Sex sells – oder doch nicht?

Mit vermeintlich frauenfeindlicher Werbung soll bald Schluss sein – wenn es nach Justizminister Heiko Maas geht. Genderforscher begrüßen seinen Vorstoß, manche Werber hingegen zeigen sich entsetzt.

Die Nanny-Politiker sollen aufhören, uns erziehen zu wollen

Katrin Albsteiger
  • Sexistische Werbung ist für mich kein flächendeckendes Problem
  • Viel kritischer sehe ich den Geist, der hinter der Diskussion steht
  • Immer wieder werden Versuche gestartet, das Volk zu erziehen

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Seit zwei Wochen ist Deutschland um eine Debatte reicher: Soll man „sexistische Werbung“ verbieten? Offizielle Erläuterungen, was genau gemeint sein könnte, unterblieben. Irgendwas soll verboten werden. Fest steht: Es ist irgendwo angesiedelt zwischen der klischierten Darstellung angeblich geschlechtertypischen Verhaltens bis hin zu einer bewussten Reduktion von Personen als sexuelle Objekte. In den sozialen Medien habe ich mich der Diskussion gestellt. Meine vorläufige Bilanz: Ein klassisches Nicht-Problem, das abgesehen von einigen AktivistInnen der „Binnen-I-Fraktion“ niemandem so recht bewusst war. Im Jahr 2015 fielen beim Deutschen Werberat 196 Fälle aus der Rubrik „geschlechterdiskriminierende Werbung“ auf. In Worten: Bei rund vier Millionen TV-Werbespots, die in Deutschland pro Jahr laufen, und Millionen von Konsumenten, die sie sehen, waren es hundertsechsundneunzig Fälle. Flächendeckende Probleme sehen anders aus.

Juristen werden hier zu Feuilletonisten

Werden wir mal praktisch: Jedem, der einigermaßen mit offenen Augen durchs Leben geht, wird schnell klar, wo die Probleme einer solchen Regelung liegen werden. Wer entscheidet das und wer definiert die Grenzen? Wann beginnt „sexistische Werbung“? Wird verboten, wenn der weibliche oder männliche Körper bewusst eingesetzt wird, ohne, dass er im Bezug zum Produkt steht (es also nicht darum geht, Bademoden zu verkaufen, sondern Büroartikel, Mietwagen oder Heimwerkerutensilien)? Oder sollen bereits Klischeedarstellungen untersagt werden – solche, die Aktivistengruppen wie „Pinkstinks“ problematisieren, also zum Beispiel Paarungen wie Frau/Waschmaschine, Männer/Grillbedarf oder vermutlich so ziemlich jede Kosmetikwerbung, die im Fernsehen läuft.

Werbung muss damit zurechtkommen, dass sie Rechte beachten muss: Nutzungsrechte, Persönlichkeitsrechte, Einschränkungen bei der Tabakproduktwerbung etc., aber diese sind klar umrissen und definierbar. Wenn Gerichte entscheiden sollen, ob eine bestimmte Werbung die Grenze zum „Geschlechterklischee“ überschreitet, dann werden Juristen zu Feuilletonisten. Wenn Geschmacksfragen justiziabel werden, wird es kompliziert.

Das eigentliche Problem ist der Geist, der hinter einem solchen „Werbeverbot“ steckt. Zeitgenössisch nennt man das „Nanny-Politik“ – das Volk soll erzogen werden. Nanny-Politiker wollen die Gesellschaft umgestalten, sie sind als Optimierer unterwegs. Es mangelt nicht an Ideen und Visionen. Zu gerne hinterfragen sie, was der gesunde Menschenverstand als gegeben hinnimmt und nennen es „dekonstruieren“. Verbote, die dem eigenen Gesellschaftsentwurf dienen, sind schnell zur Hand.

Es gibt viele Versionen einer „besseren“ Gesellschaft

Leider sind die Nanny-Politiker nicht die Besten darin, sich auch mal zu hinterfragen. In diesem Modell ist es nicht vorgesehen, dass jemand anderes eine andere Meinung darüber, wie die Gesellschaft aussehen soll, längere Zeit behält. Leuchtet ein: Zumindest im Wochenendseminar der Friedrich-Ebert-Stiftung waren sich doch alle einig, wie die bessere Gesellschaft auszusehen hat – und alle anderen sind Konservative aus dem Mittelalter, die die Signale nicht hören …? Ich möchte dagegenhalten: Ich bin nach wie vor NICHT überzeugt von diesem Angebot, wie bei so vielem, was Geschmacksrichtung „Gender Mainstreaming“ hat.

Eine wesentliche Eigenheit der Nanny-Politik ist, dass sie nie abgeschlossen ist. Ist das eine optimiert, verbessert oder verboten, kann man sich an das nächste machen. Ich vermute, dass wir alle über kurz oder lang noch folgende Verbotsvorschläge oder Regularien in Bezug auf Reklame erleben werden: Werbeverbot für fettiges Essen, Werbeverbot für alkoholische Produkte, keine Süßigkeitenwerbung vor 20 Uhr, ein Mindestanteil von vegetarischen Produkten pro Werbeblock. Wird alles gut gemeint sein. Ich aber meine: bitte nicht.

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Katrin Albsteiger
© Markus Hammes
Katrin Albsteiger

Mitglied des Bundestages und CSU-Politikerin

Katrin Albsteiger (Jg. 1983) studierte nach ihrem Abitur Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Augsburg. 2005 trat sie in die CSU ein. Von 2011 bis 2013 war Albsteiger Landesvorsitzende der Jungen Union Bayern und Mitglied im CSU-Präsidium. Seit 2013 sitzt sie für die Christsozialen im Bundestag. 2014 wurde Katrin Albsteiger zudem zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JU Deutschlands gewählt.

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