Die Konsolidierung in der Lieferdienstbranche setzt sich fort: Die Berliner Bestell-Plattform Delivery Hero, das vermeldete der Konzern nun, zieht sich aus Taiwan zurück und übergibt die dortigen Aktivitäten unter dem Namen Foodpanda an den US-Wettbewerber Uber. Uber zahlt der Meldung zufolge 950 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 878 Millionen Euro) für Foodpanda Taiwan, zusätzlich steigt der US-Konzern über den Kauf eines Aktienpaket im Wert von 300 Millionen US-Dollar (277 Millionen Euro) bei Delivery Hero ein.
Die Vollzugsmeldung kommt etwas überraschend. Ende Februar hatte die WirtschaftsWoche exklusiv vermeldet, dass Uber die fortgeschrittenen Verhandlungen mit Delivery Hero über einen Foodpanda-Taiwan-Kauf abgebrochen hatte. Der Preis, den Delivery Hero damals aufgerufen haben soll, soll deutlich über einer Milliarde US-Dollar gelegen haben. Damals hatten weder Delivery Hero noch Uber den Vorgang kommentieren wollen. Als wahrscheinlich gilt, dass unterschiedliche Preisvorstellungen die Verhandlungen im Februar haben platzen lassen.
Bemerkenswert daran ist aber nun: Addiert man den jetzt bestätigten Kaufpreis und das Aktienpaket, zahlt Uber in Summe 1,25 Milliarden US-Dollar für Foodpanda Taiwan – also deutlich über eine Milliarde. Damit hätte sich Delivery-Hero-CEO Niklas Östberg durchgesetzt.
Taiwan ist ein wichtiger Markt für Essenslieferungen, ist er doch besonders lukrativ. Ein Großteil des Geschäfts konzentriert sich auf die Hauptstadt Taipeh. Dort leben viele gut verdienende, Tech- und bestellaffine Taiwaner. Delivery Hero und Uber, beziehungsweise dessen Essensbestell-Bereich Uber Eats, lieferten sich in den vergangenen Jahren eine harte Schlacht um Marktanteile auf der Insel.
Beide Anbieter sind mit Abstand die beiden führenden Lieferdienste, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Foodpanda soll eher im Süden Taiwans stark sein, während Uber Eats im Norden der Insel präsenter ist. Mit weitem Abstand folgt auf Rang drei die chinesische Lieferapp Foodomo. Spannend wird nun zu beobachten sein, wie die taiwanesische Kartellbehörde den Deal bewertet und unter welchen Auflagen sie ihn genehmigen könnte. Denn Uber Eats und Foodpanda dürften zusammen auf einen Marktanteil von 90 Prozent kommen, schätzt ein Analyst von JP Morgan.
Überraschende Allianzen
Der Deal dürfte aber nur ein Vorgeschmack sein für die Veränderungen, die in der Branche bevorstehen. Die großen Anbieter stecken ihre Pfade ab, kaufen, verkaufen und bilden Allianzen. Erst vergangene Woche erklärte Uber im Heimatmarkt USA eine bemerkenswerte Kooperation: Ab sofort können Nutzer von Instacart über die App auch Restaurantessen von Uber Eats bestellen.
Instacart ist eine in den USA weit verbreitete App, die einen Liefer- und Abholservice für Supermarkt-Lebensmittel anbietet, ähnlich wie Picnic und Flink in Deutschland. Die neue Partnerschaft, schreibt das „Wall Street Journal“, ist ein Versuch, der Konkurrenz eines gemeinsamen Gegners zu begegnen: DoorDash. Der US-Lieferdienst ist Marktführer in den USA für Restaurantlieferungen, noch vor Uber Eats, und ist während der Pandemie auch ins Geschäft der Lebensmittellieferungen vorgedrungen. Um auch in Europa schnell Marktanteile zu gewinnen, übernahm Doordash Ende 2021 den finnischen Lieferdienst Wolt. Auch beim Berliner Lebensmittellieferdienst Flink war Doordash Ende 2021 eingestiegen.
Delivery Hero (Umsatz: 10,5 Milliarden Euro) wiederum will sich bekanntlich von einem Großteil seines Geschäfts in Asien trennen. Im September 2023 hatte die WirtschaftsWoche berichtet, dass Östbergs Firma dazu mit dem Wettbewerber Grab verhandelt. Es ging um den Verkauf der Foodpanda-Aktivitäten in den sieben Ländern Singapur, Kambodscha, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Thailand und Laos. Doch im Februar erklärte Delivery Hero per Ad-hoc-Mitteilung, die Verkaufsverhandlungen seien „abgebrochen“.
„Der Verkauf von Taiwan ist nur dann sinnvoll, wenn Delivery Hero die anderen sieben ostasiatischen Länder mittelfristig auch verkauft“, sagt ein Kenner des Unternehmens gegenüber der WirtschaftsWoche. Nicht auszuschließen, dass der Durchbruch mit Uber bei Taiwan auch die blockierten Verhandlungen mit Grab wieder beflügelt. Die erfolgreich wieder aufgenommenen Gespräche mit Delivery Hero dürften sich jedenfalls schnell zwischen den beiden Firmen herumgesprochen haben: In Grabs Aufsichtsratsgremium sitzt unter anderem Dara Khosrowshahi, der seit 2017 der CEO von Uber ist. Auf Anfrage verwies ein Delivery-Hero-Sprecher auf den Stand der Dinge von Februar, als Delivery Hero den Abbruch der Verhandlungen gemeldet hatte. Darüber hinaus habe man derzeit nichts mitzuteilen, heißt es.
Auch Vietnam-Geschäft reduziert
Delivery Hero dürfte weiterhin gewillt sein, die sieben ostasiatischen Landesgesellschaften zu verkaufen, weil sie das Wachstum des Konzerns bremsen. „Wir müssen unsere Ressourcen auf andere Teile unserer globalen Präsenz konzentrieren“, begründete Niklas Östberg den Taiwan-Deal am Dienstag. „Angesichts sinkender Marktanteile und geringer Barreserven ist es schwer vorstellbar, wie Delivery Hero in Märkten bestehen könnte, in denen es nicht führend ist“, sagte Jianggan Li, Gründer und CEO von Momentum Works, einem Singapurer Marktforscher, gegenüber der Webseite DealStreetAsia. Das gilt auch für Vietnam. Dort teilen sich zwei Anbieter den Großteil des Lieferdienst-Marktes: Grab kommt laut Statista auf 45 Prozent Marktanteil, die vietnamesische App ShopeeFood auf etwa 41 Prozent.
Delivery Hero ist dort mit der App Baemin Vietnam vertreten. Die App gehört zum südkoreanischen Lieferdienst-Marktführer Woowa, dessen Mehrheit Delivery Hero 2021 nach monatelangen kartellbehördlicher Prüfung übernahm, für die gewaltige Summe von 5,7 Milliarden Euro. Den südkoreanischen Markt beherrscht Delivery Hero seitdem nahezu komplett - in Vietnam aber ist die Woowa-Delivery-Hero-Kooperation offenbar abgeschlagen. Bereits im vergangenen September hatte Delivery Hero deshalb seine Aktivitäten in dem ostasiatischen Land reduziert. Laut DealStreetAsia musste die Hälfte des Teams von Baemin Vietnam gehen. Ein Delivery-Hero-Sprecher erklärte damals, diese Entscheidung erfolge im Einklang mit der „DH-Gruppenstrategie (...), um eine schlankere und effizientere Organisation zu entwickeln, und ein profitables und nachhaltiges Unternehmen zu werden“.