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Immobilien Klimaschutz

Den Behörden ist der Energieausweis völlig egal

Der Energieausweis soll es Mietern und Käufern erleichtern, eine Immobilie einzuschätzen Der Energieausweis soll es Mietern und Käufern erleichtern, eine Immobilie einzuschätzen
Der Energieausweis soll es Mietern und Käufern erleichtern, eine Immobilie einzuschätzen
Quelle: picture alliance
Der Energieausweis muss bei Verkäufen und Vermietungen von Immobilien unaufgefordert vorgelegt werden. Auch in Zeitungsanzeigen ist er Pflicht. Doch kein Bundesland will dies kontrollieren.

Bürokratiemonster, Papiertiger, Schikane – der Energieausweis ist ein Eigentor des Gesetzgebers in Sachen Klimaschutz. Seit einem Jahr soll er bei Vermietungen und Verkäufen von Wohnungen vorlegt werden. Zudem sind seitdem die Energiekennwerte der Immobilie in Anzeigen in Zeitungen und im Internet anzugeben.

Bei Verstößen in den Anzeigen drohen nun ab 1. Mai sogar hohe Bußgelder von bis zu 15.000 Euro. Doch bislang kümmern sich außer Verbraucherschützern weder Bundes- noch Länderbehörden um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zum Energieausweis.

Dies zeigt eine Analyse der Deutschen Umwelthilfe und des Mieterbundes, die im März die Vorlage des Energieausweises bei Wohnungsbesichtigungen sowie die Angabe der Energiekennwerte in Anzeigen untersucht haben.

Bei Stichproben des Mieterbundes in Berlin, München, Hannover und Stuttgart haben 75 Prozent der Immobilienanbieter bei Wohnungsbesichtigungen den Energieausweis nicht – wie vom Gesetz vorgeschrieben – unaufgefordert vorgelegt.

Bei den Stichproben hat ein Viertel der Vermieter oder Makler erst auf Nachfrage das Dokument gezeigt. 50 Prozent machten selbst auf Nachfrage keine Angaben zur Energieeffizienz der Wohnobjekte.

Gewerbliche Anbieter sind besonders nachlässig

Doch nicht etwa private Anbieter sind in Sachen Energieausweis nachlässig. Bei 80 Prozent der von Maklern und 75 Prozent der von Unternehmen angebotenen Wohnungen wurden laut Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz die Energieausweise nicht unaufgefordert vorgelegt.

„Ein katastrophales Ergebnis“, sagte er. Die Wohnungsanbieter würden bewusst die gesetzlichen Bestimmungen missachten. Ropertz forderte strengere Kontrollen und Sanktionen der Behörden, die bislang praktisch in keinem Bundesland die Einhaltung überwachten.

In ihrer Untersuchung von 3532 Immobilienanzeigen in Zeitungen hat die Umwelthilfe „eine alarmierend schlechte Umsetzung der Kennzeichnungsvorschrift“ festgestellt. Nur bei 1056 von 1600 untersuchten Vermietungs- und Verkaufsangeboten gewerblicher Anbieter wurde der Endenergiekennwert angegeben, dies entspricht 66 Prozent.

Bei den 1932 geprüften Angeboten privater Vermieter oder Verkäufer war die Quote noch schlechter. Ganze 279 Angebote – 14 Prozent – enthielten die erforderlichen Informationen. Damit liegt die Gesamtquote vorbildlich gekennzeichneter Werbeanzeigen bei nur 38 Prozent.

Eigentümer haben ein Schlupfloch

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Nach Einschätzung der Umwelthilfe nutzen viele Immobilienanbieter ein gesetzliches Schlupfloch, um den Energieausweis zu umgehen. Der Gesetzgeber erlaube bisher, dass Immobilien auch ohne Angaben zum Energiebedarf oder -verbrauch beworben werden dürfen, wenn der Energieausweis zum Zeitpunkt der Anzeigenschaltung noch nicht vorlag.

Diese Ausnahmeregelung werde von vielen Maklern und Wohnungsunternehmen „schamlos ausgenutzt“, kritisierte Agnes Sauter, Verbraucherschutzexpertin der Umwelthilfe.

Die Seiten 2 und 3 eines Energieausweises
Die Seiten 2 und 3 eines Energieausweises
Quelle: EnEV

Vermieter und Verkäufer müssen in einem Energieausweis das Baujahr des Hauses, den Energieträger der Heizung, den Endenergiekennwert aus dem Energieausweis und die Art des Ausweises nennen. Wurde der Energieausweis für das Gebäude nach dem 1. Mai 2014 ausgestellt, muss zusätzlich in dem Inserat die im Ausweis aufgeführte Effizienzklasse veröffentlicht werden.

Mit diesen Informationen soll der potenzielle Käufer oder Mieter eine konkrete Vorstellung vom Energieverbrauch des Gebäudes bekommen. Es gibt zwei Varianten des Energieausweises: Bei der Bedarfsvariante berechnet ein Fachberater den Energiebedarf anhand einer technischen Analyse aller Gebäudedaten. Daran lässt sich der energetische Zustand des Hauses sowie der mögliche Sanierungsbedarf der Immobilie ablesen.

Zuständigkeit bei unterschiedlichen Behörden

Für den Verbrauchsausweis wird lediglich der Energieverbrauch der zurückliegenden Jahre herangezogen. Dieser ist aber stark abhängig von den Bewohnern. Familien verbrauchen mehr Energie als ein Zweipersonenhaushalt. Und wer viel unterwegs ist, heizt wahrscheinlich weniger als sein Vormieter, der häufiger zu Hause war.

Den für zehn Jahre gültigen Energieausweis benötigen Hauseigentümer, wollen sie das Gebäude oder nur Wohnungen darin verkaufen oder vermieten. Sie müssen das Dokument dem Interessenten unaufgefordert vorlegen. Auch beim Neubau oder einer umfassenden Sanierung ist die Ausstellung Pflicht, das übernimmt ein Energieberater.

Für im Bau befindliche Gebäude müssen beim Verkauf und der Vermietung der Wohnungen noch keine Energieausweise vorgelegt werden. Gleiches gilt auch für Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen.

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„Es findet faktisch keine behördliche Kontrolle statt“, klagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Wer die Vorlage des Energieausweises kontrolliert, ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt. Mal sind es die Unteren Bauaufsichtsbehörden, mal ein Landesverwaltungsamt, Bezirksämter oder ein Umweltsenator. In diesen Behörden fehlt auch geeignetes Personal.

Länder fühlen sich nicht zuständig

Eine Abfrage des Kontrollverhaltens der zuständigen Landesbehörden durch die Umwelthilfe im Frühjahr 2015 ergab, dass kein Land die Vorlage des Energieausweises kontrolliert und ohne Anlass Kontrollen durchführt.

Nur Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen erklärten, dass sie bei Bürgerbeschwerden tätig werden. Mit Blick auf das Wohnungsgrundrecht betonte Bremen, dass Wohnungen nur bei einem konkreten Verdacht einer Rechtsverletzung betreten werden könnten.

Rheinland-Pfalz verweigert die Überwachung laut Umwelthilfe mit dem Argument, dass die Verpflichtung zur Angabe der Energiekennwerte „weitgehend eingehalten“ werde.

Sachsen vertritt den Standpunkt, anlassunabhängige Kontrollen von Werbeanzeigen seien gesetzlich nicht vorgesehen. Hessen wiederum fühlt sich nicht verantwortlich, die Pflichtangaben in Immobilienanzeigen zu kontrollieren.

Die Umwelthilfe berichtet über zehn laufende Gerichtsverfahren in Sachen Immobilienanzeigen gegen gewerbliche Immobilienanbieter und ist sich sicher, diese auch zu gewinnen. Vor einem Jahr hatten noch sogenannte Abmahnanwälte Zeitungs- und Internetinserenten bei Fehlern unter Druck gesetzt.

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