Erkrankung ausgelöst habe. Ein Beweis rein dem Anschein nach komme bei äußeren Ereignissen erst bei sehr hohen Fallzahlen in Betracht, etwa bei deutlich mehr als zehn Prozent erkrankten Urlaubern. Auch das Landgericht Duisburg urteilte damals so (5 S 91/15).

Oft gibt es auch Streit darüber, ob ein Vorfall wirklich ein Mangel ist. So berichteten Mallorca-Urlauber, die an der Ostküste in Cala d’Or ein „Superior-Familienzimmer“ für zehn Tage gebucht hatten, von einer Ratte. Diese sei nachts in ihr Zimmer eingedrungen. Weil unterhalb des Zimmers Mülltonnen gelagert würden, seien auch weitere Ratten auf ein Vordach geklettert. Sie wollten das Zimmer wechseln und den Reisepreis um 50 Prozent mindern, immerhin 2186 Euro.

Vor dem Amtsgericht Köln gingen sie allerdings leer aus (142 C 78/15): Ein solcher einmaliger Vorfall, der nicht mal zweifelhaft feststehe, sei kein echter Mangel. Dass Urlauber sich vor Ratten ekelten, sei verständlich, aber rein subjektiv. Mängel müssten objektiv feststehen.

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Butler und Bettwanzen

Weniger Zweifel gab es bei einem Paar, das eine 16-tägige Kuba-Pauschalreise für knapp 5500 Euro gebucht hatte. Dank der Zusatzoption "Diamond Club" sollte ihnen ein persönlicher Butler zur Verfügung stehen. Doch die Frau wurde im Hotel von Bettwanzen geplagt. Am Ende der Reise habe sie 300 Bisse am Körper gehabt, so die Darstellung des Paares. Vor dem Oberlandesgericht Celle forderte die Reisenden eine 100-prozentige Preisminderung, eine 50-prozentige Entschädigung für nutzlos vertane Urlaubszeit und 3500 Euro Schmerzensgeld. Das hielten die Richter jedoch für „völlig überzogen“.

Zwar deute ein Sachverständigen-Gutachten darauf hin, dass Insektenbisse die Beschwerden verursacht hätten. Doch davon sei nur die Frau betroffen gewesen. Schon das spreche gegen eine komplette Preiserstattung. Zudem träten Beschwerden nach Bissen von Bettwanzen nicht sofort auf, sondern erst mit einer gewissen Verzögerung. In anderen Fällen sei ein Nachlass von 50 Prozent für die betroffenen Reisenden in den ersten vier Tagen gewährt worden, danach 80 Prozent. Das müsse jedoch im Einzelfall geprüft werden.

Schmerzensgeld könne je nach Schwere der Probleme in Betracht kommen. Bei der Frau sei es wohl zu einer dauerhaften Narbenbildung gekommen. Dies könne mehr als 1500 Euro Schmerzensgeld rechtfertigen. Ob die geforderten 3500 Euro angemessen seien, müsse noch geprüft werden. Letztlich regten die Richter einen Vergleich an, bei dem der Reiseveranstalter mit 6000 Euro alle Ansprüche abgelten sollte (11 U 20/20). Ob es dazu kam, ist unklar.

Hinweis: Dieser Artikel wurde in einer ersten Version im August 2016 veröffentlicht. Wir haben ihn grundlegend aktualisiert und neu veröffentlicht.

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