Der Schwarm als Investor: Ist Crowdinvesting eine Kreditalternative?

Crowdfunding ist als Finanzierung von Start-ups bereits bekannt. Doch eine Finanzierungsform ist in diesem Jahr präsenter und beliebter geworden – gerade auch für Mittelständler: das Crowdinvesting.

Erst durch die Crowd wurden wir erfolgreich

Dr. Ron Lehnert
  • 2011 starteten meine Kogründer und ich ein Portal zum Buchen von Arztterminen
  • Auf einen Bankenkredit konnten wir mit unserem Start-up nicht hoffen
  • Statt auf Kredit, Crowdfunding oder Business-Angel setzten wir auf Investoren

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Weit über 500.000 Menschen in Deutschland gründen jedes Jahr ein Start-up. Dazu gehören auch meine Kollegen und ich – 2011 machten wir uns mit unserem Unternehmen Doxter selbstständig. Unsere Idee: eine Plattform, über die Patienten Arzttermine buchen können. Dass nur Vision und Leidenschaft leider nicht ausreichen, um ein Unternehmen erfolgreich am Markt einzuführen und – vor allem – langfristig zu halten, dessen waren wir uns bewusst. Mehr als 80 Prozent aller Start-ups scheitern innerhalb der ersten drei Jahre. Entscheidend ist neben dem Impuls immer die strategische Umsetzung und eine schlüssige Finanzierung.

Anschlussfinanzierung? Lieber Crowd statt Business-Angels!

Eine hilfreiche Möglichkeit für Gründer – auf die auch wir gesetzt haben, um unser Unternehmen erstmalig und ohne große Risiken an den Start zu bringen – ist ein Gründerstipendium. Auch wenn die Auflagen der Stiftungen abschrecken mögen, der Aufwand lohnt sich. 2011 sicherten wir uns über diesen Weg 100.000 Euro Frühphasenunterstützung. Aber was folgt danach? Denn auch wenn 100.00 Euro auf den ersten Blick ein großer Betrag sein mögen, reicht solch eine Finanzspritze in den meisten Fällen nicht aus.

Die Wahrscheinlichkeit, als Gründer in der Phase der Anschlussfinanzierung einen Kredit bei der Hausbank zu erhalten, ist sehr gering. Meine Mitgründer und ich konzentrierten uns stattdessen auf folgende interessante Alternativen: die Finanzierung über Business-Angels (BAs) und Crowdinvesting. BAs sind meist Einzelpersonen, die sich finanziell am Unternehmen beteiligen und das Start-up gleichzeitig mit ihrem Know-how und Netzwerk unterstützen. Aber Business-Angels wollen überzeugt werden – die Verhandlungen können, auch bei großem Interesse an der Start-up-Idee, Zeit in Anspruch nehmen. Beim Crowdinvesting kaufen private Personen oder Unternehmer über das Internet Unternehmensanteile. Diese Investoren profitieren als Teilhaber vom Gewinn des Unternehmens und im Falle eines Verkaufs an einen Großinvestor auch vom erzielten Preis. Natürlich bedeuten Investoren immer auch eine erweiterte Verantwortung für das Unternehmen, und das wirkt sich auf wichtige strategische Entscheidungen aus – für uns bot diese Form des Inputs jedoch auch die Chance für eine erweiterte Perspektive.

Investoren sind mehr als nur kurzfristige Geldgeber

Deshalb entschieden wir uns 2012 für das Crowdinvesting. Mit unserem Start-up Doxter waren wir das erste Unternehmen, das sich über die im gleichen Jahr gegründete Crowdinvestingplattform Companisto finanzierte. Mit einem Schlag hatten wir 421 Investoren mit an Bord, die mit insgesamt 100.000 Euro eine Beteiligungsquote von 6,25 Prozent am Gewinn und Unternehmenswert innehatten. Diese Summe stand uns bereits kurzfristig zur Verfügung. Der Mehrwert der Crowd geht jedoch weit über die kurzfristige Liquidität hinaus: Die Investoren fungierten in unserem Fall auch als interessanter Inputgeber und überzeugter Multiplikator für die Start-up-Idee. Hat man eine große Crowd hinter sich, öffnen sich Türen, die vorher verschlossen waren, denn was eine größere Masse überzeugt, weist ein Potenzial auf. In unserem Fall hat das Vertrauen unserer Crowd Martin Sinner von Idealo überzeugen können, als Business-Angel den Weg mit uns zu gehen. Das unternehmerische Eigeninteresse der Investorencrowd am Start-up ist auch ein entsprechender Vorteil gegenüber dem Crowdfunding, auf das Gründer ebenfalls gern zurückgreifen. Beim Crowdfunding erhalten die Nutzer keine Anteile am Unternehmen – sie werden nicht zu Eigentümern und erwarten daher auch keine monetäre Gegenleistung für Ihre Unterstützung.

Crowdinvesting hat als Finanzierungsmodell entscheidend zur Entwicklung und zum Erfolg unseres Start-ups beigetragen. Gerade für mittelständische Unternehmen oder Start-ups, die kurzfristig Geld benötigen, ist es ein geeigneter Weg. Neben der finanziellen Absicherung wurden wir um das Vertrauen der Crowd und deren Input auf zahlreichen Ebenen bereichert. Meiner Ansicht nach stellt Crowdinvesting für jeden Gründer eine interessante Finanzierungsoption dar – eine Option, mit der wir positive Erfahrungen gemacht haben. Und positive Erfahrungen gibt man gern weiter.

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Dr. Ron Lehnert
© Doctena Germany
Dr. Ron Lehnert

CEO, Doctena Germany GmbH

Der ehemalige Arzt der Charité Berlin gründete 2011 das Start-up Doxter, eine Onlineplattform zur Buchung von Arztterminen. Seit der Übernahme von Doxter durch den Marktführer Doctena im Herbst 2016 zeichnet Ron Lehnert als CEO der Doctena Germany GmbH für die Bereiche Vertrieb und Kooperationen verantwortlich. Doctena wird von über 5000 Allgemein-, Fach- und Zahnärzten in Deutschland genutzt.

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