Der Immobilienmarkt hält den Deutschen gewissermaßen den Spiegel vor. Vielleicht sind Artikel über Immobilien auch deshalb so beliebt. In ihnen kann man ablesen, wie es uns gerade geht und wo die Gesellschaft hinsteuert. Haben wir weniger Geld als vorher (Kaufneigung sinkt)? Nimmt der Individualismus überhand (immer mehr Single-Wohnungen)?
In diesem zugegebenermaßen etwas grob skizzierten Bild wird der Spiegel sehr häufig von derselben Instanz gehalten: dem Vermittlungsportal Immobilienscout24. Nahezu im Wochenrhythmus durchforstet der Marktführer seine Datenbanken und bringt neue Erkenntnisse unters Volk über Preise, Kaufneigung oder Stadtflucht
Der WirtschaftsWoche liegt nun exklusiv vorab eine große Auswertung vor, welche Immobilien gerade über Immoscout24 am häufigsten verkauft werden. Und dieser große Spiegel zeigt mehrere Trends:
1. Wohnungen lieber gut saniert
Die EU will bis 2050 klimaneutral werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Immobiliensektor, wo vor allem die niedrigsten Effizienzklassen aufgerüstet werden sollen. Über den Zeitraum und auch die zu erwartenden Kosten herrscht bei Besitzern und Kaufwilligen große Unsicherheit, vor allem bei Eigentümergemeinschaften.
Wohl auch deshalb werden zunehmend Eigentumswohnungen der Effizienzklassen A und B verkauft, während der Anteil der niedrigeren Klassen zurückgeht. Nahezu jede fünfte Wohnung, die im ersten Quartal dieses Jahres bei Immoscout den Besitzer wechselte, entsprach einer der beiden höchsten Kategorien. Hier wissen Käufer, dass spätestens ab der ersten Eigentümerversammlungen der nervenaufreibende und teure Streit um die Sanierung droht.
2. Häuser gerne „mit Potenzial“
Bei Häusern zeigt sich der genau gegenläufige Trend: Hier hat der Anteile der Verkäufe in den niedrigsten Effizienzklassen am stärksten zugenommen, während gut sanierte Häuser zuletzt weniger verkauft wurden. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass sie nicht beliebt wären. Sie sind schlicht die einzige Immobilienklasse, die gegen den Trend weiterhin immer teurer wird und damit schwerer erschwinglich, während schlecht sanierte Häuser rapide im Preis gefallen und dadurch trotz des drohenden Aufwands wieder attraktiv geworden sind.
3. Auf der Suche nach Immobilienschnäppchen
Dazu passt eine weitere Kenngröße: Günstige Immobilien werden immer gefragter. So umfasste zuletzt nahezu jede dritte Immobilientransaktion weniger als 250.000 Euro. Weitere 40 Prozent lagen unter der Grenze von einer halben Million Euro. Hier dürften den Käufern zum einen die gefallenen Preise in die Hände spielen. Zum anderen zeigt sich auch hier der Effekt der höheren Immobilienzinsen, die die monatliche Tilgung so stark erhöhen, dass eine so hohe Kreditsumme wie in Nullzinszeiten für viele Käufer nicht mehr drin ist und sie deshalb auf günstigere Objekte ausweichen.
4. Klein, aber mein
Die am meisten verkauften Häuser werden nicht nur zunehmend günstiger, sondern auch kleiner. Wobei klein relativ ist: Es dominieren Häuser mit einer Wohnfläche zwischen 100 und 200 Quadratmetern, während XXL-Häuser mit über 250 Quadratmetern deutlich weniger gefragt sind.
Bei Wohnungen ist der Trend gegenläufig: Hier werden Wohnungen mit weniger als 80 Quadratmetern seltener verkauft, während solche mit mehr als 120 Quadratmetern beliebter geworden sind. Familien ziehen also nicht nur ins Umland, sondern auch wieder in die Städte (siehe hierzu auch den nächsten Punkt).
Die größten Finanzierungsfallen für Immobilienkäufer
Wer seine finanzielle Belastungsgrenze für Zins und Tilgung überschätzt, gefährdet die gesamte Finanzierung. Die Monatsraten sollten ein Drittel der Einkünfte nicht übersteigen. Schließlich geht das Alltagsleben auch für Immobilienbesitzer weiter. Unvorhergesehene Ausgaben, etwa eine größere Autoreparatur, müssen problemlos bezahlbar bleiben. Dafür sind Reserven in Höhe von drei bis sechs Monatsgehältern empfehlenswert.
Quelle: Bausparkasse Schwäbisch-Hall, eig. Recherche
Stand: 2022
Bauherren sollten genau kalkulieren, ob sie mindestens zwei oder besser drei Prozent Tilgung im Monat stemmen können. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Rechnung: Spätestens bei Renteneintritt sollte die Immobilie abbezahlt sein. Die Bauzinsen sind zuletzt zwar gestiegen, die Zinsaufschläge für lange Kreditlaufzeiten von 20 oder gar 30 Jahren sind aber nicht besonders hoch. Eine möglichst lange Zinsbindung ist deshalb sinnvoll und sichert gegen einen weiteren Zinsanstieg ab.
Je mehr Eigenkapital in die Finanzierung eingebracht wird, desto weniger Geld muss sich der Kreditnehmer leihen. Als Faustregel gilt: Mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten (Bau-, Kauf- und Kaufnebenkosten) sollten Käufer aus eigenen Mitteln bestreiten können. Wer den Kreditbedarf unterschätzt, muss womöglich eine teure Nachfinanzierung in Kauf nehmen. Setzt man die Bedarfssumme dagegen zu hoch an, verlangen Banken eine Nichtabnahmeentschädigung.
Banken finanzieren sie nur ungern mit: Die Gesamtnebenkosten aus Grunderwerbsteuer, Gebühren für Notar und Grundbucheintrag sowie mögliche Maklerprovisionen können sich auf bis zu 15 Prozent des Kaufpreises summieren. Wer eine Immobilie im Wert von 300.000 Euro finanzieren will, sollte also bereits 45.000 Euro für die Nebenkosten angespart haben.
Guthaben aus Riester-Verträgen, Darlehen aus öffentlicher Hand, wie Kredite der KfW-Bank, oder auch Baugeld vom Bürgermeister können den Kreditbedarf senken. Zusätzlich kann es weitere Zuschüsse geben. Wer die besonders für Familien mit Kindern lukrative Wohn-Riester-Förderung oder das Baukindergeld nicht für die Finanzierung nutzt, verschenkt mitunter eine fünfstellige Summe. Oberländers Tipp: „Käufer sollten sich im Vorfeld gezielt nach Zulagen und Förderungen erkundigen.“
5. Das Haus im Grünen wird wieder unattraktiver
Zur Hochzeit der Coronapandemie schienen sich alle einig: Das höchste aller Gefühle wäre ein Haus im Grünen. Tatsächlich zogen damals die Suchanfragen im ländlichen Raum deutlich an, wenn auch weniger, als viele dachten. Doch selbst dieser Trend flaut deutlich ab: Anfang des Jahres fanden nur noch knapp 31 Prozent der Immobilientransaktionen auf dem Land statt gegenüber knapp 35 Prozent zwei Jahre zuvor.
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Die Metropolen und Speckgürtel gewinnen hingegen an Attraktivität, die Top-Städte gar um fast fünf Prozentpunkte auf 25 Prozent aller Transaktionen. Zeitlich passt das gut zu einem anderen gesellschaftlichen Trend: Zwar bieten immer noch viele Unternehmen Homeoffice-Regeln an, aber meist nur wenige Tage in der Woche. An den anderen Tagen müssen die Arbeitnehmer wie früher auch vor Ort sein – und da ist ein kürzerer Weg offenbar der gangbare.
Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Wohnungen und Häusern: Eigentumswohnungen in Metropolen werden wieder deutlich häufiger verkauft, hier also, wo die Mieten zuletzt explodiert sind und den Kauf wieder attraktiv machen. In den Speckgürteln hingegen dominieren die klassischen Einfamilienhäuser.
Fazit der Trends bei Kaufimmobilien
Was also zeigt dieser neue Spiegel? Deutsche, die vor den hohen Mieten flüchten, sei es in Schnäppchenhäuser im Speckgürtel, sei es in Wohnungen direkt in die Stadt. Das große Anwesen im Grünen hingegen verliert rapide an Fans.
Und noch etwas zeigen die Daten von Immoscout: „Immer mehr Objekte werden schneller vermarktet als noch zur Phase des Zinsschocks“, sagt Geschäftsführerin Gesa Crockford. Selbst schon lange inserierte Immobilien seien plötzlich gefragt. Es ist also deutlich Bewegung gekommen in den Kaufmarkt.
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