Bedrohen TTIP und CETA unsere Demokratie?

Das Freihandelsabkommen CETA kann vorläufig in Kraft treten. Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Donnerstag Eilanträge von über 200.000 Klägern ab. Die Kritiker wollen jedoch weiterkämpfen.

Dr. Josef Braml
  • Die Freihandelsabkommen sind vor allem als Geopolitik zu verstehen
  • Die USA versuchen zu verhindern, dass China mehr Einfluss gewinnt
  • Die Europäer sollten sich auf dieses neue Feindbild der USA einstellen

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Wenn die USA wirklich Freihandel fördern wollen, dann sollten sie mithelfen, das global verbindliche Regelwerk der Welthandelsorganisation (WTO) weiterzuentwickeln, und damit aufhören, mit bilateralen und megaregionalen Abkommen diese multilaterale Ordnung zu fragmentieren. Wer nach dem Motto des römischen Imperiums („Divide et impera“) die Welt in Blöcke teilt, um sie besser beherrschen zu können, betreibt nicht Freihandel, sondern Machtpolitik.

Die USA versuchen zu verhindern, dass China durch seine Währungs- und Handelspolitik mehr Einfluss gewinnt. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und die für die USA viel wichtigere Transpazifische Partnerschaft (TPP) sind nicht nur als Freihandelsabkommen zu bewerten, sondern vielmehr als Geopolitik zu verstehen. Denn davon profitieren nur die beteiligten auf Kosten der ausgeschlossenen Staaten.

Die Pax Americana hat ihren Preis

Mit ihrer Initiative der Transpazifischen Partnerschaft, die sich explizit nicht an China richtete, haben die USA auf dessen Bemühungen reagiert, die Region Asien in eine Wirtschaftsgemeinschaft zu integrieren. China antwortete wiederum auf die Ausgrenzungsversuche der USA, indem es seinerseits mit der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) ein Forum gründete, zu dem die zehn Asean-Staaten sowie Australien, China, Indien, Japan, Südkorea und Neuseeland, nicht jedoch die USA gehören sollen.

Das stärkste Argument der USA, mit dem sie Länder wie Japan dazu bewegen konnten, sich gegen ihre wirtschaftlichen Interessen mit China zu entscheiden und sich der amerikanischen Initiative anzuschließen, die China außen vor lässt, war der Schutzschild der USA. Doch die Pax Americana hat ihren Preis: Insbesondere Südkorea, Japan und Australien, die den militärischen Schutz der USA gegenüber China in Anspruch nehmen, müssen dafür Tribut zollen, indem sie in der Handelspolitik ihre Interessen hinsichtlich guter Beziehungen mit dem Reich der Mitte preisgeben und vor allem auch amerikanische Rüstungsgüter kaufen.

Die Geoökonomie der USA ist der Haupttreiber eines neuen globalen Rüstungswettlaufs, der immer mehr in Asien und im pazifischen Raum ausgetragen wird. Die Freunde der USA in Asien und im Pazifik werden mit neuen Sicherheitsvereinbarungen und Waffenlieferungen gegen den möglichen Aggressor China aufgerüstet.

US-Konzerne lenken die Politik

Chinas wirtschaftlicher Aufstieg, das damit einhergehende militärische Wachstum und sein martialisches Auftreten in der Region bestätigen wiederum die Geostrategen in den USA, dass das Reich der Mitte Böses im Schilde führt und die „Transformation“ und Modernisierung der amerikanischen Streitkräfte forciert werden müssen. Denn nur durch die Überlegenheit der USA, nicht zuletzt durch neue zunehmend entmenschlichte, weil autonome Waffensysteme, könne der Rivale abgeschreckt werden.

Europa, allen voran die europäische Führungsmacht Deutschland, sollte sich im eigenen Interesse auf das immer deutlicher werdende Feindbild der USA einstellen. Besonders gefährlich wird es für die USA, wenn die Chinesen und Europäer durch ihre Wirtschafts-, Handels- und Währungspolitiken weiterhin die Dominanz des Dollar schwächen und damit das Wirtschaftsmodell der Weltmacht herausfordern sollten, das auch Grundlage ihrer militärischen Stärke ist. Die davon am meisten betroffenen US-Konzerne, insbesondere der Militärindustrie, werden nicht zögern, den politischen Betrieb in Washington in ihrem Sinne zu beeinflussen und auf eine härtere internationale Gangart einzustimmen.

Ginge es um irgendein anderes Land, dann könnte das den Europäern egal sein. Aber es geht um die Weltmacht USA, den wichtigsten sicherheitspolitischen Verbündeten Europas, der weiterhin mit aller Gewalt, weicher und harter Macht, versuchen wird, die Welt nach seinen Interessen zu ordnen.

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Dr. Josef Braml
© DGAP
Dr. Josef Braml

USA-Experte, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und konnte zuvor als Mitarbeiter renommierter amerikanischer Politikberatungsinstitute und im Kongress der USA die Entscheidungsträger und Meinungsführer im Machtgefüge der amerikanischen Politik und Wirtschaft nah beobachten. Er ist Autor des Buches „Trumps Amerika. Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er zudem über seinen Blog „Der USA-Experte“.

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