Konjunkturumfeld 2017: Steigen die Extremrisiken für Firmen?

Die globale Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Zusätzlich belasten Großinsolvenzen und hohe Liquiditätsbestände das Zahlungsverhalten vieler Firmen. Nehmen die Risiken für Unternehmen zu?

Ron van het Hof
  • Seit einiger Zeit beobachten wir konjunkturelle Alarmsignale, die uns beunruhigen
  • Immer mehr umsatzstarke Firmen gehen insolvent oder tilgen Forderungen erst spät
  • Unternehmenslenker müssen sich vor Domino-Effekten in Acht nehmen

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Auf den ersten Blick läuft 2017 doch sensationell! Mit der Wahl Emmanuel Macrons zum französischen Präsidenten scheint sich trotz anhaltender kontroverser Diskussionen wieder etwas mehr politische Stabilität in Europa abzuzeichnen, und global nimmt die langersehnte Konjunkturerholung langsam Fahrt auf.

Aber wie so oft lohnt der Blick hinter die Kulissen. Nach dem jüngsten Konjunkturbericht von Euler Hermes, „High Stake Games“, zeichnen sich unterschwellige Alarmsignale ab, die Unternehmen nicht ignorieren sollten: Weltweit wachsen Liquiditätsbestände in Unternehmensbilanzen auf Rekordniveaus, lange Forderungslaufzeiten belasten Geschäftsaktivitäten, und Insolvenzen von Firmen mit einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro steigen überproportional an.

Schon jedes einzelne Signal ist beunruhigend. In der Summe sind es ernst zu nehmende Herausforderungen für Unternehmen. Die Extremrisiken steigen, weil die Entwicklungen in den Regionen und Branchen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Besonders viele große Insolvenzen sehen wir beispielsweise im Einzelhandel und dem Dienstleistungssektor. Regional gesehen gibt es einen Schwerpunkt bei US-amerikanischen Einzelhändlern und Dienstleistern, aber auch Unternehmen in China und Brasilien sind betroffen.

Chinesische Unternehmen müssen mittlerweile durchschnittliche Forderungslaufzeiten von 89 Tagen überbrücken. Das ist sogar noch ein Tag mehr, als griechische Unternehmen im Durchschnitt auf ihr Geld warten müssen. Damit liegen diese Regionen deutlich über dem globalen Durchschnitt von 64 Tagen. Aber ganze neun Prozent aller Unternehmen weltweit leiden sogar unter durchschnittlichen Forderungslaufzeiten von mehr als vier Monaten.

Der kritische Funke springt schnell über

Dass die Zahl der Insolvenzen in diesem Umfeld nicht abnimmt, ist vor dem Hintergrund wenig verwunderlich. Aber es fällt auf, dass vor allem Unternehmen betroffen waren, denen man aufgrund ihrer Größe den notwendigen Atem in schwierigen Situationen am ehesten zugetraut hätte. Weltweit haben in den ersten drei Monaten diesen Jahres 74 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro Insolvenz angemeldet. Das sind 30 mehr als im ersten Quartal 2016. Auch regional zeichnen sich Spitzen ab: 25 europäische Konzerne mussten schließen, während es in den USA nur acht waren.

Diese Fakten sollten als Wake-up-Call bei jedem Unternehmenslenker ankommen. Denn eine Insolvenz, vor allem die eines bedeutenden Unternehmens, kann einen Domino-Effekt auslösen. Wenn Dienstleister in einer Wertschöpfungskette davon überrascht werden, können sie selbst in Schwierigkeiten geraten. Momentan stehen Unternehmen in Branchen wie dem Dienstleistungs- und Einzelhandelssektor durch den digitalen Wandel und veränderte Kundenbedürfnisse unter enormem Druck. Aber wie schnell könnte der Funke einer großen, unerwarteten Insolvenz über Zulieferer beispielsweise auch auf die Elektronik- oder die Textilbranche überspringen? Im Prinzip ist kein Bereich vor einem Flächenbrand sicher.

Rekordsummen auf Firmenkonten

Die große Unsicherheit drückt sich auch in den weltweiten Unternehmensbilanzen in immensen Liquiditätspositionen aus. Per Ende 2016 lag eine Rekordsumme in Höhe von sieben Billionen US-Dollar auf den Firmenkonten, den Finanzsektor nicht mitgerechnet. Die Summe entspricht fast 10 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes (BIP) und hat sich seit der Finanzkrise 2007 von 3,5 Billionen US-Dollar verdoppelt. Und das, obwohl das globale Wirtschaftswachstum in diesem Zeitraum zugenommen hat und damit die Cash-Maschinen ankurbeln sollte.

Der anhaltende Spartrend spiegelt die Unsicherheit der Firmen angesichts der verschiedenen globalen Risiken wider. Und auch hier gibt es in den verschiedenen Regionen und Branchen besondere Ausprägungen. Während US-amerikanische Unternehmen rund 30 Prozent in Barreserven halten, haben chinesische Unternehmen ihre Cashpositionen seit 2010 verdoppelt. Asiatisch-pazifische Firmen horten damit die höchsten Bargeldvolumina und halten 44 Prozent am weltweiten Liquiditätsbestand. In Westeuropa ist der Akkumulationstrend insgesamt nicht so stark ausgeprägt und verteilt sich uneinheitlich auf die verschiedenen Länder.

Trotzdem bleibt unter dem Strich festzuhalten: Die Chancen und Risiken in den einzelnen Ländern und Branchen müssen aus einer individuellen Unternehmensperspektive aufmerksam beobachtet werden. Denn am Ende ist nichts ist so, wie es zu sein scheint. Und oft schon gar nicht so sicher, wie man eigentlich dachte.

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Ron van het Hof
© Euler Hermes
Ron van het Hof

CEO, Euler Hermes Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH)

Ronald van het Hof (Jg. 1964) ist CEO der DACH-Region sowie Hauptbevollmächtigter der deutschen Niederlassung von Euler Hermes. Seit 2013 war van het Hof CEO der Euler Hermes World Agency, die globale Einheit, die das weltweite Versicherungsgeschäft für Großkonzerne verantwortet. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Versicherungsbranche. Vor seiner Tätigkeit bei Euler Hermes war er von 2007 bis 2013 als CEO der Allianz Niederlande tätig und verantwortete das Sach- und Lebensversicherungsgeschäft.

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