„Um die digitale Revolution aber nicht nur zu überleben, sondern zu gestalten, müssen wir als großes Unternehmen unsere Denk- und Handlungsmuster anpassen“, sagt Dieter Zetsche in einem Gastbeitrag auf XING Klartext. Und fügt hinzu: „Um die digitale Revolution zu gestalten, müssen wir mutig sein.“ Dem stimme ich voll zu. Ich plädiere jedoch dafür, künftig nicht einfach von der digitalen Revolution (beziehungsweise der digitalen Transformation) zu sprechen, sondern mit zwei Begriffen zu operieren – und damit eine Unterscheidung zu treffen, die uns mehr Gestaltungsmöglichkeiten gibt: Die digitale Transformation ist zugleich eine kreative Revolution.
Der Part der kreativen Revolution
Beides ist nicht dasselbe. Die gegenwärtige Umwälzung ist nicht nur eine technologische, sondern auch eine soziale und kulturelle. Sie verändert radikal unser Denken und Handeln. Sie geht einher mit völlig neuen Methoden des kreativen, experimentellen, vom Design geprägten Arbeitens und Zusammenarbeitens. Die smarten Maschinen, selbstlernenden Systeme und Netze bieten dafür die technologischen Grundlagen und Voraussetzungen. Aber die Menschen sind die Gestalter dieser Entwicklung (hoffentlich). Es ist die menschliche Schöpferkraft, die in den kommenden Jahrzehnten in einer ganz neuen Weise gefragt ist, um die tiefgreifenden disruptiven Entwicklungen in unseren Organisationen, in der Gesellschaft und unserer Umwelt gut und verantwortungsvoll zu meistern. Damit die Disruptionen unsere Organisationen nicht zerreißen. Damit wir den Druck mindern, schneller werden in der Entwicklung von Neuem und mehr Freiheitsgrade bekommen.
Mut und Mindset
Ich glaube deshalb, es braucht nicht nur Mut, um eine neue Führungskultur zu schaffen, sondern es braucht eine andere Denkweise, ein neues Mindset. Ich nenne es „Disruptive Thinking“: die Kunst und Disziplin der kreativen Revolution. Die Kunst, mit Brüchen innovativ umzugehen. Und die Disziplin, die Widersprüche produktiv zu machen. In der Strategie, in der Struktur und in der Kultur der Organisation. Es gilt, scheinbar Gegensätzliches neu zu kombinieren. Wir brauchen neue Kombinationen von Technologie und Design, von Digitalisierung und Nachhaltigkeit, von Schnelligkeit, ungewöhnlicher Kreativität und großer Verantwortlichkeit.
Disruptive Thinking ist Querdenken ohne Geländer. Es arbeitet mit Spannungsfeldern und Fragen. Beides bringt uns weiter. Auch diejenigen, die schon ganz vorn als Innovatoren, Ingenieure, Entwickler, Design-Thinker, Scrum-Master et cetera arbeiten und Veränderungsprozesse voranbringen, profitieren davon. Es macht ihre Arbeit leichter. Denn Disruptive Thinking wirkt wie ein Trimtab, von dem Buckminster Fuller immer wieder erzählte. Ein kleines Trimmruder am großen Ruder eines Schiffes oder Flugzeuges, das mit geringem Aufwand Großes bewegt. Widersprüche zu verstehen und zu nutzen kann viel bewirken – gerade wenn es gilt, Organisation durch unruhige Zeiten zu steuern.
Disruptive Thinking – die drei Kernfähigkeiten auf einen Blick
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Wissen und Nichtwissen – die Fähigkeit, sich ins Fremde zu stellen, den Angreifer zu spielen und in der Innovationsarbeit neue Kombinationen zu entwickeln, zum Beispiel Technologie und Design zu kombinieren. Mit dem praktischen Imperativ: „Sei überraschend einfach!“
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Routinen und Nichtroutinen – die Fähigkeit, unkonventionellen Köpfen Raum zu geben, selbstorganisierte vernetzte Einheiten zu bilden und zugleich Brücken zu bauen, damit es die traditionelle Organisation nicht zerreißt. Mit dem praktischen Imperativ: „Brich Routinen!“
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Maschinen und Menschen – die Fähigkeit, in der Vernetzung den Einzelnen wahrzunehmen und in den neuen Mensch-Maschine-Koppelungen zu fragen, was lernen wir voneinander? Was kann der Mensch besser? Mit dem praktischen Imperativ: „Stärke die Menschen!“
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