Für eine Seite des Handels ist die Realität äußerst tragisch, auch hier in der Schweiz: Bereits heute haben die hiesigen Umsätze der fünf größten Onlineshops die der fünf größten Einkaufscenter überholt. Die Konsequenz: viele Ladenschließungen oder leer stehende Flächen in den Schweizer Städten und Dörfern. Die Gewinner sind der Onlinehandel und leider auch die ausländischen Anbieter, welche sich in der Regel nicht immer an die bei uns geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen halten (müssen).
Und trotzdem: Schuld an den Abflüssen der Umsätze im Schweizer Retail sind weder der Onlinehandel noch die deutschen Händler nahe der Grenze. Am Ende des Tages bestimmt schließlich der Kunde, wo er einkauft, und genau dieser Fakt ist entscheidend. Durch das veränderte Angebot an Beschaffungskanälen jeglicher Art verschieben sich die Opportunitäten für die Konsumenten. Weshalb einen Samstagnachmittag investieren, um in der Stadt eine passende Jeans oder Turnschuhe zu finden, wenn eine Bestellung innerhalb kürzester Zeit bei einem Onlinehändler getätigt werden kann? Die gewonnene Zeit kann man auch gut für seine Familie oder andere Tätigkeiten einsetzen. Dieser Trend ist aus meiner Sicht unumkehrbar.
Die große Frage ist: Was machen Städte, um die Attraktivität in den Zentren hochzuhalten? Schließlich gehen durch die Ladenschließungen auch viele Stellen und Steuereinnahmen verloren.
Wie also bringe ich Kunden in mein Geschäft?
Es reicht nicht, wenn jeder einzelne Händler für sich Promotions und Events veranstaltet. Die Aufmerksamkeit für die einzelne Maßnahme ist zu gering. Stattdessen sollten Ladenbesitzer ihre Kräfte bündeln. Auch die Städte selbst müssen mehr Verantwortung für ihre Zentren übernehmen, um diese als Ganzes zu vermarkten. Denn damit Konsumenten ihre Zeit dort verbringen, müssen die Innenstädte an Attraktivität gewinnen.
Allein den Stadtkern als „Shopping-Area“ zu gestalten und anzupreisen ist allerdings zu wenig. Kultur, verkehrsfreie Begegnungszonen, Spielplätze, Events und weitere Anreize sind gefragt. Ob der Kunde ein T-Shirt kauft oder mit seiner Familie den Spielplatz mit angrenzendem Café besucht, sollte nicht entscheidend sein. Hat man Spaß und geht zufrieden nach Hause, kommt man auch wieder – und gibt sein Geld schließlich in Läden, der Gastronomie oder für andere Angebote aus.
Wir brauchen Events, die Menschen zusammenbringen
Die Stadt Chur hat aus meiner Sicht den richtigen Weg eingeschlagen. Die Verantwortlichen dort sind bemüht, ihre Stadt als Ganzes zu vermarkten – sowohl als Shoppingdestination als auch im Hinblick auf Kultur und Touristik. Ähnliches geschieht in Biel, wo am sogenannten First Friday die Bieler Altstadt Einwohner der Region nicht nur zum Shopping lockt, sondern ihnen in einem einzigartigen Ambiente auch Kunst, Kultur und Spaß bietet. Natürlich ist dies nicht die alleinige Lösung des Problems. Aber genau solche Anlässe bringen Menschen zusammen und bieten die Möglichkeit, Neues oder Altbekanntes zu entdecken.
Dass alle an einem Strick ziehen, ist jedoch äußerst schwierig. Viele unterschiedliche Interessen treffen aufeinander. Rahmenbedingungen müssen geändert werden. Es braucht Mut, neue Ideen umzusetzen. Und auch kompetente Personen sind gefragt, welche sich der Vermarktung annehmen.
Denn eins ist klar: Wenn wir nichts unternehmen, werden unsere Innenstädte veröden. Und der Schaden für die Allgemeinheit wird groß sein.
Diskutieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser: Glauben Sie, dass der klassische Einzelhandel gegenüber der Online-Konkurrenz bestehen kann? Oder werden unsere Innenstädte bald ohne Shopping-Möglichkeiten auskommen müssen?
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