Arbeitnehmer gesucht: Wie lässt sich der Fachkräftemangel bekämpfen?

Weil in vielen Branchen gut ausgebildete Arbeitnehmer Mangelware sind, werden die Unternehmen immer kreativer. Wir stellen einige der innovativsten Lösungen vor.

Die Unternehmen tun noch zu wenig

Christoph Niewerth
  • Der Fachkräftemangel ist kein flächendeckendes Phänomen
  • Wir sollten eher von einem Kompetenzmangel sprechen
  • Viele Unternehmen versäumen es, wichtige Handlungsfelder anzugehen

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Dass es einen Fachkräftemangel in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt, ist eigentlich unbestritten. Nur: Ist er ein flächendeckendes Phänomen, das wirklich die gesamte Wirtschaft trifft, oder ergibt sich ein differenzierteres Bild? Unsere aktuelle Studie zum Fachkräftemangel, für die wir 1000 Führungskräfte in Deutschland befragt haben, ergibt ein gespaltenes Bild. Natürlich konstatiert mehr als die Hälfte der Befragten, der Fachkräftemangel fordere die Wirtschaft strukturell heraus. Das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Denn je mehr es um das eigene Arbeitsumfeld geht, umso mehr relativiert sich die Sicht der Führungskräfte auf diese Herausforderung.

Wie ein roter Faden zieht sich durch unsere empirischen Resultate, dass die Befragten die Auswirkungen des Themas für die Gesamtwirtschaft in Summe als kritischer erachten als in ihrem Unternehmen. So ist der Fachkräftemangel für vier von zehn der befragten Manager nur auf einzelne Branchen oder gar bestimmte Berufsprofile beschränkt. Meine erste Hypothese lautet daher: Die in der Öffentlichkeit häufig sehr pauschal und wenig differenziert geführte Diskussion über den Fachkräftemangel schlägt auf dessen allgemeine Wahrnehmung durch. Aber in Bezug auf den eigenen konkreten Arbeitskontext verändert sich das Bild bei den befragten Managern deutlich.

Genügend Personal – zu wenig Fachkräfte

Interessant ist weiter, dass die Hälfte der befragten Führungskräfte meint, es gebe durchaus genügend Personal, doch zu wenig Fachkräfte. Die Balance zwischen den vorhandenen Kompetenzen von Kandidaten und den benötigten Anforderungen der Unternehmen an Fachkräfte ist folglich ins Wanken geraten. Dafür sorgt allein schon das Tempo, das uns die zunehmende Digitalisierung mit ihren ständigen technologischen Neuerungen vorgibt. Diese Dysbalance wird daher eher noch zunehmen. Vielleicht sollten wir besser und zielführender von einem Kompetenz-, statt einem Fachkräftemangel sprechen, so meine zweite Hypothese. Beschäftigungsfähigkeit über die gesamte Berufslaufbahn hinweg zu gewährleisten, gekoppelt mit einer hohen individuellen Lernbereitschaft und -fähigkeit, ist schon heute eine zentrale Herausforderung für alle Human-Resource-Verantwortlichen. Das zeigt auch unser jährlicher HR-Report. Zugleich wird es deswegen auch für alle Angestellten umso wichtiger, permanent neue Kompetenzen zu erwerben - idealerweise mit praxisnahen Ansätzen.

Wir haben es selbst in der Hand

Ob unser Bildungssystem hierzu einen wichtigen Beitrag leisten kann? Laut den befragten Führungskräften kaum. Für sie ist es, neben dem demografischen Wandel, die zentrale Ursache des Fachkräftemangels. Nach Ansicht der Manager halten unsere Schulen, Hochschulen und alle weiteren Ausbildungsstätten der Geschwindigkeit, in der sich Technologien und Märkte verändern, nicht stand.

Deshalb die Hände in den Schoß zu legen und salopp auf diese unverrückbaren Rahmenbedingungen zu verweisen, ist jedoch meiner eigenen Überzeugung nach alles andere als zielführend. Vielmehr haben wir es selbst in der Hand, dem Fachkräftemangel offensiv zu begegnen, statt ihn über uns ergehen zu lassen.

Es sind vor allem vier Handlungsfelder, die bei den Befragten im Fokus stehen: erstens, als Arbeitgeber attraktiver zu werden, zweitens die Personalbedarfsplanung zu systematisieren, drittens neue Wege in der Rekrutierung und Nachwuchsförderung zu beschreiten sowie, viertens, die Kompetenzen der Mitarbeiter weiterzuentwickeln.

Gesagt, getan? Nein. Denn unsere Ergebnisse belegen: Viele Unternehmen tun viel zu wenig, um in diesen vier Handlungsfeldern voranzukommen. So konstatieren über 70 Prozent, dass ihr Unternehmen in diesen Bereichen nur mangelhaft oder verbesserungswürdig agiert. Hier gibt es also noch jede Menge zu tun und Versäumnisse nachzuholen. Zwar mag es kurzfristig entlastend wirken, über den Fachkräftemangel wehzuklagen. Mittel- und langfristig ist es jedoch die bessere Strategie, das Heft in die Hand zu nehmen und individuelle und kreative Antworten zu entwickeln. Das ist meine dritte Hypothese zum Fachkräftemangel.

Es gibt übrigens eine Industrie, die hier zumindest nach unseren empirischen Daten weiter ist als andere: Überraschenderweise ist dies die IT-Branche, die der gängigen Meinung nach am meisten unter dem Mangel an geeigneten Fachkräften leide. Warum dem so ist? IT-Unternehmen mussten sich schon früh auf einen leergefegten Arbeitsmarkt für ihre Branche einstellen und haben daraus ihre Lektionen gezogen. Davon können sich andere Industrien eine Scheibe abschneiden.


Diskutieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser! Wie erleben Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber den Arbeitsmarkt? Leidet Ihr Unternehmen auch unter zu wenigen Bewerberinnen und Bewerbern? Oder ist der Fachkräftemangel vielleicht eher eine Ausrede für Unternehmen, die nicht attraktiv genug sind? Wir freuen uns auf lebhafte Debatten!

Veröffentlicht:

Christoph Niewerth
© Christoph Niewerth
Christoph Niewerth

Vorstand, Hays AG

Christoph Niewerth (Jg. 1971) begann nach dem Studium als Diplom-Wirtschaftsingenieur seine Karriere als Account Manager bei Ascena. Nach unterschiedlichen internen Positionen wurde er 2012 als Chief Operating Officer in den Vorstand der Hays AG berufen und verantwortet den Vertrieb in den Bereichen IT, Finance, Legal, Retail und Sales & Marketing in Deutschland, sowie weitere Landesgesellschaften. Er betreut zudem die Bereiche Talent Solutions, Public Affairs sowie die strategische Kundenentwicklung.

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