Wie soll die Digitalstrategie für Deutschland aussehen?

In CDU und CSU wird derzeit diskutiert, wie eine schnellere und erfolgreiche Digitalisierung gelingen kann: Brauchen wir beispielsweise auch weiterhin so strenge Datenschutz-Regeln wie die DSGVO?

Nur mit einer gelockerten DSGVO bleiben wir wettbewerbsfähig

Dr. Albert M. Geiger
  • Die Anonymisierung von Daten ist aufwendig und teuer
  • KI muss regelmäßig mit enormen Datensätzen gefüttert werden
  • Drei Viertel sagen, die DSGVO sei die größte Hürde für neue Technologien

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Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird von der Regierung als europäisches Vorzeigeprodukt vermarktet – die DSGVO sei, so der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber, „zu einem Benchmark für neue Datenschutzgesetze auf der ganzen Welt“ geworden. Fakt ist aber auch, dass unsere Unternehmen aufgrund der DSGVO nur dann Daten sammeln und auswerten dürfen, wenn es dafür einen konkreten Grund gibt. Und damit sind wir in Deutschland und Europa gegenüber dem Rest der Welt in zwei Bereichen im Nachteil.

Der erste Bereich sind die zukunftsträchtigen digitalen Technologien. Gerade im Mobilitätssektor sind viele Geschäftsmodelle datengetrieben, momentan tüfteln die Autobauer weltweit an autonomen Fahrzeugen. Diese aber basieren nicht zuletzt auf dem Einsatz von Kameras, die die Umgebung erfassen, um die Orientierung zu gewährleisten. Was soll mit diesen Daten passieren? Man könnte sie als Grundlage für Testläufe verwenden, doch dafür müsste man sie – gemäß den Vorgaben der DSGVO – zunächst anonymisieren. Das mag aus Datenschutzgründen eine feine Sache sein, grundsätzlich aber wäre es erst einmal ein aufwendiger und teurer Zwischenschritt – und unsere Autobauer hätten damit einen deutlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren Konkurrenten in China oder den USA.

Kampf gegen Krebs ohne Daten nicht zu gewinnen

Doch nicht nur unsere Autos der nächsten Generation müssen mit Unmengen an Daten gefüttert werden, um von den neuen Technologien wie 5G profitieren zu können. Auch wem Autos herzlich egal sind, kommt in den nächsten Jahren nicht am Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin vorbei.

Bioinformatiker versprechen sich von ihr gewaltige Fortschritte im Kampf gegen Krebs. Denn jeder Tumor ist einzigartig. Ein entsprechendes KI-Tool könnte die erfassten Messdaten richtig zuordnen und damit die Therapievorhersagen deutlich verbessern. Doch dafür braucht man Erfahrungswerte – also Unmengen an Fremddaten, denn KI muss regelmäßig mit enormen Datensätzen gefüttert werden, um dazuzulernen. Darunter müssten sich dann zwangsläufig auch personenbezogene Daten befinden.

Der Kampf gegen Krebs oder Demenz wird also ohne Daten und die mit ihnen trainierte KI „nicht zu gewinnen sein“ – darauf wies im September der Bundesvorstand der CDU in seiner „Digitalcharta“ hin, die, ganz richtig, „weg vom Grundsatz der Datensparsamkeit und hin zur Datensouveränität“ will. Dafür aber müssten entsprechende Informationen im Gesundheitssystem über offene Schnittstellen frei fließen können, was im derzeitigen DSGVO-Rahmen gar nicht möglich wäre.

Mittelständler fühlen sich ausgebremst

Doch wir müssen gar nicht in die digitale Zukunft schweifen, denn der zweite Bereich, in dem die DSGVO zum Stolperstein geworden ist, betrifft das Alltagsgeschäft unserer Mittelständler. In der Praxis fühlen sich viele Unternehmen laut einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom nämlich zunehmend von den Datenschutzregeln ausgebremst. So sehen drei von vier Unternehmen (74 Prozent) Datenschutzanforderungen als die größte Hürde beim Einsatz neuer Technologien. Momentan wird einfach noch immer viel zu viel Zeit für die Beschreibung der Zweckmäßigkeit der zu erhebenden Daten aufgewendet, oft muss für die Umsetzung der DSGVO-Richtlinien auch mehr Geld investiert werden, als viele eingeplant hatten.

Wir werden also um eine Lockerung, zumindest aber eine Anpassung der DSGVO gar nicht herumkommen. Etwa indem wir personenbezogene Daten über offene Schnittstellen frei fließen lassen können – das würde jedoch nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Bürger die Kontrolle über ihre Daten verlieren. Im Gegenteil, man könnte die Option einräumen, Teile der eigenen Daten zur Nutzung freizugeben – etwa für die medizinische Forschung.

Letztendlich geht es darum, die richtige Balance zwischen Datenschutz und innovativen Anwendungen zu finden, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht unnötig einschränken wollen.


Diskutieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser! Sollten wir für die Unternehmen Datenschutzregeln lockern? Wir freuen uns auf lebhafte Debatten!

Veröffentlicht:

Dr. Albert M. Geiger
© Alphazirkel
Dr. Albert M. Geiger

Managing Partner, Alphazirkel

Albert Geiger (Jg. 1968) hat in Würzburg, Frankfurt und den USA Betriebswirtschaft studiert sowie an der European Business School, Oestrich-Winkel, promoviert. Er ist Managing Partner von Alphazirkel, einem Netzwerk für Familienunternehmen aus ganz Deutschland, sowie einer der Inhaber der Geiger&Mach Group GmbH. Vor deren Gründung arbeitete Geiger zehn Jahre bei der Gruppe Deutsche Börse in den Strategie- und M&A-Abteilungen.

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