Häuser sind bislang echte Klimakiller, bei Bau und Betrieb entsteht viel CO2 und Müll. Deutsche Unternehmen wollen das ändern. Das könnte auch Vorteile für Mieter haben.
Die Bau- und Immobilienbranche in Deutschland steht vor enormen Herausforderungen : Zum einen soll sie trotz hoher Materialpreise hunderttausende Wohnungen pro Jahr bauen. Doch damit ist es nicht getan: Sie muss gleichzeitig ihre CO2-Emissionen deutlich reduzieren.
Das ist auch dringend nötig, denn nach Angaben der Global Alliance for Buildings and Construction ist die Branche durch Bau und Betrieb von Gebäuden weltweit für fast 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Außerdem entsteht durch den Wohnungsbau ein Großteil des globalen Mülls. Häuser sind bislang also echte Klimakiller.
Durch gesetzlichen Druck und technische Innovationen ändert sich das aber. In der Baubranche hat beispielsweise das Unternehmen Bton zuletzt viel Aufmerksamkeit bekommen. Sein Versprechen: Beton soll künftig sogar gut fürs Klima sein. Bislang ist das Gegenteil der Fall, die Produktion des Baustoffes macht sieben bis acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus.
Vom Beton wird gebundenes CO2 geschluckt
„Eigentlich wollten wir zunächst das Problem lösen, dass Beton so schwer ist, dass man 40 Prozent davon schon alleine dafür braucht, das eigene Gewicht zu tragen“, erzählt Antonio Catarino, einer der Geschäftsführer von Bton, im Gespräch mit FOCUS online.
Schon alleine, das zu verbessern, hätte einen positiven Effekt aufs Klima gehabt. Doch durch zahlreiche Tests entwickelte Catarinos Team den Baustoff so weiter, dass er nun sogar CO2 schlucken kann.
Vereinfacht gesagt, gelingt das dadurch, dass man zunächst den Anteil von Klinker im Zement reduziert. Dadurch härtet er langsamer aus, muss aber auch nicht mit so hohem Energiebedarf gebrannt werden. Damit kann man die CO-Emissionen um 70 Prozent reduzieren.
Klimapositiv wird der Beton dann dadurch, dass ihm eine Art Kohletablette aus Pflanzenmaterial beigefügt wird. Das soll das Material nicht nur robuster machen, sondern auch CO2 binden. Der erstaunliche Effekt: „Je mehr Beton produziert wird, desto weniger von dem Treibhausgas ist im Umlauf“, erklärt Thomas Demmel, ebenfalls Geschäftsführer bei Bton.
Beton könnte Mietpreise senken
Die erste Fabrik hat Bton Ende April im niedersächsischen Soltau eröffnet . Damit das Unternehmen wachsen und die Emissionen signifikant gesenkt werden können, reicht das aber nicht.
Ende 2025 soll aus Soltau so viel klimapositiver Beton kommen, dass damit jährlich rund 25.000 Wohnungen gebaut werden könnten. Der Bedarf in Deutschland liegt allerdings bei mehr als 400.000 Wohnungen im Jahr.
Wenn ein Unternehmen mit Bton baut, wirkt sich das auch positiv für die Vermieter aus, glaubt Demmel: Oft würde bei Neubauten teure Gebäudetechnik eingebaut, um Klimaschutz-Standards einzuhalten.
Der Großteil der Emissionen entstehe aber durch den Rohbau. „Wenn man klimapositiven Beton einsetzt, der nicht mehr als normaler kostet, kann man bei der teuren Gebäudetechnik sparen.“ Unter anderem durch diesen Effekt könnten dann auch Mieten wieder günstiger werden.
Strohwände mit vielen positiven Eigenschaften
Einen ähnlichen Ansatz, aber auf ganz anderem Weg, verfolgt das Berliner Unternehmen Stramen.Tec. Es will klimapositive Innenwände aus Stroh verbauen. „Die Pflanzen wachsen sehr schnell nach und speichern dabei eine Menge CO2“, erklärt Geschäftsführer Claus Fischer. Das Treibhausgas wird dann einfach in der Wand gespeichert.
Um die Halme zusammenzuhalten, braucht es nicht einmal künstliche Zusatzstoffe wie Kleber. Denn in Stroh ist natürlicher Kleber enthalten. Fischer kann noch weitere Vorteile aufzählen: Stroh enthält Stoffe, die Schädlinge fernhalten und es ist feuerfest.
Wände können einfach versetzt und recycelt werden
Bisher werden die Stroh-Wände vor allem im Gewerbebau eingesetzt. „Die Wände tragen sich selbst und lassen sich deshalb einfach und schnell versetzen. Wenn es in einer Gewerbeimmobilie einen Mieterwechsel gibt oder man die Büros neu aufteilen will, lässt sich das ohne viel Aufwand umsetzen“, betont Fischer.
Passt eine Wand mal nicht zu den neuen Bedürfnissen oder muss Material zum Beispiel für eine Tür herausgeschnitten werden, wird das Material einfach geschreddert und neu zusammengesetzt. Stramen.Tec will damit auch zur Reduzierung von Baumüll beitragen.
Häuser sind „Rohstofflager der Zukunft“
Das ist auch Schüco ein Anliegen. Das Bielefelder Unternehmen vertreibt als Zulieferer unter anderem Fenster- und Fassadensysteme. Die Entwickler haben die Produkte so angepasst, dass wenn ein Haus am Ende des Lebenszyklus abgerissen wird, viele Baumaterialien wiederverwendet werden können. Gebäude sollen somit zu den „Rohstofflagern der Zukunft“ werden.
Welche Materialien – wie zum Beispiel Aluminium – wo im Gebäude verbaut sind, wird in einer Datenbank gespeichert. Schüco will damit zur Kreislaufwirtschaft beitragen, langfristig CO2 einsparen und Ressourcen schonen.
Umgesetzt hat das Unternehmen das alles gleich bei der Sanierung eines eigenen Verwaltungsgebäudes. 28 Tonnen Material wurden dabei zurückgewonnen, die Recyclingquote lag bei mehr als 98 Prozent.
Dass die Baubranche noch mehr Innovation zu bieten hat, will „80 Sekunden – Neues Bauen“ zeigen. Der Titel der jährlichen Branchenkonferenz spielt auf das Ziel der Bundesregierung an, dass pro Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden sollen – das entspräche einer Wohnung alle 80 Sekunden. Ein Bild von möglichen Ansätzen kann sich jeder selbst machen: Online hat die Bau- und Immobilienbranche 250 Lösungsmöglichkeiten gesammelt.
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