Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Wie die grüne Transformation des Verkehrssektors beschleunigt werden kann

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Verkehrssektor auf Kurs bringen

Die Emissionen des Verkehrssektors befinden sich seit Jahren auf einem hohen Niveau. Bis 2030 wird er sein Emissionsbudget selbst mit ambitionierten Maßnahmen überschreiten. In den Gesetzen gibt es noch zahlreiche Lücken, die ermöglichen, dass der Verkehr effektiv weniger Emissionen einsparen muss als andere Lebensbereiche. Hinzu kommt die jüngste Abschwächung des Klimaschutzgesetzes (KSG), nachdem sich die Emissionsminderungen der verschiedenen Wirtschaftssektoren auch gegenseitig ausgleichen dürfen. Die im Bundes-Klimaschutzgesetz definierte Treibhausgasneutralität Deutschlands im Jahr 2045 ist nach aktuellen Prognosen ohne weiteres politisches Handeln nicht einzuhalten. Deutschland könnte seine Klimaschutzziele zwar theoretisch durch den CO2-Zertifikatehandel auch ohne den Beitrag des Verkehrssektors erreichen, doch das würde teuer werden (Zukauf von Emissionsminderungen aus anderen EU-Ländern). Die Studie „Verkehrssektor auf Kurs bringen: Szenarien zur Treibhausgasneutralität bis 2045“ von Öko-Institut und INFRAS im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigt in zwei Szenarien (eine sofortige und eine verzögerte Variante, bei der dann eine ambitioniertere Umsetzung der Maßnahmen bis zur Klimaneutralität in 2045 nötig werden) mögliche Entwicklungen auf, die grüne Transformation des Verkehrssektors zu beschleunigen und bestehende Lücken für die Klimaschutzziele zügig zu schließen.

Ausgangspunkt für die Entwicklung der Szenarien:

  • Einhaltung der Ziele des KSG (Reduktion der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors im Jahr 2030 auf 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente)
  • Einhaltung des sektorspezifischen Emissionsbudgets (Summe der Zielwerte für die Jahre 2021-2030)
  • Erreichen der Treibhausgasneutralität im Jahr 2045.

Bei der Ausgestaltung der Maßnahmenbündel wurde zwischen einer sofortigen Umsetzung ab 2024 („Sofortiges Handeln Szenario“, SHS) und einer verzögerten Umsetzung ab 2026/2027 („Verzögertes Handeln Szenario“, VHS) unterschieden.

Wichtigste Maßnahmen in beiden Szenarien :

  • Reform der Kraftfahrzeugsteuer (für neue Autos, die viel CO2 ausstoßen, soll demnach eine höhere Kfz-Steuer anfallen als für sparsamere Fahrzeuge, auch die Steuern für Dienstfahrzeuge und Diesel sollen erhöht werden)
  • deutlicher Anstieg des CO2-Preises ab dem Jahr 2024 gegenüber dem aktuellen Brennstoffemissionshandelsgesetz
  • Abbau von Subventionen für Diesel und Dienstwagen sowie die Ausweitung der Lkw-Maut (inkl. CO2-Abgabe)
  • Einführung eines Tempolimits und der Aufbau einer Oberleitungsinfrastruktur für Lkw („Sofortiges Handeln Szenario“).

Die wichtigsten Ergebnisse:

Bei der Gegenüberstellung der staatlichen Einnahmen und Ausgaben wird deutlich, dass in den untersuchten Szenarien im Jahr 2030 der Einnahmenüberschuss gegenüber dem MMS rund 5 Milliarden Euro höher ist. Im Jahr 2050 gibt es im MMS sogar ein Defizit, bei den Klimaschutzszenarien „Sofortiges Handeln Szenario“ und „Verzögertes Handeln Szenario“ hingegen weiterhin einen Überschuss

Werden Investitionen in den Verkehr und das Steuersystem für den Verkehrssektor klimafreundlich ausgerichtet, kann eine Trendwende mit deutlichen Emissionsminderungen von derzeit über 145 auf 80 bis 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2030 erfolgen.

Die in der kurzen und mittleren Frist notwendigen Klimaschutzinstrumente und ihre ambitionierte Ausgestaltung führen auch zu finanziellen Mehrbelastungen für Teile der Bevölkerung, für die soziale Ausgleichmechanismen entwickelt werden müssen.

Insgesamt wirken sich die eingesetzten Klimaschutzmaßnahmen (und hier insbesondere die Förderung des öffentlichen Verkehrs und der Umstieg auf Elektrofahrzeuge) im „Sofortiges Handeln Szenario“ und im „Verzögertes Handeln Szenario“ leicht positiv auf die Gesamtwirtschaft aus. Die eingesetzten Klimaschutzmaßnahmen führen zu zusätzlichen Einnahmen des Staates. Sie sind jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum während des Transformationsprozesses verfügbar (zum Beispiel durch Einnahmen aus dem CO2-Aufschlag beim Neufahrzeugkauf oder durch einen steigenden CO2-Preis entsprechend dem europäischen Emissionshandel EU-ETS 2). Ein Verzicht auf weitere Klimaschutzmaßnahmen wird für den Staat langfristig teurer als richtig umgesetzte Maßnahmen, von denen Wirtschaft und andere Sektoren profitieren.

Bis zum Jahr 2030 würden die Klimaschutzmaßnahmen in beiden Szenarien zu finanziellen Mehrbelastungen für Teile der Bevölkerung führen. Sie wären im „Verzögertes Handeln Szenario“ für das Jahr 2030 aufgrund der verzögerten Einführung und der dadurch anspruchsvolleren Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen leicht höher als im „Sofortiges Handeln Szenario“. Betroffen wären insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen und solche im ländlichen Raum (staatliche Unterstützung und Entlastung erforderlich). Die staatlichen Hilfen (zum Beispiel Förderprogramme oder Zuwendungen) sollten dabei so gewählt werden, dass sie gleichzeitig die Klimaschutzinstrumente stärken und eine Trendwende im Verkehrssektor begünstigen.

Je früher die Politik jedoch die Verkehrswende angehe, desto besser würden die dadurch anfallenden Kosten zeitlich verteilt. Ein späteres Handeln führe hingegen zu abrupten Preisanstiegen im Verkehrssektor und belaste die Wirtschaft stärker.

Schattenseiten der Verkehrswende: Haushalte mit niedrigeren Einkommen wären von den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr stärker betroffen als reichere Menschen - besonders auf dem Land, wo es wenig öffentlichen Personennahverkehr gibt und Menschen verstärkt auf das Auto angewiesen sind. Es müssen deshalb möglichst zeitnah Konzepte entwickelt werden, mit denen zielgerichtet Haushalte mit geringem Einkommen beim Umstieg auf klimafreundliche Mobilitätslösungen unterstützt werden

Aus volkswirtschaftlicher Sicht äußern sich die angestoßenen Transformationsprozesse leicht positiv. Es kann ein Wirtschaftswachstum gegenüber der Referenz-Entwicklung realisiert werden.

Bis zum Jahr 2030 wird in beiden untersuchten Szenarien eine Trendwende im Verkehrssektor eingeleitet, sodass die Jahresziele des KSG ab dem Ende der 2020er Jahre eingehalten und die bis zum Jahr 2030 zu viel ausgestoßenen Treibhausgasemissionen in den darauffolgenden Jahren zusätzlich eingespart werden können. Voraussetzung dafür ist eine deutliche Beschleunigung bei der Elektrifizierung des Fahrzeugbestandes sowie beim Ausbau der Schiene und des öffentlichen Personennahverkehrs.

Die größten Veränderungen zeigen sich für die Automobilwirtschaft und den öffentlichen Verkehr, hauptsächlich als direkte Folge der rascheren Elektrifizierung der Fahrzeugflotte. Diese Transformation sollte daher frühzeitig über Weiterbildungsangebote und Investitionshilfen von staatlicher Seite begleitet werden.

Die Verkehrswende hätte in beiden Szenarien einen positiven Effekt auf Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland und führt den Berechnungen nach bis zum Jahr 2030 zu einem Plus von 15 bis 35 Milliarden Euro auf dem Staatskonto.

Die Emissionen durch den Verkehr könnten beispielsweise von heute 145 auf bis zu 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2030 sinken. Voraussetzung für diese Verkehrswende sind allerdings schnellere und höhere klimafreundliche Investitionen in den Verkehrssektor (vor allem in Elektrofahrzeuge, den öffentlichen Nahverkehr und die Schiene sowie in die Verkehrsinfrastruktur (Ladesäulen und Radwege).

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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