Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Leben im Rausch: Wenn aus Gewohnheit ein Risiko wird

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Alkoholkonsum ist Teil der Stressbewältigung geworden, da der berufliche Druck derart zugenommen hat, dass Burn-out und Depressionen die Folgen sind. Viele Menschen trinken aber auch zur Entspannung.

„Ein Rausch bringt mir nichts. Außer dass er mich runterzieht“, sagte der Umweltaktivist und Frontsänger der Popband a-ha, Morten Harket, 2012 in einem Interview. Er nahm auch niemals Drogen. Einige Jahre zuvor bezeichnete der Modeschöpfer Karl Lagerfeld sein Leben als „ziemlich langweilig“. Nicht zufällig lauten die Synonyme für „nüchtern“: leidenschaftslos, trocken, fad und langweilig. Er rauchte nicht, trank kaum Alkohol und ging meistens früh ins Bett. Alles, was ihm den Zugang zu sich selbst verbaut hätte, mochte er nicht. Der Preis, dass die eigene Kreativität darunter leiden könnte, war ein Preis, den sie nicht bereit waren bzw. sind zu zahlen. Und dann gibt es jene, die Wege finden wollen, ihren inneren Zensor auszuschalten und sich völlig ungefiltert erleben möchten.

Alkohol macht für sie undenkbare Gedanken denkbar, er tröstet, macht fröhlich, locker und lässt kurzfristig alle Sorgen vergessen. 

Immer wieder wird behauptet, dass Rotwein in Maßen gesund sei. Zum Beispiel, dass ein Glas am Tag gut für die Gefäße sei. Das ist allerdings genauso wenig belegt wie die gute Wirkung des Verdauungsschnäppchens. Vor allem Spirituosen mit mehr als 37 Volumenprozent Alkohol reizen die Schleimhäute in Mund und Speiseröhre und erhöhen dort das Krebsrisiko. Je mehr Alkohol, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Kein Alkohol ist besser, als regelmäßig nur kleine Mengen zu trinken. Er schwächt das Immunsystem, und es entsteht Stress in den Leberzellen. Enzyme wandeln den Alkohol um, vor allem in Acetaldehyd und andere aggressive Restsubstanzen. Dadurch können Leberzellen absterben.

Alkohol ist bei uns vergleichsweise billig und überall erhältlich, was zu einem erhöhten Konsum führt. 

Viele Menschen beschönigen ihn auch. Dabei wäre es gut, wenn sie sich einmal mit ihrem Trinkverhalten beschäftigen würden. Leider ist es häufig auch so, dass, wer mit anderen mittrinkt (Social Drinking), als gesellig gilt oder zeigt seine Bereitschaft, es zu sein. Sie lassen sich auf den sozial akzeptierten Alkoholismus ein, um gesellschaftlich dazuzugehören. Die Autorin und Moderatorin Else Buscheuer bezeichnete sich einmal als „eingebildete Trinkerin“, die sich „voll“ auf den sozial akzeptierten Alkoholismus eingelassen hat, um gesellschaftlich dazuzugehören: So trank sie vor ihrer Talkshow, die sie 2005 moderierte, einen Prosecco (für den Blutdruck). Vor der Sendung stieß sie dann mit den Gästen an, um ihnen die Scheu zu nehmen. Auch während der Livesendung wurde Alkohol getrunken. Wenn nach der Sendung der Druck von ihr abfiel, wurde gefeiert. Um den Effekt des Trinkens auf ihr Schreiben zu vergrößern, erhöhte sie mitunter die Dosis. Von Dean Martin stammt der Ausspruch, solange man noch auf dem Boden liegen könne, ohne sich festzuhalten, sei man nicht betrunken. Andere Kreative, wie Honoré de Balzac, waren koffeinsüchtig. Er sagte:

„Ob ich nun an der Arbeit sterbe oder etwas anderem, spielt keine Rolle.“

Auf die Frage, wie er sein Arbeitspensum schaffe, antwortete Helmut Schmidt im Jahre 2008: „Willen braucht man. Und Zigaretten“. Auch Jean-Paul Sartre benötigte Unmengen Kaffee sowie Alkohol, Nikotin und täglich bis zu 20 Corydrane. Pro Tablette schrieb er ein bis zwei Seiten. Das Stimulans war in den 1950er Jahren weit verbreitet und besteht aus Aspirin und Amphetamin (1971 vom französischen Markt genommen). Auch Marguerite Duras konsumierte es, um sich einen "Schub" zu geben. Natürlich ist ein Leben, in dem es ständig um Selbstbeherrschung geht, zu fad. Doch es gibt eine Grenze, wo es bedenklich wird und wo man sich fragen sollte, wann aus der Gewohnheit ein Risiko wird und mit Alkohol das eigene Innere auch vor sich selbst versteckt wird. Ehrlich zu sich selbst zu sein, kann sich sehr düster anfühlen, aber es hat auch etwas Befreiendes.

Weiterführende Informationen:

  • Morten Harket: My take on me: Autobiografie. Edel Germany, Hamburg 2016.
  • Alexandra Hildebrandt: Die Spur des Grenzgängers. Leben als Passion. Junfermann Verlag. Paderborn 2006.
  • Alexandra Hildebrandt: Was wir von Grenzgängern lernen können. Menschen am Rand ihrer Möglichkeiten. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
  • Karl Lagerfeld: Karl über die Welt und das Leben. Hg. von Jean-Christophe Napias und Sandrine Gulbenkian. Edel Germany GmbH, Hamburg 2014.
  • Jonathan Sierck: Das meiste aus sich machen. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2018.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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