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Viel Frust auf dem Wohnungsmarkt: „Wird höhere Mieten geben“: Wohnungsbauer befürchtet harte Zeiten und fordert Hilfe
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Christian Wyrwa(80 Sekunden - Neues Bauen Uwe Eichner ist der Geschäftsführer des Wohnungsanbieters Vivawest.
  • FOCUS-online-Redakteur

Der große Wohnungsanbieter Vivawest muss hunderttausenden Menschen pro Jahr eine Absage erteilen. Dafür schlägt dem Unternehmen viel Frust entgegen. Der Geschäftsführer sieht viele Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt, eine Sache macht ihm aber Hoffnung.

Manche Wohnungsanbieter haben das Bauen schon eingestellt. Vonovia beispielsweise verkündete im vergangenen Jahr eine Pausen. Vivawest hingegen, einer der größten Wohnungsanbieter in Nordrhein-Westfalen, baut nach wie vor. Trotzdem hat das Unternehmen mit dem aktuellen Mietmarkt zu kämpfen – ebenso wie die Menschen, die sich für die Wohnungen bei Vivawest bewerben. Uwe Eichner, Vorsitzender der Geschäftsführung, erklärt im Interview, welche Herausforderungen und Lösungen es derzeit gibt.

FOCUS online: Herr Eichner, im vergangenen Jahr konnte Vivawest 10.000 Wohnungen aus Ihrem Bestand vermieten. Sie mussten aber gleichzeitig 290.000 Bewerberinnen und Bewerbern absagen. Wie viel Frust bekommen Sie von diesen Menschen ab?  

Uwe Eichner: Der Druck auf unsere Mitarbeiter in den Kundencentern ist riesig. Es wird immer schwerer, sich zwischen den Bewerbern zu entscheiden, wenn man genau weiß, dass man nur eine Person glücklich machen kann und 29 Personen danach stinksauer sind. Die Situation ist angespannter als noch vor 20 oder 30 Jahren.  

Wie versuchen Sie den Frust abzufedern?  

Eichner: Wir machen klar, dass wir ein Unternehmen sind, das baut – das ist mittlerweile die Ausnahme. Wir schaffen im Jahr nahezu 1000 neue Wohnungen. Das reicht nicht aus, aber sie sind wichtig. Und ein Teil davon soll auch so wenig kosten, dass auch Menschen mit niedrigem Einkommen sie sich leisten können.  

Wohnungsanbieter gegen staatliche Eingriffe, Mieter dafür

Wo liegt aus Ihrer Sicht das Problem auf dem Wohnungsmarkt?  

Eichner: Zum einen sind die Baukosten enorm gestiegen und aktuell sehr hoch. Zudem ist in Deutschland der Standard für Wohnungen ebenfalls hoch. Jeder Quadratmeter Wohnraum kostet uns deshalb beim Bau aktuell rund 5000 Euro. Damit sich das rentiert, kann schnell eine Warmmiete von 20 Euro pro Quadratmeter zusammenkommen. Das ist nicht nur für den Kassierer an der Supermarktkasse unerschwinglich.  

Und zum anderen reguliert uns der Staat im Moment leider sehr stark. Das schützt die Mieter, die eine Wohnung haben. Aber es wird dadurch auch in die Einnahmen eingegriffen, die wir Investoren eben brauchen. Das kann nicht zu mehr Wohnraum führen.

Umfragen zeigen aber, dass eine knappe Mehrheit der Deutschen sich noch mehr staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt wünschen.  

Eichner: Das kann ich angesichts der Lage vollkommen verstehen. Aber es würde genau zum Gegenteil von dem führen, was die Menschen wollen. Wir können noch so gute Unternehmer sein, wenn sich die Investitionen nicht rechnen, bauen wir keine neuen Wohnungen.  

„Es wird höhere Mieten geben“

Also müssen sich die Menschen auf weiter steigende Mieten einstellen?  

Eichner: Ja, es wird höhere Mieten geben, das muss man so ehrlich sagen. Die Inflation wird nicht spurlos am Mietmarkt vorbeigehen können. Das ist natürlich sozialer Sprengstoff. Aber wenn die Politik das verhindern will, ist es auch ihre Aufgabe, eine angemessene Lösung zu finden.  

Wie kann die aussehen?  

Eichner: Zum Beispiel ist klar, dass dieser Markt subventioniert werden muss. Sonst werden Menschen mit geringem Einkommen herausgedrängt. Das darf nicht passieren. Aktuell stellt der Bund den Ländern 3,15 Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Wir bräuchten aber 20 Milliarden Euro.  

Das ist viel Geld, gibt es auch günstigere Wege?  

Eichner: Wir müssen die Prioritäten richtig setzen. Die Energieeffizienz von Gebäuden ist wichtig. Aber nur Geld in die Dämmung zu stecken, ist der falsche Weg. Der erste Zentimeter Dämmung bringt sehr viel, der zweite Zentimeter schon weniger und der dritte noch weniger. Trotzdem kostet uns der dritte so viel wie der erste. Klimaneutralität erreichen wir damit ohnehin nicht, Nullenergiehäuser werden kaum gebaut. Wichtiger für die Klimaneutralität ist, dass wir bei den Wohnungen weg von Öl und Gas gehen, dann wäre es auch nicht mehr so wichtig, teuer zu dämmen.  

Mittelweg zwischen Einfamilienhaus und Plattenbau

Das sind die Forderungen an die Politik. Was kann Ihre Branche unabhängig davon tun?  

Eichner: Wir haben eine hohe Innovationskraft, die uns helfen wird, schneller und an der ein oder anderen Stelle günstiger zu bauen. Ich glaube aber, dass wir insbesondere in Ballungsräumen nicht auf Einfamilienhäuser setzen sollten. Wir brauchen den Siedlungsbau, so wie es ihn früher gab – nur diesmal vorausschauender gedacht, also zum Beispiel von Anfang an barrierefrei.  

Leider stößt dieser Ansatz nicht immer auf Begeisterung. Jede Kommune schaut erstmal auf ihre Architektur und städtebauliche Entwicklung. Aber man muss die Architektur nicht mit jedem Haus neu erfinden. Warum nicht einen perfektionierten Bau auch mal in zwei Straßen gleichzeitig hochziehen? Das soll kein Plattenbau sein, aber ein Mittelweg zwischen dem und den Einfamilienhäusern.

Der Wohnraummangel kommt auch daher, dass zum Beispiel ältere Menschen alleine in einem großen und möglicherweise nicht barrierefreien Haus wohnen, während sich junge Familien in kleine Wohnungen quetschen. Für beide wäre ein Wohnungstausch vorteilhaft. Passiert das bei Ihnen?  

Eichner: In der Theorie ist das ein richtiger Ansatz, denn die Bedürfnisse an eine Wohnung verändern sich im Laufe des Lebens sehr oft. In der Praxis funktioniert der Wohnungstausch oft aber aus zwei Gründen nicht: Viele Menschen wohnen seit Jahrzehnten in unseren Wohnungen und den entsprechenden Vierteln. Das ist für sie ein emotionales Thema, die Motivation zum Wechsel ist deshalb häufig nicht besonders hoch. Wir versuchen den Tausch aber zu unterstützen, indem wir zum Beispiel Umzugshilfen organisieren.  

Noch schwieriger umsetzbar wird die Idee, weil wir verpflichtet sind, die Wohnungen nach dem Auszug energetisch zu sanieren. Ein übergangsloser Tausch geht dann gar nicht, weil die Wohnung eine Zeit lang leer stehen muss.

„Sind in Deutschland nicht die Meister von flexiblem Wohnungsbau“

Ein anderer Ansatz wäre es, Neubauten so flexibel zu gestalten, dass im Laufe der Jahrzehnte auch mal zwei Wohnungen ganz einfach zusammengelegt werden können oder aus einer Wohnung wieder zwei.  

Eichner: Eine Wohnung im Bestand umzubauen, ist viel zu teuer. Deshalb passiert das bei uns selten. Die Idee, zwei Wohnungen zusammenzulegen, wenn die Familie wächst, klingt prima. Aber wenn zwei Wohnungen zu einer werden, fällt eine Wohnung weg. Die Flexibilität wäre zwar schön, aber das wäre nur relevant, wenn wir wieder weniger Druck auf dem Wohnungsmarkt hätten.  

Könnte man die wegfallende Wohnung vielleicht ausgleichen, indem man das Haus aufstockt?  

Eichner: Früher hat man die Dachgeschosse zum Wäschetrocknen genutzt. Das ist heute nicht mehr so, die Nutzung ist suboptimal. Dort neuen Wohnraum zu schaffen, kann ein Mittel sein. Aber günstig ist es nicht und auch nicht barrierefrei. Außerdem fragt in vielen Städten der Baudezernent, wenn wir zwei zusätzliche Wohnungen obendrauf bauen, wo denn die zusätzlichen Parkplätze sind. Und wir sollen dann den Regeln zufolge einen Spielplatz hinter dem Haus bauen, in dem vielleicht nur Rentner leben. Es ist sehr komplex, insofern sind wir in Deutschland nicht die Meister von flexiblem Wohnungsbau.  

Was macht Ihnen Mut, dass trotz aller Herausforderungen die Lage in den kommenden Jahren besser wird?  

Eichner: Ich bin überzeugt davon, dass die Politik reagieren wird. Es wird eine Bauinitiative geben, die uns ermöglicht, staatlich subventioniert günstigen Wohnraum anzubieten. Die Naivität ist der Erkenntnis gewichen, dass wir mit kleinen Anpassungen die Probleme lösen können.  

sebs/
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