Durch ein Gutachten im Auftrag der Gewerkschaft Ver.di wurde jüngst der Kohleausstieg thematisiert. Es ist durchaus verständlich, dass eine Gewerkschaft für diesen Fall Sozialverträglichkeit fordert. Sie begründet jedoch nicht, aus welchen Gründen ein Ausstiegspfad überhaupt beschlossen werden müsste. Es erfolgt lediglich ein Hinweis auf entsprechende Vorschläge der Agora Energiewende. Aus klimapolitischen Gründen lässt sich die Notwendigkeit eines Kohleausstiegs aus dem bestehenden energie- und umweltpolitischen Ordnungsrahmen der Europäischen Union allerdings nicht ableiten.
Ein nationalstaatlicher Eingriff ist unnötig
Ver.di schlägt zwar vor, die sozialen Kosten für einen Kohleausstieg durch die Auktionserlöse aus der Versteigerung der deutschen Zertifikate für den europäischen Emissionshandel zu finanzieren, übersieht dabei aber den Hauptzweck des Emissionshandels. Die jährlich verringerten europäischen Emissionsbudgets führen automatisch und marktkonform zu einer Verringerung der CO2-Emissionen. Eines nationalstaatlichen Eingriffes bedarf es nicht. Im Gegenteil: Er steht sogar im Widerspruch dazu. Stehen die nicht mehr erforderlichen deutschen Zertifikate unseren europäischen Nachbarn zur Verfügung, kommt es nicht zu einer Emissionsminderung.
Die Rückbesinnung auf mehr Marktsignale nach einer bislang eher planwirtschaftlich organisierten Energiewende wäre zwingend notwendig. Im Rahmen des Emissionshandels entscheidet der Markt, welche Energieträger eingesetzt werden. Aus heutiger Sicht wäre es kostengünstiger, bestehende Steinkohlekraftwerke zur Absicherung der schwankenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern einzusetzen, statt neue Gasturbinen zu bauen. Im Rahmen des Emissionshandels wäre zum Beispiel auch die Umwandlung von CO2-Emissionen in Rohstoffe möglich, sofern dies wirtschaftlich wäre, etwa um synthetische Kraftstoffe für den Straßenverkehr zu produzieren. Wer statt eines marktbasierten Systems den Kohleausstieg fordert, verteuert die Energiewende und beschneidet Handlungsoptionen.
Auch die Gasturbinen glänzen nicht
Unsere Stromerzeugung wird zunehmend auf erneuerbaren Energieträgern basieren. Deren Leistung ist großen natürlichen Schwankungen unterworfen. Es gibt einige wenige Tage im Jahr, an denen Sonne und Wind so gut wie gar nicht verfügbar sind. Auch an diesen Tagen muss die Höchstlast abgedeckt werden können. Mit Lastflexibilisierung (Abschalten von Kühlhäusern oder Elektrolyseprozessen) allein geht das nicht. Eine ein- bis zweiwöchige „Dunkelflaute“ kann verlässlich nur mit Speichern und Kraftwerken beherrscht werden. Zur Illustration des enormen Speicherbedarfs muss man sich vorstellen, dass zur Abdeckung der Jahreshöchstlast 1700- bis 3400-mal das größte deutsche Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal benötigt würde. Dies entspricht einem Investitionsvolumen von 1,1 bis 2,1 Billionen Euro.
Die als Alternative zuweilen propagierten offenen Gasturbinen haben unter den Einsatzbedingungen der Energiewende keine bessere Klimabilanz als Steinkohlekraftwerke. Das hat kürzlich ein Gutachten von Pöyry im Auftrag des Vereins der Kohlenimporteure gezeigt. Gas- und Dampfturbinenkraftwerke überleben derzeit nur in Verbindung mit Subventionen für die Kraft-Wärme-Kopplung. Deshalb werden auch in den nächsten Jahrzehnten Steinkohlekraftwerke zur Flankierung der Energiewende benötigt werden.
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