Martin Krill

Martin Krill

für HR Themen, Digitalisierung und KI

Bevor die Seele ausbrennt

Erhöhte Fehlerquote, Gereiztheit, „Aufschieberitis“ und häufige Kurzerkrankungen sind einige der Warnsignale, bei denen Führungskräfte und Personalverantwortliche aufmerken sollten. Ist es nur ein kurzes seelisches Tief des Mitarbeitenden oder doch eine psychische Erkrankung, die schwerer wiegt? 

Am fordernden Arbeitsplatz gibt es zahlreiche Risiken für die mentale Gesundheit, von Zeitdruck über Mobbing und fehlendes Sinnerleben bis zur Angst vor Jobverlust. Über Jahre hinweg kann sich so ein stiller Burn-out aufbauen, ohne dass die Betroffenen es bemerken. Im Akutfall geht dann oft über Monate nichts mehr. Psychische Erkrankungen sind mittlerweile eine der häufigsten Ursachen für Arbeits- oder Berufsunfähigkeit.

Das hat auch für Unternehmen Folgen. Die sichtbarste ist die Abwesenheit der betroffenen Mitarbeitenden. Prozesse werden unterbrochen und die Produktivität nimmt ab, die verbleibenden Kollegen und Kolleginnen müssen Mehrarbeit leisten. Bereits vor einem totalen Zusammenbruch sind psychisch beeinträchtigte Betroffene meist nicht in der Lage, qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten oder gute Entscheidungen zu treffen.

Führungskräfte haben einen erheblichen Einfluss auf das persönliche Miteinander im Unternehmen und dadurch auf die psychische Gesundheit der Belegschaft. Das Thema Prävention steht hier im Vordergrund. Schon mit ein paar effektiven Maßnahmen können sie mentalen Belastungen vorbeugen und ihren Team-Mitgliedern eine helfende Hand reichen – das ist Teil ihrer Fürsorgepflicht und Zukunftskompetenz. 

Unverzichtbar dabei ist, dass Führungskräfte die Grundlagen der psychischen Gesundheit verstehen, gegebenenfalls durch spezielle Schulungen, und auch erkennen, wann externe medizinische oder therapeutische Hilfe notwendig wird. Außerdem sollten sie sich dem Feedback anderer stellen, denn auch Führungskräfte können mit einem psychischen Problem kämpfen, das sich auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Fehlzeiten und schlechte Entscheidungsfindung sind oft erste Anzeichen.

5 innovative Tipps für gesunde Teams

Es kursieren viele Tipps, wie Führungskräfte ihre Teams „gesund“ aufbauen und halten – und im Ernstfall richtig reagieren. Dies sind die fünf innovativsten:

FEEL GOOD

Strategisches, ganzheitliches Feel-good-Management personell aufbauen. Dabei geht es nicht um Dauerbespaßung und Eventplanung (im schlimmsten Fall mit Gruppenzwang), sondern um eine motivierende, fördernde und möglichst störungsfreie Arbeitsatmosphäre. Der Feel-good-Manager oder die -Managerin genießt Vertrauen im Team und hat ein offenes Ohr für den Einzelnen, gibt Feedbacks und spricht Blockaden und Probleme an. 

Im Idealfall kommt eine betriebliche Gesundheitsberatung hinzu – Sportkurse, Gesundheitstage, Ernährungsangebote – nebst einer ganzheitlichen Betriebsarztpraxis.

MENTAL-HEALTH-DAYS

Bezahlte, formelle „Mental Health Days“ ermöglichen: eine kleine Auszeit, um sich von arbeitsbedingten Stressfaktoren zu erholen – oder Termine für die psychische Gesundheit (z.B. Resilienz-Training, Business-Yoga) wahrzunehmen. Und: Ist eine Vier-Tage-Woche im Unternehmen umsetzbar? Studien zeigen, dass dieses aktuell viel diskutierte Arbeitszeitmodell nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Produktivität verbessern kann.

KI WEISS ES FRÜHER

Tools und vor allem Apps für die digitale betriebliche Gesundheitsförderung gibt es inzwischen viele, einige werden von den Krankenkassen unterstützt. Wichtig bei der Auswahl: Die Anwendung muss eigene Verhaltensmuster analysieren können, positivere Denkmuster etablieren und Bausteine beziehungsweise kontrollierbare (Anfänger-)Routinen für die Selbstfürsorge bieten. Hierin ist auch die Führungskraft ein Vorbild. 

Die neuesten Apps bieten eine Kommunikation wie mit einem Instant-Messenger, in der man seine Bedürfnisse aufschreibt und mit dem Chatbot gewissermaßen ein tatsächliches (Erst-)Gespräch führt. Apropos KI: Es sind bereits Technologien am Start, die durch Stimm- und Sprechverhalten, Mimik und Wortwahl recht zuverlässig mentale Belastungen erkennen können.

GESUND IN FÜHRUNG GEHEN

„Eine Treppe wird nur von oben nach unten sauber.“ Das Top-Management muss voll hinter Mental-Health-Care stehen, wie bei jedem anderen betriebsrelevanten Faktor auch. Führungskräfte und HR-Verantwortliche spielen eine Schlüsselrolle. Von ihrer Sensibilisierung und Unterstützung hängt eine „gesunde“ Unternehmenskultur ab. Eine Unterschätzung dessen wäre fahrlässig. Auch sollten sie selbst gesund führen. Wer sich körperlich oder psychisch angeschlagen zur Arbeit schleppt und eigene Vorsorgemaßnahmen ignoriert, ist kein glaubwürdiges Vorbild. 

In diesem Fall kann ein Leadership-Coaching helfen, um mentale Stärke zu steigern und Defizite zu benennen. Solche Angebote sind nicht ganz neu, aber sie haben mit digitalen Szenarien, flexiblen Online- und Offline-Formaten sowie überraschenden KI-Skills einen extremen Sprung nach vorn gemacht.

KONTROVERS

Mehrere Seiten reflektieren: Laut einer jüngst veröffentlichen britischen Studie („Britain’s Healthiest Workplace“) sind die gängigen Mental-Health-Programme kaum wirksam. Besser sei es, wird resümiert, dass Arbeitgeber, die um die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden besorgt sind, sich eher auf „zentrale organisatorische Praktiken“ wie Arbeitszeitpläne, Bezahlung und Leistungsbeurteilung konzentrieren sollen. 

Dieser Einzelstudie gegenüber stehen die nachweisbaren Erfolge in der Prävention. Der Verdienst von Mental-Health-Programmen und -Maßnahmen, das Thema aus der diskriminierenden Tabuzone geholt zu haben, bleibt unbestritten.

Wer schreibt hier?

Martin Krill
Martin Krill

Geschäftsführer/Managing Director, HAGER Executive Consulting GmbH, Partner of HORTON International

für HR Themen, Digitalisierung und KI

Martin Krill ist seit knapp 23 Jahren für HAGER Executive Consulting tätig und wurde 2004 zum geschäftsführenden Gesellschafter berufen. Er besetzt gehobene Vertriebs- und Management-Positionen vorwiegend in der Technologiebranche und ist Experte für HR Themen rund um die Digitalisierung und KI.
Mehr anzeigen