Wie die Angst vor Corona Börsen und Welthandel infiziert

Noch sind die ökonomischen Auswirkungen der Corona-Epidemie begrenzt, doch Experten sorgen sich vor Panikreaktionen an den Märkten. Wie real ist die Gefahr eines globalen Finanz-Crashs?

Corona kostet den Welthandel pro Woche 26 Milliarden Dollar

Ron van het Hof
  • Schaden entspricht umgerechnet einer deutlichen Erhöhung des Weltimportzolls
  • Die wirtschaftlichen Auswirkungen dürften global gesehen begrenzt bleiben
  • Gefahr droht nur, wenn Chinas Wirtschaft lange ausfällt oder Panik ausbricht

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Das Coronavirus ist längst kein chinesisches Problem mehr, sondern ein weltweites, für jeden einzelnen Menschen, für Unternehmen und deren Geschäft – und letztlich auch für Weltwirtschaft und Welthandel. Gesundheit und Sicherheit gehören zu den Grundbedürfnissen der Menschen, insofern sind die individuellen Auswirkungen wesentlich schwerer greif- oder messbar als die möglichen Folgen für Weltwirtschaft und Welthandel.

Der Welthandel schwächelte bereits im vergangenen Jahr. Schon vor Corona waren die Aussichten also nicht gerade rosig. Doch jetzt erhalten sie einen weiteren Dämpfer. Wie stark dieser am Ende ausfällt, hängt maßgeblich davon ab, wie lange das Coronavirus die globale Wirtschaft tatsächlich lähmt.

Kosten von Corona entsprechen umgerechnet einer Zollerhöhung um einen Prozentpunkt

Jede Woche kostet das Virus – beziehungsweise die Betriebsunterbrechungen und der eingeschränkte Handel in China durch das Virus – 26 Milliarden US-Dollar: So hoch sind die potenziellen Verluste bei den Exporten von Waren und Dienstleistungen nach China.

Die 26 Milliarden sind eher der untere Rand der Schätzung, denn wir rechnen noch mit einer zweiten Runde mit Negativeffekten. So sind die Folgen auf Unternehmen außerhalb Chinas noch nicht eingerechnet, die zum Beispiel wegen ausbleibender Zulieferungen aus China ihre Produktionen drosseln oder einstellen müssen oder die wie Italien ebenfalls mit Betriebsunterbrechungen zu kämpfen haben. In Italien werden die Verluste beispielsweise auf rund drei Milliarden pro Woche geschätzt. Betroffen sind hier sowohl Warenlieferungen als auch Tourismus und Transport.

26 Milliarden pro Woche – das sind keine Peanuts. Vergleicht man dies mit den Auswirkungen von Zöllen, die im Handelskonflikt zwischen den USA und China ja bereits im vergangenen Jahr den Welthandel merklich gezeichnet haben, wird das deutlich: Der wöchentliche Verlust entspricht umgerechnet einer Erhöhung des Weltimportzolls auf Waren um einen Prozentpunkt im Jahr 2020.

Man muss sich diesen Kennwert so vorstellen, als wenn auf sämtliche Waren des Welthandels, von Kaffee über Maschinenteile bis hin zu Computerchips, über Nacht ein durchschnittlich um einen Prozentpunkt höherer Zoll entrichtet werden müsste. Weltweite Insolvenzen werden zunehmen – auch in Deutschland Anstieg erwartet Für den Welthandel bedeutet das also zusätzlich zu dem bereits bestehenden Handelskonflikt nochmals herbe Einbußen. Wir haben unsere Wachstumsprognose für den Welthandel daher für 2020 um minus 0,5 Prozentpunkte auf nunmehr plus 1,3 Prozent nach unten korrigiert – ein neuer Tiefststand. Hongkong, die USA, Japan, Südkorea, Italien, Frankreich, Großbritannien und auch Deutschland sind am stärksten betroffen von diesem Rückgang – und der deutsche Wirtschaftsmotor stotterte zuletzt ja bereits merklich. Zudem werden die Insolvenzen vermutlich noch stärker ansteigen als bisher angenommen.

Hinzu kommen die Risiken von unterbrochenen Lieferketten, einer geringeren weltweiten Nachfrage und sinkenden Preisen (und damit Umsätzen). Dies wiederum könnte die sowieso schon überdurchschnittlich hohen Lagerbestände in Sektoren wie Textilien, Maschinen und Transportausrüstung sowie Rohstoffe weiter ansteigen lassen. In Branchen mit aktuell unterdurchschnittlichen Lagerbeständen (zum Beispiel Elektronik oder Computer) stellt hingegen die Warenknappheit inzwischen ein Risiko dar.

Keine Sorge: Die wirtschaftlichen Auswirkungen dürften global gesehen begrenzt bleiben

Trotzdem ist das kein Grund zur Panik. Corona wird sich definitiv kurzfristig auf Weltwirtschaft und Welthandel auswirken. Trotzdem dürften die wirtschaftlichen Auswirkungen global gesehen begrenzt bleiben – vorausgesetzt, die Geschäftsunterbrechung in China dauert nicht länger als einen Monat an und die Geschäftstätigkeit normalisiert sich nach drei Monaten wieder. Davon gehen wir aktuell aus. Allerdings ist die Weltwirtschaft wohl nicht stark genug, um diesen Verlust im weiteren Jahresverlauf vollständig aufzuholen.

Für das Gesamtjahr erwarten wir durch das Coronavirus aktuell „nur“ einen Verlust von 0,1 Prozentpunkten an Wachstum für die Weltwirtschaft, die dann insgesamt 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 Prozent zulegen dürfte.

Es gibt zwar durchaus „Downside“-Risiken – aber diese wären maßgeblich von Panikreaktionen getrieben. Bei lang anhaltenden Geschäftsunterbrechungen auf der ganzen Welt würde die Wirtschaft tatsächlich massiv einbrechen, der Welthandel schrumpfen und Insolvenzen im zweistelligen Prozentbereich ansteigen. Aber: Davon gehen wir nicht aus. Insofern ist das aktuell wahrscheinlichste Szenario zwar wahrlich kein Grund zum Jubeln – aber auch nicht der Weltuntergang.


Debattieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser: Glauben Sie, dass sich die wirtschaftliche Situation deutlich verschlimmern wird - oder werden wir glimpflich davonkommen?

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Ron van het Hof
© Euler Hermes
Ron van het Hof

CEO, Euler Hermes Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH)

Ronald van het Hof (Jg. 1964) ist CEO der DACH-Region sowie Hauptbevollmächtigter der deutschen Niederlassung von Euler Hermes. Seit 2013 war van het Hof CEO der Euler Hermes World Agency, die globale Einheit, die das weltweite Versicherungsgeschäft für Großkonzerne verantwortet. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Versicherungsbranche. Vor seiner Tätigkeit bei Euler Hermes war er von 2007 bis 2013 als CEO der Allianz Niederlande tätig und verantwortete das Sach- und Lebensversicherungsgeschäft.

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