Der Professor war ein Mathe-Genie und gleichermaßen fasziniert vom Investmentbanking wie von Comics. Dass ausgerechnet er, Dirk Jens Nonnenmacher, zur Verkörperung des bösen Bankers wurde, empfindet er noch heute als unfair.
Dabei ist es schon sieben Jahre her, dass der in Anlehnung an einen James-Bond-Film als „Dr. No“ bekannte Banker seinen Job als Chef der HSH Nordbank verloren hat. Er lehne jedes Gespräch ab, lässt Nonnenmacher über seinen Anwalt ausrichten. Nicht einmal seinen aktuellen Wohnort gibt er bekannt, einer Beschäftigung geht er offenbar nicht nach.
Im kommenden Jahr allerdings muss Nonnenmacher das Versteckspiel voraussichtlich erneut zeitweise beenden. Nachdem der Bundesgerichtshof eine Reihe von Freisprüchen kassiert hat, müssen er und andere ehemalige Bank-Manager dann wohl abermals wegen einer missglückten Transaktion vor Gericht antreten.
Milliardenverluste für Länder, Sparkassen und Private
Während die Ex-Banker der Neuaufnahme des Prozesses entgegenzittern, haben ihre Nachfolger ganz andere Sorgen. Bis Ende Februar 2018 muss die HSH Nordbank auf Geheiß der EU-Wettbewerbshüter verkauft sein. Wenn das nicht klappt, wird sie abgewickelt.
Die Folgen wären kaum abschätzbar. Den Bundesländern Schleswig-Holstein und Hamburg drohten Milliardenverluste, auch für die ebenfalls beteiligten Sparkassen dürfte das Szenario teuer werden. Auch private Anleger, die Anleihen der HSH Nordbank gekauft haben, drohen empfindliche Verluste.
Unwahrscheinlich ist das nicht. So gibt es aktuell zwar eine ganze Reihe von Interessenten, die im laufenden Verfahren Gebote für die HSH abgegeben haben. Wie es in Finanzkreisen heißt, sollen unter anderem die Finanzinvestoren Apollo, Cerberus, Lone Star und J.C. Flowers dabei sein.
Chinesen möglicherweise aus dem Rennen
Allerdings sind deren Offerten wohl so mäßig attraktiv, dass nicht wenige Beteiligte mit einem zumindest teilweisen Scheitern des Verkaufs rechnen. Erschwert wird der durch die rund zehn Milliarden Euro notleidender Schiffskredite, die die HSH immer noch in ihren Büchern hat.
Diese sind zwar teilweise durch Garantien der Eigentümer abgesichert. Die Schifffahrtskrise hat sich zuletzt aber nochmals derart verschärft, dass dieser Rahmen wohl kaum reichen dürfte. Die Ratingagentur Moody’s erwartet für die Schiffsfinanzierer jedenfalls in diesem Jahr und möglicherweise auch noch darüber hinaus negative Folgen für Gewinn und Eigenkapital.
Und ausgerechnet in dieser schwierigen Lage ist auch noch der Bieter in Schwierigkeiten geraten, auf den die Eigentümer die größten Hoffnungen gesetzt hatten. Während die Finanzinvestoren vor allem auf die Verwertung von Vermögenswerten spezialisiert sind, könnte der chinesische Versicherungskonzern Anbang ein ernsthaftes strategisches Interesse an der Bank haben.
Oder gehabt haben. Nachdem Gründer und Vorstandschef Wu Xiaohui vor ein paar Wochen verhaftet worden ist, ist zweifelhaft, ob die Chinesen weiter im Rennen sind.
„Die Bank wird komplett abgewickelt“
Mittlerweile gehen Beteiligte deshalb davon aus, dass allenfalls die sogenannte Kernbank einen Käufer findet. In dieser hat die HSH ihr weitgehend solides Geschäft mit Mittelständlern und Immobilien zusammengefasst. Die Abbaubank dagegen dürfte kaum Interessenten finden.
Und selbst ob der Teilverkauf funktioniert, ist fraglich. Die mittlerweile an der Regierung beteiligte FDP in Schleswig-Holstein hat die Hoffnung jedenfalls offenkundig aufgegeben. „Die Bank wird abgewickelt, und zwar komplett“, meinte Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef im Kieler Landtag vor wenigen Tagen.
Damit löste er bei den übrigen Beteiligten Empörung aus. Kubicki gefährde den Verkaufsprozess und spiele „in verantwortungsloser Art und Weise mit dem Geld der Steuerzahler“, heißt es in Hamburger Senatskreisen. Die Politiker fürchten, dass sie auch die letzten Interessenten abschrecken, wenn immer wieder eine mögliche staatliche Abwicklung thematisiert wird.
Politik verordnete wilden Expansionskurs
Dass die Bank immer wieder als Spielball der Politik herhalten musste, hat sie überhaupt erst in die missliche Lage gebracht. Nach dem Zusammenschluss der Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein im Jahr 2003 verordneten sie dem Institut einen wilden Expansionskurs.
Ihr Ziel war ein Börsengang. Um für den ausreichend profitabel zu sein, stieg die HSH zum weltgrößten Schiffsfinanzierer auf und avancierte gleichzeitig zu einem der größten Abnehmer zweifelhafter US-Wertpapiere. In der Finanzkrise vor zehn Jahren platzten die ehrgeizigen Träume von der Finanzmacht im Norden.
Nach der Lehman-Pleite im September 2008 stützen die beiden Länder das Institut mit drei Milliarden Euro Kapital und übernahmen Garantien für weitere Verluste von bis zu zehn Milliarden Euro.
Seitdem hat sich die Lage allenfalls stabilisiert, aber nicht erholt. Seit 2016 nun läuft der letzte Akt des Dramas, das die Länder schlimmstenfalls nach Schätzungen bis zu 17 Milliarden Euro kosten kann. Einen Teil der HSH-Lasten haben sie bereits übernommen, Kredite für mehr als 250 Schiffe wanderten im vergangenen Jahr von der HSH in eine ländereigene Abbaubank.
Die Länder bewerteten diese mit 2,4 Milliarden Euro – knapp der Hälfte der ursprünglichen Kreditsumme von fünf Milliarden Euro. Trotz dieses großen Abschlags mussten sie schon nach drei Monaten um 340 Millionen Euro abgewertet werden, später noch einmal um 220 Millionen Euro.
Der von der Abbaubank verwaltete Berg fauler Kredite könnte noch deutlich größer werden. So berichtete die „WirtschaftsWoche“ jüngst von einem Notfallplan. Sollte der Verkauf der HSH Nordbank scheitern, würden demnach nicht nur ihre, sondern gleich auch noch Altlasten der ebenfalls angeschlagenen NordLB in die in Kiel ansässige Abbaubank wandern. Neben Hamburg und Schleswig-Holstein würde sich dann auch Niedersachsen an der Abbaubank beteiligen.
„Charmanter Plan“ ist eher unwahrscheinlich
Zudem sollten die Sparkassen und möglichst auch der Bund einen finanziellen Beitrag leisten. Sollte sich auch kein Käufer für die Kernbank finden, könnte die von Altlasten befreite NordLB den gesunden Teil der HSH übernehmen.
„Der Plan hat durchaus Charme“, hieß es dazu in Sparkassenkreisen. Allerdings halten es nur wenige Beteiligte für wahrscheinlich, dass es tatsächlich so kommen wird. Zumal unklar ist, ob die europäische Wettbewerbskommission dann nicht umgehend das nächste Beihilfeverfahren starten würde.
So wissen die Steuerzahler zwar, dass ihnen Schlimmes droht, auf die Endabrechnung müssen sie aber weiter warten. Das eint sie mit Ex-HSH-Chef Nonnenmacher. Der für sein Verfahren zuständigen Wirtschaftsstrafkammer fehlt der Vorsitzende. Die Neubesetzung kann Monate dauern. Und selbst dann hat ein anderes Verfahren Vorrang. Dass der Prozess noch in diesem Jahr beginnt, halten viele daher für unwahrscheinlich.