Als die steirische Industriellenvereinigung Ende Jänner ihre regelmäßige Konjunkturumfrage präsentierte, war die Ernüchterung groß: 44 Prozent der heimischen Industriebetriebe gehen in den kommenden Monaten von einem Personalabbau aus, so das damalige Ergebnis. Die vergangenen Wochen haben die Prognose untermauert.

Im Bereich der Warenproduktion ist die Arbeitslosigkeit in der Steiermark zuletzt um ein Viertel (24,6 Prozent) auf 3727 Betroffene gestiegen, wie die Anfang Mai präsentierten Arbeitslosenzahlen zeigten. Gleichzeitig sind die offenen Industrie-Stellen um 24,1 Prozent auf 1162 abgesackt. „Die wirtschaftliche Lage findet zunehmend ihre Abbildung auch am Arbeitsmarkt. Noch haben wir keine Arbeitsmarktkrise – leichter wird die Situation in den kommenden Monaten aber mit Sicherheit nicht werden“, sagt der steirische IV-Präsident Stefan Stolitzka. „Ganz im Gegenteil. Die konjunkturelle Entwicklung von einer Rezession in bestenfalls eine Stagnation wird zunehmend dazu führen, dass Betriebe ihren Personalstand anzupassen haben.“

Unterschiedliche Ursachen

Spätestens seit der Leiterplattenspezialist AT&S am Dienstag den Abbau von weltweit 1000 Beschäftigten, davon 200 bis 250 in den Werken in Leoben und Fehring ankündigte, ist zunehmend von einer „Misere der steirischen Leitbetriebe“ die Rede. Immerhin kündigte vor nicht einmal zwei Wochen Magna Steyr in Graz an, weitere 500 Stellen streichen zu müssen, nachdem man sich bereits im Dezember von 450 Beschäftigten trennen musste. Und Ende Februar hat auch der Technologiekonzern AVL List die Einsparung von 130 Stellen am Hauptsitz in Graz in die Wege geleitet – verbunden mit 70 Kündigungen.

Die Ursachen sind von Betrieb zu Betrieb teils sehr unterschiedlich. Bei Magna ist es das Debakel rund um das US-Elektroauto-Start-up Fisker und insgesamt auslaufende Aufträge, die (noch) nicht durch Neuprojekte ersetzt werden konnten, bei AT&S sind es ebenfalls Auslastungsthemen und bei AVL wurde u. a. auf die schwächelnde deutsche Autoindustrie verwiesen.

In allen drei Fällen gibt es aber auch deutliche Lichtblicke: Bei Magna in Graz läuft beispielsweise die Entwicklungsabteilung auf Hochtouren, erst Ende Vorjahres konnte vom Volkswagen-Konzern ein Entwicklungsauftrag für zwei neue Modelle der amerikanischen Elektromarke Scout an Land gezogen werden. Das Auftragsvolumen markierte mit 450 Millionen Euro einen neuen Rekord. AT&S investiert gut eine halbe Milliarde Euro in das neue Werk in Leoben-Hinterberg, hat dafür den Personalstand in den letzten eineinhalb Jahren massiv aufgestockt. Und AVL beschäftigt allein am Standort Graz – trotz der Einschnitte – gut 4100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es rund 2900.

Dennoch gibt es auch die große gemeinsame Klammer, die für massiven Druck, auch auf die Leitbetriebe, sorgt: Die Konjunkturtristesse trifft auf massive Kostensteigerungen am Standort auf der anderen Seite. „Die letzten vier Jahre haben uns in Österreich 32 Prozent Lohn- und Gehaltssteigerungen beschert. Das führt zu einem massiven Kostendruck“, sagt etwa AT&S-Chef Andreas Gerstenmayer. Die allgemeine globale Verunsicherung, die in Europa besonders stark ausgeprägte industrielle Wachstumsschwäche, gepaart mit den Kostenthemen, etwa auch bei der Energie, schlage durch, so der Ökonom Michael Steiner.

„Sind keine Insel der Seligen“

„Die Steiermark ist ein stark exportorientiertes Industrieland, der Export sorgt für rund 50 Prozent der Wertschöpfung.“ Von turbulenten, bisweilen chaotischen weltwirtschaftlichen Transformationsprozessen, technologisch sowie geopolitisch, könne sich die Steiermark vor diesem Hintergrund nicht abkoppeln. „Da sind wir keine Insel der Seligen, diese Entwicklungen gehen auch an den großen Playern, den steirischen Industrie-Leuchttürmen nicht spurlos vorüber.“ Sowohl die Investitionsneigung als auch die Auftragslage seien in vielen Leitbetrieben schwach ausgeprägt – mit entsprechender Wechselwirkung.

Ökonom Michael Steiner
Ökonom Michael Steiner © Kleine Zeitung / Jürgen Fuchs

Steiner zeigt sich daher auch skeptisch, was eine rasche Erholung betrifft. Ein „Abgesang auf die steirische Industrie und ihre Leitbetriebe“ wäre dennoch verfehlt, gefragt seien dennoch Anpassungen an den Wandel der Weltwirtschaftsordnung, „das ist manchmal auch ein schmerzhafter Prozess“. Hier sieht Steiner insbesondere auch die europäische Wirtschafts- und Standortpolitik gefordert. Defizite ortet er in puncto Wettbewerbsfähigkeit, etwa bei der Umsetzung einer dringend nötigen gemeinsamen europäischen Energiepolitik. Steiner: „Wir benötigen auch dringend einen gemeinsamen europäischen Kapitalmarkt“. All das sei für eine Industriehochburg wie die Steiermark von entscheidender Bedeutung.