Reinhild Fürstenberg

Reinhild Fürstenberg

für Gesunde Führung, Job & Karriere, Wirtschaft & Management, Mental Health

Krieg in der Ukraine: Wie wir die Balance finden zwischen Zukunftsangst und „business as usual“

© Natalia Gdovskaia/EyeEm
Wie schaffe ich es, mich nicht komplett von der Kriegssituation einnehmen zu lassen?

Zunächst einmal: Es ist völlig normal, auf diese besonderen und schlimmen Ereignisse betroffen und emotional zu reagieren. Wir sind alle beunruhigt und wissen nicht, wie wir die Nachrichtenlage einordnen sollen und was jetzt am besten zu tun ist. Es ist wichtig, die Angst zuzulassen und dazu zu stehen, Angst zu haben. Das darf in einer so außergewöhnlichen Situation, die ich nicht beeinflussen kann, einfach sein.

Gleichzeitig ist es wichtig, sich nicht komplett von der Kriegssituation vereinnahmen zu lassen und sich nur noch damit zu beschäftigen – auch wenn die Nachrichten voll sind von Meldungen und die momentane Lage unsere Gespräche bestimmt. Machen Sie sich immer wieder bewusst, dass der Ukraine-Konflikt jetzt zwar ein Teil unseres Lebens ist, aber wir auch viele Bereiche in unserem Alltag haben, die gut und vor allem konstant sind. Hier sind acht Impulse, wie wir die Balance zwischen Zukunftsangst und „business as usual“ finden können. 

1. Medienkonsum filtern

Reduzieren Sie Ihren Medienkonsum, denn negative Informationen und Bilder wirken sich immer auf unser Befinden aus. Zum einen sollten wir die Menge der Nachrichten bewusst eingrenzen, indem wir nicht den ganzen Tag aufs Handy schauen. Ein Tipp ist zum Beispiel, bewusst Slots oder feste Zeiten für die Aufnahme neuer Informationen einzuplanen. Die Nachrichtenlage ist unübersichtlich, und oft können wir nicht filtern, welche Informationen relevant und korrekt sind. Entscheidend ist zum anderen, dass wir auf seriöse Quellen achten und nicht ungefiltert alles auf- und annehmen, was medial dargeboten wird. Stellen Sie Push-Nachrichten oder Nachrichten-Alerts während der Arbeitszeit am Rechner und Handy aus.

2. Probieren, die kleinen Dinge zu genießen

Ich empfehle, sich gezielt auch mit anderen Dingen zu beschäftigen – vor allem mit denen, die wir selber steuern können. Tun Sie sich täglich möglichst viel Gutes, das Ihnen Freude bringt. Ist es der morgendliche Kaffee mit extraviel Schaum auf dem Balkon, der uns zufrieden macht? Hilft uns das Gespräch mit der/dem Kolleg*in, die immer so optimistisch und hoffnungsvoll ist? Oder der Gang durch den Wald, der uns im wahrsten Sinne des Wortes einfach mal erdet? Das löst angenehme Gefühle aus, stabilisiert und stärkt.

3. Einen Notfallplan machen

Entscheidend ist auch, unsere Ängste einzuordnen und zu verstehen. Was davon ist wirklich real, was ist (nur) meine Angst? Was betrifft mich wirklich? Und wenn mich etwas betrifft, was könnte ich dann tun, wie könnte ich ganz konkret vorgehen? Machen Sie sich einen Notfallplan zu Ihrer eigenen Beruhigung, auf den Sie zurückgreifen können, wenn die Situation, vor der Sie Angst haben, wirklich eintreten sollte. So ein Plan kann zum Beispiel auch beinhalten, sich dann mit der Familie zusammenzusetzen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen.

4. Aktiv werden

Aktiv zu werden holt uns aus der Ohnmacht und bringt uns ins Handeln – damit helfen wir uns selbst. Deshalb sollten wir uns jetzt fragen, wie wir unsere Mitmenschen gezielt unterstützen können. Können wir Geld oder Gegenstände spenden? Haben wir ein Zimmer zur Verfügung, das wir Geflüchteten anbieten können? Kenne ich Notunterkünfte und kann die Infos dazu teilen? Können wir Betroffenen beistehen und sie unterstützen? Kann ich Hilfsorganisationen bei ihrer Arbeit helfen? Möchte ich an einer (friedlichen) Demonstration teilnehmen, da sie den Zusammenhalt stärkt und ein Zeichen setzt?

5. Gedanken aufschreiben

Wenn Sie sich schlecht konzentrieren und Ihre Arbeit nur schwer erledigen können, schreiben Sie Ihre Gedanken in ein Gedankentagebuch oder Notizbuch. Sind diese notiert, das Buch zuklappen und zur Seite legen. Die Idee dahinter ist, die Gedanken bildlich gesehen aus dem Kopf zu bekommen.

6. Atmen 

Sollte die Panik oder Unruhe aufsteigen: Atemübungen am Arbeitsplatz helfen, Sauerstoff ins Gehirn zu transportieren und nicht nur den Puls, sondern auch das Gedankenchaos zu beruhigen. Sie können auch kurz vor die Tür an die frische Luft gehen oder beispielsweise in ein anderes Stockwerk. Diese sogenannte Musterunterbrechung sorgt dafür, dass wir andere Reize von außen bekommen und ruhiger werden. Sollten Sie nachts vor Sorge nicht schlafen können, hilft die Musterunterbrechung ebenfalls: Stehen Sie auf, setzen Sie sich einen Moment aufs Sofa, öffnen Sie das Fenster, lesen Sie ein paar Seiten und gehen Sie dann wieder schlafen.

7. Grenzen setzen

Wenn Kolleg*innen nicht aufhören können, über die Nachrichtenlage zu sprechen, können wir bestimmt, aber freundlich darauf verweisen, dass wir gern in den Austausch gehen, aber es in diesem Moment zu viel für uns ist und nicht guttut, um in unserer Kraft zu bleiben. Zum anderen können wir ganz bewusst Platz für diese Themen schaffen, indem wir uns gezielt zu Gesprächen zur aktuellen Situation verabreden oder sogar ein Meeting dazu einstellen mit dem Team oder mit der Führungskraft. Dann hat das Thema einen Ort und einen konkreten Zeitrahmen. Wichtig ist, dass wir den Input dosieren und bei Bedarf eben auch Grenzen aufzeigen.

8. Nach Hilfe fragen

Merken Sie, dass Sie allein nicht aus dem Gedankenkarussell herauskommen und Sie die Situation zunehmend schwer belastet, sollten Sie ein Gespräch mit einer/m externen Berater*in oder Seelsorger*in suchen. Oft sind Angebote und Anlaufstellen über die Personalabteilung eine lohnende Unterstützung.

Wer schreibt hier?

Reinhild Fürstenberg
Reinhild Fürstenberg

Geschäftsführende Gesellschafterin, Fürstenberg Institut GmbH

für Gesunde Führung, Job & Karriere, Wirtschaft & Management, Mental Health

Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden, Führungskräften und Organisationen nachhaltig verbessern