Anne M. Schüller

Anne M. Schüller

für Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Die 7 entscheidenden Schritte, damit Transformationsprozesse endlich gelingen

(c)Shutterstock

Rezepte für die digitale Transformation: derzeit der ganz große Hype. Denn je schwerfälliger eine Organisation, desto anfälliger ist sie für Überholmanöver. Doch das Digitale macht dabei höchstens 20 Prozent aus, 80 Prozent sind Transformation. Und über allem steht Ambidextrie.

Leider wird bei der omnipräsenten Diskussion um Digitales gerne vergessen: Jeder Transformationsprozess ist immer zugleich auch eine unternehmenskulturelle Herausforderung. Denn das Heil ist nicht nur in Technologien zu finden. Vorrangig betrifft der Veränderungsdruck die Organisationsstrukturen und Führungsprozesse. 

In Zeiten exponentiellen Wandels sind Geschäftsmodelle sowieso nur temporär. Und Umbau ist permanent. Pauschalrezepte dafür gibt es nicht. In Zukunft regiert „Sowohl als auch“. Dazu müssen passende Vorgehensweisen gemeinsam erarbeitet, getestet, angepasst, weiterentwickelt, sogar notfalls schnellstens wieder verworfen werden.

Ambidextrie: Die Fähigkeit, im „Sowohl als auch“ zu agieren

Organisationale Ambidextrie, frei übersetzt mit Beidhändigkeit, beschreibt die Fähigkeit von Unternehmen, im „Sowohl als auch“ zu agieren. Einerseits müssen Old-School-Organisationen zum Beispiel Startup-Qualitäten entwickeln, sich also innovativ, rasch und risikoaffin am Markt bewegen. Andererseits gilt es, die Ertragskraft ihrer Kernaktivitäten zu sichern, um ihren vielfältigen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Dazu machen Sie am besten zunächst nur einen Teilbereich Ihrer Firma zum Experimentierfeld. Disruptionen beginnen immer in einer Nische oder an den Rändern einer Organisation. Hier kommen zum Beispiel kleine, agile, selbstorganisierte Einheiten zum Einsatz, die sich in passenden Bereichen zügig aufbauen lassen.

Dennoch muss man sich auch mit der Unternehmensorganisation als Ganzes befassen. Denn die üblichen pyramidalen Top-down-Organigramme sind binnenfokussiert. Sie konzentrieren sich auf Macht und nicht auf den Markt. Sie zementieren Hierarchiedenke, Starrheit und Konformität. Sie haben im digitalen Sturm nicht den Hauch einer Chance. Deshalb hier 7 Tipps gegen das Transformationsversagen:

1. Verändern Sie Ihre Organisation - und Ihr Organigramm

Dies ist der größte Schritt, den ein klassisches Unternehmen gehen muss: von der Pyramiden- zur Netzwerkorganisation. Und zwar bei laufendem Betrieb und mit viel Vehemenz. Dies erfordert zunächst einen Geschäftsleitungsbeschluss. Danach ist eine schnelle Einsatztruppe zu installieren, die sich mit den einzelnen Schritten befasst. "Quick wins" sind hierbei elementar.

Trennen Sie sich vor allem schnellstens vom Bild eines klassischen Top-down-Organigramms mit seinem Silo- und Kästchendenken. Die Mitarbeiter kommen in solchen Organigrammen nicht einmal vor. Und sogar Firmen, die sich Kundenorientierung groß auf die Fahne schreiben, haben den Kunden nicht im Organigramm. Wie will man da von Customer Centricity reden?

2. Arbeiten Sie gemeinsam an Ihrer Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur determiniert die Art und Weise des Miteinanders. Unerlässlich hierbei: Alle Mitarbeiter sind Teil des Systems und arbeiten deshalb konkret an der Unternehmenskultur mit. Ziel ist, dass alles, was eine Firma atmosphärisch vergiftet, schnellstmöglich verschwindet, so dass eine menschliche und zugleich positive Grundstimmung Einzug halten kann.

Hierzu sind niedrighierarchische Vorgehensweisen in Angriff zu nehmen. Das rein anweisungsorientierte Führen muss schnellstens verschwinden, selbstorganisierte Teamstrukturen sind unumgänglich. Offenheit und Umsetzungswillen für frische Gedanken aus den Reihen der jungen Generation sind hierbei besonders willkommen, denn sie machen ein Unternehmen zukunftsfit.

3. Holen Sie sich die besten jungen Talente an Bord

„Die jungen Leute lassen sich zunehmend schlecht in unsere Arbeitswelt integrieren“, jammern mir oft die Manager vor. „Aber das treiben wir denen schon noch aus.“ Doch genau das wird nicht klappen. Natürlich lassen sich ambitionierte Millennials schlecht in eine antiquierte Arbeitswelt pferchen, warum sollten sie auch? Vor allem braucht es einen guten Start, um sich die besten Talente zu sichern.

Beginnen Sie deshalb zügig, eine Candidate Journey, also eine prototypische „Reise“ durch einen bewerberorientierten Recruiting-Prozess zu entwickeln. Viele Touchpoints, die Interaktionspunkte mit den Kandidaten, müssen modernisiert, optimiert und von bürokratischen Standardprozessen befreit werden. Auch hier sind Vertreter der jungen Generation erste Wahl, um Sie zu unterstützen.

4. Führen Sie ein Reverse-Mentoring-Programm ein

Wenn es um digitale Errungenschaften, neueste technologische Trends, das Käuferverhalten der jungen Generation und zeitgemäße Arbeitsbedingungen geht, dann sind die Millennials in ihrem Element. So drehen sich beim Reverse Mentoring die Rollen des klassischen Mentoring um: Der Junior coacht den Senior auf den Themengebieten, die „Jung“ besser kann als „Alt“.

Vornehmliches Ziel ist es, die digitale Fitness im Unternehmen zu erhöhen, altgewohnte Kommunikations- und Arbeitsweisen an die Erfordernisse der digitalen Ära anzupassen sowie ältere Kollegen und Führungskräfte mit der Lebenswelt der Millennials vertraut zu machen. Ein gutes Matching von Mentor und Mentée ist überaus wichtig, damit das Ganze reibungslos klappt. Insgesamt ist das Reverse Mentoring ein hervorragendes Tool, um eine lernende Organisation aufzubauen.

5. Implementieren Sie zügig ein Minus50-Programm

Neben mangelnden Innovationen ist es vor allem ein gewaltiger Bürokratie- und Administrationsapparat, der herkömmliche Unternehmen immer mehr daran hindert, agil zu agieren. Hier lässt sich am schnellsten etwas bewegen. Betrauen Sie gleich morgen die ersten Mitarbeiter damit, behindernde, demotivierende und umsatzzerstörende Regeln, Standards und Verfahren zu identifizieren und abzubauen.

Oder organisieren Sie einen Kill-a-stupid-rule-Workshop in großem Stil, um alles Unnötige schnellstmöglich zu eliminieren und durch bessere, einfachere, modernere Vorgehensweisen zu ersetzen. Ganz ohne Strukturen und Regeln geht es natürlich nicht, schon allein deshalb ist plus/minus 50 eine vernünftige Zielzahl. Entscheidende Hinweise können auch hier von engagierten jungen Mitarbeitern kommen.

6. Installieren Sie eine digitale Sturmtruppe – crossfunktional

Die derzeitige Diskussion, wo die Digitalisierung angesiedelt sein soll, bleibt in der Silodenke verhaftet, und genau das ist ein gravierender Fehler. Installieren Sie unter der Leitung eines Chief Digital Officer vielmehr ein digitales Einsatzkommando, das abteilungsübergreifend als interner Challenger agiert. Machen Sie sich dazu auch mit neuen Arbeitswerkzeugen wie Design Thinking, Scrum und Kanban vertraut.

Diese Methoden eignen sich nicht nur für die Digitalwirtschaft. Sie werden inzwischen in den unterschiedlichsten Branchen eingesetzt und unterstützen dort in vielen Bereichen das selbstorganisierte Arbeiten. Veranstalten Sie zudem Hackathons: Diese Wortschöpfung aus Hack und Marathon meint die konzentrierte gemeinsame Lösung von (digitalen) Aufgabenstellungen in einem vorgegebenen Zeitraum.

7. Veranstalten Sie einen Disrupt-me-Workshop

Bei dieser Maßnahme geht es um die Selbst-Disruption: Was wird als nächstes abgelöst und verschwinden, ist die entscheidende Frage. Wer sich für Unverwundbar hält, hat schon verloren. Nutzen Sie also gute Zeiten, damit sie gut bleiben. Bevor Sie angegriffen werden, sollten Sie sich besser selbst angreifen, zumindest als theoretische Übung. So können Sie Ihre wunden Punkte ausfindig machen, bevor es andere tun.

Der tatsächliche Schritt zur Selbst-Disruption kann eine entscheidende Grundlage sein, um zukünftige Geschäftsfelder zu erschließen. Dabei werden gezielt Produkte in den Markt gebracht, die bestehenden Produkten Konkurrenz machen können. Gerade die großen Vorreiter der weltweiten Digitalwirtschaft befassen sich ständig mit diesem Thema, um nicht von noch jüngeren, besseren Angreifern disruptiert zu werden.

Zusatztipp: Erst die Quick wins, dann die Big wins

Schon rein aus Platzgründen kann ich diese Schritte leider an dieser Stelle nur skizzieren. In „Fit für die Next Economy“ wird aber ausführlich behandelt, wie Unternehmen dies hinbekommen: http://www.anneschueller.de/fit-fuer-die-next-economy.html 

Statt sich in monströsen Transformationsprojekten zu vertrödeln, empfehle ich, in einer Ecke einfach mal anzufangen, um ein paar Quick wins, also schnelle Erfolgseinheiten zu produzieren. Das macht Mut, die nächsten dann schon größeren Umbauaktivitäten anzugehen. Quick wins sind passende Trittsteine, die geradewegs in die Next Economy führen.

Wer schreibt hier?

Anne M. Schüller
Anne M. Schüller

Keynote Speaker, Business Coach, Anne Schüller Management Consulting

für Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft.
Mehr anzeigen