Was, wenn mein Vater Jäger gewesen wäre, sein Gewehr im Schrank, und ich, der von älteren Jungen bis aufs Blut gemobbte Zehnjährige, gewusst hätte, wo der Schlüssel liegt?
Ich denke, auch wenn ein Gewehr in greifbarer Nähe gewesen wäre, auf die Idee, meine Rachefantasien damit in die Realität umzusetzen, wie es seit der Jahrtausendwende in US-amerikanischen Schulen des Öfteren vorkommt, wäre ich damals dennoch nicht gekommen. Eingesetzt wurden stattdessen Fäuste und Stöcke. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Hemmschwelle, Konflikte in den Schulen mit noch brutalerer Gewalt zu lösen, signifikant gesunken. Entsprechend gestiegen ist der Einsatz von Schuss- und Stichwaffen. Auch auf deutschen Schulhöfen werden heute Messer gezogen, es wird damit gedroht – und zugestochen. Unsere Lehrer tragen keine Waffen, wie möglicherweise bald in den USA, wo die Abstände zwischen den Massakern auf den Schulhöfen immer kürzer werden. Aber Kinder sind auch bei uns durch Schusswaffen auf Schulhöfen schon ermordet worden.
Meiner Meinung nach gibt es einen Zusammenhang zwischen der wieder zunehmenden Aggressivität zwischen den Nationen und dem Verhalten der heranwachsenden Generation. Regierungen handeln ebenfalls deutlich provokanter bei der Durchsetzung nationaler Interessen als noch vor einigen Jahren.
Auch ich war ein Mobbingopfer
In meinen Antimobbingkursen in Schulen setze ich auf konsequente Aufklärung durch Vermittlung von Erfahrungen aus meinem Leben. Ich nenne die Missstände beim Namen. Rede in einer Offenheit, die die Kinder von Lehrern nicht kennen, über meine schwere Zeit als Mobbingopfer. Ich verschweige nicht, dass ich im Widerstand gegen meine Peiniger selber an Gewalt gefallen fand und mich vom Opfer zum gefürchteten Täter entwickelte.
Offenheit gegen Offenheit auf Augenhöhe eröffnet Möglichkeiten für einen lebendigen und konstruktiven Dialog zwischen Erwachsenen und Kindern. Gut gemeinte, im Ungefähren verlaufende Ratschläge hören sie zur Genüge. Ich scheue mich nicht, eigene Fehler und Irrwege vor den Kindern einzugestehen – was Väter und Mütter nur selten fertigbringen, Lehrer so gut wie nie. Ich pfeife auf „professionelle Distanz“, die angeblich im pädagogischen Prozess unabdingbar ist und aus meiner Sicht den Zugang zu Kindern und Jugendlichen erheblich erschwert.
Mobbing ist kein Kavaliersdelikt, Mobbing zerstört Menschenleben!
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