Jobsharing: Geteilte Arbeit, voller Erfolg?

Immer mehr Firmen setzen auf flexibles Arbeiten, vor allem Vertrauensarbeitszeit oder Homeoffice werden genutzt. Jobsharing ist noch selten verbreitet – und nicht jeder Experte ist davon überzeugt.

Eine Doppelspitze? Das ist bei jeder Stelle möglich!

Alibi

Global Product Partnerships EMEA Team, Google

Alibi
  • Im vergangenen Oktober starteten wir das gemeinsame Experiment Jobsharing
  • Dies ermöglichte uns den Sprung in ein global agierendes Team
  • Die Work-Flexibility-Debatte und Bereitschaft unserer Chefs machten es möglich

21.984 Reaktionen

Es war eine Reise ins Ungewisse. Für uns, unsere neuen Kollegen und unseren neuen Manager. Als wir unser Interesse für die Position im Global-Product-Partnerships-Team platzierten, taten wir dies zu zweit, getrieben von der Idee, unser bisheriges Arbeitsmodell „Teilzeit“ auf das nächste Level zu heben: Jobshare. Die Learnings der im Markt bereits existierenden Jobshares haben wir, Birgit Ahlers und Alexandra Großkurth, schon länger beobachtet und diese Entwicklung auch innerhalb des Unternehmens viel diskutiert. Unser heutiger Manager, mit Sitz in London, kannte damals weder uns noch das Modell. Trotzdem konnten wir ihn überzeugen, der erste Manager mit einem Jobshare-Tandem im globalen Partnerships-Team zu werden.

In Deutschland sind wir bei Google eines von mehreren Tandems, aber das erste, welches wirklich von Beginn an zu 100 Prozent auf Jobshare gesetzt hat. Das bedeutet, dass wir uns nicht zwischen Themen und Kunden aufteilen (Jobplit), sondern uns gemeinsam allen Themen widmen. Dies spiegelt auch unser gemeinsamer Name inklusive E-Mail-Adresse wider: alibi@google.com. Das hört sich erst einmal nach zusätzlicher Arbeit für jede von uns an. Allerdings nur wenn man es nicht bis zum Ende durchdenkt.

Zwei Ansprechpartner sind ein klares Plus – Teilzeit im nächsten Level

Wir arbeiten beide seit vielen Jahren in Teilzeit. Eine 70 Prozent und die andere 60 Prozent. Gemeinsam kommen wir also auf 130 Prozent, mit denen wir diese übliche 100-Prozent-Position besetzen. Daraus entsteht klar die Möglichkeit, verantwortungsvollere und spannendere Aufgaben im Unternehmen zu übernehmen. Auch der Weg zur Zielerreichung ist wesentlich glatter und schneller als für jeden allein arbeitenden Teilzeitler. Unsere Arbeitszeiten haben wir uns so eingeteilt, dass immer jemand erreichbar ist, sprich: Wir arbeiten unterschiedlich lang und haben an unterschiedlichen Tagen frei. Die Kommunikation muss natürlich gut sein. An drei gemeinsamen Bürotagen stimmen wir uns kurz- und langfristig ab. Somit ist die Basis für das Arbeiten sowohl im deutschen Markt als auch auf globaler Ebene gewährleistet.

Innerhalb unseres circa 200-köpfigen globalen Teams sind wir die ersten Kollegen, die als Jobshare-Tandem auftreten. Sowohl im Team als auch bei unseren Kunden merken wir, dass in vielen Ländern momentan Diskussionen über neue Arbeitszeitmodelle und Jobflexibilität geführt werden. Das Feedback in unsere Richtung ist extrem positiv, das Interesse intern als auch extern immens. Das zeigen unter anderem Einladungen zu Interviews, Anfragen von HR-Abteilungen unserer Kunden und der Erfahrungsaustausch zwischen Women- und Diversity-Netzwerken – das Momentum ist da – jetzt.

Wir folgen unserem Vorbild Chan (Christiane Haasis und Angela Nelissen), dem sicherlich erfolgreichsten Jobshare-Tandem bei Unilever, und merken, dass wir alle in der Wirtschaft eine Vorreiterrolle übernehmen können und eigentlich auch müssen. Denn der Bedarf an neuen Arbeitsmodellen besteht nicht nur bei großen Unternehmen, sondern auch bei KMUs, Familienunternehmen und Start-ups.

11,6 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten aus unterschiedlichen Gründen in Teilzeit. Die meisten von ihnen begleitet der Stress der Doppelbelastung, das schlechte Gefühl, nie zu genügen, die Angst, Verantwortung abzugeben, und nicht zuletzt die Angst davor, dass die eigene Karriere mit der Teilzeitbeschäftigung beendet ist. Es ist an der Zeit, das nächste Level einzuleiten: von Teilzeit zu Jobsharing!

Backup und Sparring – zwei für uns unschlagbare Vorteile

Unsere 130 Prozent Arbeitszeit ermöglichen uns, mehr und verantwortungsvollere Themen anzugehen, als dies für jede von uns in Teilzeit möglich wäre. Klar, denn wir haben mehr Kapazitäten. Zudem denken zwei Köpfe über die Themen nach. Allerdings gibt es eine Voraussetzung: Jeder muss einen Teil seines Egos an der Tür abgeben. Unsere Ziele erreichen wir entweder gemeinsam oder gar nicht.

Über jedem Angestellten schwebt der Satz „Jeder ist ersetzbar“. Doch für uns hat dieser Satz seine Bedrohlichkeit verloren. Im Gegenteil: Es ist ein Vorteil, ersetzbar zu sein. Jeder kennt das: eine Geschäftsreise, ein freier Tag, ein langer Urlaub. Die Inbox füllt sich, man wirft zwischendurch doch mal einen Blick auf die E-Mails, und so wirklich entspannt ist man bei dem Gedanken, dass der Stapel an Arbeit von Tag zu Tag anwächst, nicht.

Das Einzige, was nicht ersetzbar ist: der Jobsharepartner

Das ist nun dank Jobsharing anders. Da wir uns die Aufgaben teilen und im Laufe der Woche viel kommunizieren, ist nur eine kurze Übergabe notwendig. Bei Rückkehr von einer Geschäftsreise oder auch einem längeren Urlaub stellt man dann fest: keine aufgestauten E-Mails, und alle Projekte sind vorangetrieben worden. Man liest sich wieder ein und nimmt den Faden wieder auf, die Arbeit wurde nahtlos fortgeführt. Wir finden das Einzige, was wir als „unersetzbar“ betrachten, ist der Jobsharepartner, das eigene Backup.

Zweiter Vorteil: der Sparringspartner. Alle Themen, jedes Dokument – egal ob intern oder extern – haben wir beide besprochen, bearbeitet, abgesegnet. Stärken und Schwächen sollten sich gut ergänzen, denn dann kann man voneinander lernen. Ebenso wichtig ist es, nicht immer einer Meinung zu sein. Das befruchtet die Diskussion. Wenn zwei Köpfe mitdenken, verbessern sich nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die getroffenen Entscheidungen.

Jedes Unternehmen sollte seine Richtlinien überdenken und innovieren

Das Modell des Jobsharings kann inzwischen überall funktionieren – egal auf welcher Ebene sich das Tandem befindet. Nur aus rein rationalen Gründen sollte das jedoch keiner machen. Das funktioniert nicht. Man sollte gleichwohl Teamplayer sein sowie stark in der Kommunikation. Die Chemie zwischen den Jobsharepartnern muss stimmen und die Lust auf Zusammenarbeit und gemeinsame Ziele vorhanden sein. Das ist wie eine zweite Ehe – eine Kollegin nannte sie kürzlich die „Vernunftehe“.

Ein weiterer notwendiger Punkt: Es muss seitens des Unternehmens die Offenheit für „New Ways of Work“ bestehen sowie ein Sponsor des Managements mit im Boot sein. Im Zuge dessen wurden in unserem Unternehmen im vergangenen Jahr auch neue interne Richtlinien definiert, die Jobsharing und flexibles Arbeiten befürworten. Daher hat es bei uns von der Idee bis zur Umsetzung gerade einmal vier Wochen gedauert, dann war „Alibi“ geboren.

Jedes Unternehmen sollte sich generell Gedanken darüber machen, inwiefern Jobtandems möglich sind, und entsprechende Rahmenbedingungen setzen, analog zum Thema Teilzeit. Vorbilder, nicht nur in Deutschland, müssen geschaffen werden, um zum Umdenken anzustoßen.

Wir arbeiten heute so, wie wir arbeiten wollen. Wie sieht es bei Ihnen aus? Wie würden Sie gern arbeiten? Wären auch Sie bereit, Teil eines Jobtandems zu sein?

Veröffentlicht:

Alibi
© Google
Alibi

Global Product Partnerships EMEA Team, Google

Alibi teilt sich den Posten als Strategic Partner Manager für das global arbeitende Product-Partnerships-Team bei Google. Alexandra Großkurth und Birgit Ahlers verantworten als Jobshare-Tandem strategische Produktpartnerschaften für den DACH-Markt. Beide sind seit mehreren Jahren für Google tätig. Großkurth verantwortete die Werbekunden im Retail- und Fintech-Bereich, Ahlers das programmatische Werbegeschäft für Publisher.

Mehr anzeigen

Werd kostenlos XING Mitglied, um regelmäßig Klartext-Debatten zu aktuellen Themen zu lesen.

Als XING Mitglied gehörst Du zu einer Gemeinschaft von über 21 Mio. Berufstätigen allein im deutschsprachigen Raum. Du bekommst außerdem ein kostenloses Profil, spannende Fach-News und passende Job-Vorschläge.

Mehr erfahren