Gleichberechtigung im Job und Alltag: Warum halten sich Rollenbilder?

Frauen und Männer sind nach wie vor nicht gleichberechtigt – weder im Arbeitsleben, noch in der Gesellschaft oder vor dem Gesetz. Woran liegt das?

Mit Frauen im Vorstand kamen wir schneller voran

Dr. Claudia Lang
  • Frauen müssen sich offenbar bis heute stärker beweisen als Männer
  • Nicht Qualifikationen, sondern Vorurteile sind ein wesentliches Problem
  • In gemischten Gremien wird sachlicher diskutiert

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Kürzlich hat das Peterson Institute for International Economics in einer Studie herausgefunden, dass Frauen in Führungspositionen den Gewinn des Unternehmens begünstigen. Es ist nicht die erste Studie, die zu diesem Ergebnis kommt. In meinem Berufsleben habe ich schon mehrere Unternehmen als Vorständin in Europa vertreten – auch in Deutschland. Was mich wundert: Deutschland war das einzige Land, in dem eine Frau als Vorstand als etwas Außergewöhnliches wahrgenommen wurde. Doch die Einführung der Quotenregelung und nun diese Studie haben Unruhe in Deutschland ausgelöst – ein Umdenken ist im Gang.

Ein weiblicher Vorstand – das passt für viele nicht zusammen

Sicher, dass sich nun etwas bewegt, ist gut. Aber das Thema dieser Studie ist doch nicht wirklich das Thema, über das man reden muss. Müssen wir Frauen jetzt etwa beweisen, dass wir noch mehr beisteuern als eine rein männliche Besetzung des Vorstands? Das kann es doch nicht sein! Frauen sind selten in Führungspositionen vertreten – aber das ist keine Frage der Qualifikation.

Oft sind immer noch alte Vorurteile ein Grund dafür. Auf einer Versicherungskonferenz, an der Vorstände teilnahmen, sprach mich beim Dinner mein Sitznachbar an: „Ach, wie soll das bloß funktionieren, wenn Frauen früher von einer Vorstandssitzung gehen wollen, weil mit ihrem Kind etwas ist.“ Würde sich dieser Herr die Frage wohl auch bei einem Kollegen stellen?

Geht es um Neueinstellungen, haben manche Männer zudem das Bild eines beliebten Kollegen, so einen Klon ihrer selbst, im Kopf. Das nennt man auch den Stallgeruch. Viele Männer wollen in ihrem altbekannten Umfeld bleiben. Eine Frau könnte irritieren. Das sind unsichtbare Barrieren, die mir besonders in Deutschland auffallen.

Aber es geht auch anders: In Irland habe ich einige Jahre mit zwei weiteren Frauen und drei Männern im Vorstand gearbeitet. Die Zeit der Zusammenarbeit in der gemischten Gruppe war besonders positiv. Zum einen ist es natürlich ein Beweis, dass man für ein aufgeschlossenes Unternehmen arbeitet. Zum anderen neigen Frauen – zumindest nach meiner persönlichen Erfahrung – weniger zum Revierverteidigen. In einer gemischten Gruppe scheinen die Teilnehmer seltener von einer sachlichen Diskussion abzukommen. Die Vielseitigkeit der Denkmuster sorgt für Ausgleich und eine breitere Perspektive.

Frauen haben den nötigen emotionalen Abstand

Ich habe erlebt, dass Frauen auch in Krisenphasen häufig anders reagieren. Eine Freundin von mir ist als Chief Legal Counsel im Management eines Unternehmens tätig, das gerade vor dem Bankrott steht. Sie nimmt das Ganze relativ gelassen und bewahrt einen kühlen Kopf. Ihre männlichen Kollegen agieren dagegen wohl wesentlich aufgeschreckter.

Als ich meinen Vorstandsposten aufgab, um ein Start-up zu gründen, ging es mir ähnlich. Ich stand voll im Risiko. Trotzdem habe ich innerlich Abstand bewahrt. Ich ließ mich nicht durch die Angst plagen, dass ich am Ende ohne einen Job dastehen könnte.

Obwohl ich es nicht wissenschaftlich belegen kann, vermute ich, dass Frauen mehr emotionalen Abstand wahren, weil sie meist vollumfänglicher als der Mann die „Doppelbelastung“ der Familie tragen. Sie sehen dadurch eher über den Tellerrand der Arbeitswelt hinaus. Aber eine Führungsposition muss es auf jeden Fall erlauben, Karriere und Privatleben unter einen Hut zu bringen – das gilt für Frauen wie für Männer gleichermaßen.

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Dr. Claudia Lang
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Dr. Claudia Lang

Gründerin und Geschäftsführerin, Community Life

Dr. Claudia Lang (Jg. 1960) ist Gründerin und Geschäftsführerin der Versicherungs-Community Community Life. Die aus Kanada stammende promovierte Rechtsanwältin arbeitete im Management von verschiedenen internationalen Lebensversicherern – darunter in leitenden Positionen bei der Prudential-Gruppe in Großbritannien und als Vorstandsmitglied der Canada Life Europe. Als sie 2003 nach Deutschland zog, war sie als weibliches Vorstandsmitglied in der hiesigen Versicherungsbranche eine Rarität.

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