Wie sinnvoll ist es, das Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 zu verlängern?

Die Regierung hat beschlossen, die Regeln zum erleichterten Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 zu verlängern. Ist das das richtige Signal in der Coronakrise?

Was bedeutet Kurzarbeit für Nebenjob, Urlaub und Elterngeld?

Christin Herken
  • Hundertausende Betriebe haben wegen Corona Kurzarbeitergeld beantragt
  • Für viele Arbeitnehmer stellen sich damit existenzielle Fragen
  • Wie berechnen sich nun Dinge wie Nebenverdienst und Elterngeld?

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Aufgrund der derzeitigen Corona-Krise ordnen immer mehr Unternehmen Kurzarbeit an. Ich möchte vor allem auf vier Aspekte eingehen, von denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen sind, die aktuell in Kurzarbeit sind.

1. Welche Auswirkungen hat Kurzarbeit auf die Sozialversicherungsbeiträge?

Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Für 80 Prozent des durch die Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitsentgelts (sogenanntes Fiktiventgelt) hat der Arbeitgeber auch weiterhin Sozialabgaben für den Arbeitnehmer an die Renten-, Kranken-, und Pflegeversicherung abzuführen. Diese Kosten trägt der Arbeitgeber alleine, ein Arbeitnehmeranteil wird in der Kurzarbeit nicht fällig. Nach der aktuellen „Corona-Gesetzeslage“ werden dem Arbeitgeber diese Beiträge vollumfänglich von der Agentur für Arbeit zurückerstattet.


Sehen Sie auch hier das Video-Interview mit Christin Herken zum Thema Kurzarbeitergeld.


2. Darf ich während der Kurzarbeit etwas dazuverdienen?

Wer schon vor der Kurzarbeit einem Nebenjob nachging, darf das dazuverdiente Geld behalten, zusätzlich zum ausgezahlten Kurzarbeitergeld. Wird ein Nebenjob aber erst nach Beginn der Kurzarbeit angetreten, wird der Hinzuverdienst grundsätzlich auf das Kurzarbeitergeld angerechnet.

Ein Beispiel: Arbeitnehmer A hat keine unterhaltpflichtigen Kinder und hat normalerweise ein Nettoentgelt in Höhe von 3000 Euro. A geht nun komplett in Kurzarbeit („Kurzarbeit Null“). Seine Nettoentgeltdifferenz beträgt also 3000 Euro (3000 Euro – 0 Euro tatsächliches, reduziertes Entgelt). Auf diese Nettoentgeltdifferenz erhält A jetzt den Leistungssatz von 60%, das macht 1800 Euro Kurzarbeitergeld. Hat A schon vorher zum Beispiel an der Tankstelle 400 Euro dazuverdient, darf er das Geld zusätzlich zu den 1800 Euro behalten. Macht in Summe 2200 Euro.

Nimmt A aber erst jetzt, nach Beginn der Kurzarbeit einen 400-Euro-Nebenjob an, werden die 400 Euro dem tatsächlichen, reduzierten Einkommen von 0 Euro grundsätzlich hinzugerechnet. Im Beispiel: 3000 Euro eigentliches Nettoentgelt minus 400 Euro tatsächliches Nettoeinkommen (aus dem Nebenjob) ergibt eine Nettoentgeltdifferenz von 2600 Euro. Hierauf den Leistungssatz 60 Prozent angewendet, ergibt 1560 Euro Kurzarbeitergeld. A erhält also in diesem Fall 1560 Kurzarbeitergeld plus 400 Euro Nebenverdienst, insgesamt 1960 Euro. Dem A „verbleiben“ aus seinem 400- Euro Nebenjob quasi nur 240 Euro.

Achtung - wichtige „Corona-Ausnahme“: Nebenverdienste in sogenannten systemrelevanten Berufen (zum Beispiel in der Pflege) bleiben anrechnungsfrei. Das heißt, der Nebenverdienst bleibt voll erhalten, auch wenn der Nebenjob erst nach Beginn der Kurzarbeit angetreten wurde. Wer also während der Kurzarbeit einer weiteren Tätigkeit nachgehen möchte, sollte dies nach Möglichkeit in einem systemrelevanten Beruf tun.

3. Was bedeutet das für den Urlaub?

Hat der Arbeitnehmer bereits Urlaub beantragt und wurde dieser auch vom Arbeitgeber bestätigt, bleibt der Urlaub bestehen und kann nach überwiegender Rechtsauffassung nicht wieder gestrichen werden. Möchte ein Arbeitnehmer noch offene Urlaubstage im Kurzarbeiterzeitraum nehmen, kann er dies tun. Wichtig ist: Ein Arbeitnehmer erhält immer sein übliches Urlaubsentgelt, auch wenn der Urlaub in die Kurzarbeit fällt. Das Urlaubsentgelt entspricht dem regelmäßigen, normalen Gehalt. In der Phase, in der Kurzarbeit besteht, hat der Arbeitnehmer allerdings keinen Anspruch darauf, neue Urlaubsansprüche zu generieren.

Wird für einen Arbeitnehmer mit 30 Tagen Urlaub im Jahr für zwei Monate Kurzarbeit Null angeordnet, fallen von den ursprünglichen 2,5 Tagen Urlaub pro Monat fünf in die Kurzarbeiterzeit. Diese fünf Tage können vom Arbeitgeber abgezogen werden, entsprechend besteht für den Arbeitnehmer nur noch ein Urlaubsanspruch von 25 Tagen.

4. Wie wirkt sich Kurzarbeit auf das Elterngeld aus?

Das Kurzarbeitergeld hat aktuell extreme Auswirkungen auf das Elterngeld. Das Elterngeld bemisst sich anhand eines Zeitraums von zwölf Monaten vor Geburt des Kindes. Für werdende Eltern, die ihr Kind erst in einigen Monaten bekommen und bis dahin noch eine Zeit lang das niedrigere Kurzarbeitergeld beziehen, ein enormer Nachteil.

Daher mein Appell an alle Arbeitgeber: Bitte versuchen Sie, werdende Eltern aus der Kurzarbeitergeldvereinbarungen herauszunehmen. Dies gilt besonders für Frauen, die sich bereits im Beschäftigungsverbot befinden. In diesem Fall bekommt der Arbeitgeber die Zahlungen vollumfänglich über das Umlageverfahren zurückerstattet. Viele Tarifverträge nehmen schwangere Frauen aus der Kurzarbeit heraus, um diese nicht zu diskriminieren. Die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hat vorgeschlagen, das Gesetz zeitnah zu ändern, um werdende Eltern durch die Kurzarbeit nicht zu benachteiligen. Diese Änderungen sind geplant, aber aktuell noch nicht umgesetzt.


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