Harry & Meghan: Was können wir von der Emanzipation des Paars lernen?

Wenn Kinder aus familiären Strukturen ausbrechen, löst das oft heftige Reaktionen aus – nicht nur bei den britischen Royals. Welche Parallelen gibt es zwischen Familien- und Arbeitswelt?

Wer nur auf die Eltern hört, geht nie seinen eigenen Weg

Frank Behrendt
  • Harry und Meghan wollen nicht das werden, was ihre Familie von ihnen erwartet
  • Damit haben sie mein Verständnis und meinen Respekt
  • Treten Sie nie in die Fußstapfen Ihrer Eltern! Machen Sie eigene Erfahrungen

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Traurige Nachrichten erreichen uns in diesen Tagen von den britischen Inseln: Nach dem Brexit steht uns nun offenbar der Megxit bevor. Prinz Harry und Gattin Meghan, so liest man, wagen es, mit den Traditionen der Königsfamilie zu brechen. Kurz gesagt wollen sie künftig ihr eigenes Ding durchziehen. Um ehrlich zu sein: Ich kann das gut verstehen. Denn ich habe gelernt: Der eigene Weg hat selten etwas mit den Vorstellungen der eigenen Familie zu tun.

Bevor ich das weiter ausführe, möchte ich an dieser Stelle mal betonen: Ich finde meine Eltern großartig. Sie haben mir eine wunderbare Kindheit beschert und mich verantwortungsvoll aufs Leben vorbereitet. Bei uns wurde immer viel diskutiert, es gab zu allen Lebensbereichen Impulse und für viele Dinge wertvolle Ratschläge. Nur in einem Feld habe ich nie auf meine Eltern gehört - und darüber bin ich extrem froh: dem Beruf.

Ich bin sicher, ich bin nicht die oder der einzige, für den ihre oder seine Eltern bestimmte Vorstellungen hatten, was sie einmal werden sollten. Meine Mutter hätte mich gerne als Diplomaten gesehen. Warum? Weil wir während unseres Aufenthaltes in Brasilien viel Kontakt mit Botschaftsangehörigen hatten und meine Mutter deren Job spannend fand. “In der Welt herumreisen und Brücken bauen, das ist doch was für dich”, bekam ich des öfteren zu hören. Mein Vater, ein Lehrer, wollte zum Glück nicht, dass ich in seine Fußstapfen trete. Sein eigener Vater war da anders gewesen, den Traumberuf meines Vaters - Architekt - fand er nicht passend, also hatte der Sohn wie er Lehramt zu studieren. Mein Vater wurde ein guter Lehrer, der seine Schüler inspirierte und der sein ganzes Leben lang die Vermittlung von Bildung als etwas wunderbares empfand. Aber insgeheim ließ er oft durchblicken, dass er im nächsten Leben doch lieber seinem Traum folgen würde.

Mein Vater spürte früh, dass ich ein Händchen für das Schreiben hatte. Das hat ihm gefallen und so legte er mir irgendwann eine Ausschreibung der Deutschen Journalistenschule in München auf den Schreibtisch. Im Rahmen eines Wettbewerbs wurden die talentiertesten Nachwuchsjournalisten gesucht, die sich für eine Ausbildung an der renommierten Kaderschmiede bewerben durften. “Hilfe für Alte” lautete das Thema, ich habe die Aufgabe erfüllt und auch das spätere Assessment-Center überstanden.

Mein Vater sah mich schon an jedem Sonntag als ehrbaren Journalisten im “Internationalen Frühschoppen” in der ARD parlieren, eine seiner Lieblingssendungen im TV. Ich wollte aber gar nicht Journalist werden, habe die Ausbildung nur gemacht, weil ich damals auch keine andere Idee hatte, was ich sonst hätte werden sollen. Winnetou war schließlich kein Berufsbild.

Mein Onkel Hans, der Bruder meines Vaters, war Manager. Sehr erfolgreich verkaufte er für seine internationalen Arbeitgeber High-Tech-Röntgengeräte. Er führte ein Leben, das ich damals für sehr erstrebenswert hielt. Manager wollte ich fortan auch sein. Wo, war mir eigentlich egal, einen Firmenwagen und ein nettes Gehalt waren mir seinerzeit wichtiger. Ich sah eine Anzeige des Düsseldorfer Waschmittelherstellers Henkel und bewarb mich als Redakteur in der Stabsstelle Unternehmenskommunikation. Erstes Vorstellungsgespräch und ich wurde direkt genommen. Bingo. Einen Firmenwagen bekam ich natürlich nicht, aber regelmäßig kostenfrei Persil-Packungen. Meine Mutter war begeistert. Henkel kannten meine Eltern und es war für sie klar, dass “der Junge” jetzt beruflich bis zur Rente sicher war in diesem großartigen und soliden Traditionsunternehmen.

Ich fand es da auch nett und habe viel gelernt, aber nach einiger Zeit stellte ich fest, dass ich auf meine Beförderung so lange würde warten müssen, bis mein Kollege in Rente ging. Und das dauerte nach meiner Rechnung locker mindestens 25 Jahre. Zu lange für mich, denn den per Ratenkauf erworbenen Ford Fiesta wollte ich schließlich nicht ewig fahren. Also schaute ich an einem Samstag in die FAZ. Nur eine Anzeige faszinierte mich: “Ungewöhnlicher Job für ungewöhnlichen Typen.” Sie stammte von Stein Promotions, einer der führenden Verkaufsförderungsagenturen. Zwar hatte ich von dem Business überhaupt keine Ahnung, aber ein ungewöhnlicher Typ war ich schon, fand ich.

Außerdem hatte ich Mut. Also sprang ich. Der Job war ein absolutes Himmelfahrtskommando, denn die Position, die es zu besetzen galt, wurde nur deshalb frei, weil sich der Geschäftsführer der Düsseldorfer Agenturfiliale mit nahezu allen Mitarbeitern und Kunden in die Selbstständigkeit verabschiedet hatte. Eine Auszubildende und ein Finanzer waren noch da - und diverse Firmenwagen. Richtig schicke Audi Quattros. Ich war angekommen - ich hatte endlich einen Firmenwagen. Als ich meinen Eltern von der Kündigung bei Henkel und meinem neuen Job berichtete, fielen sie fast in Ohnmacht. Sie hielten mich schlicht für komplett verrückt.

Ich habe meinen Eltern wohlweislich verschwiegen, dass die Agentur am Abgrund stand und ich ganze sechs Monate für einen Turnaround hatte. Dafür kutschierte ich zur Feier des Tages meine Eltern erstmals im Audi Quattro durch den Ort zum Café Brüning. Beeindruckt hat es sie nicht, aber dass ich für den Wagen nichts selbst bezahlen musste, fand mein Beamten-Vater dann doch respektabel für einen 26-Jährigen. Mit Kreativität und Mut brachten mein Kollege, die Auszubildende, ein paar Freelancer und ich die schlingernde Agentur dann wieder auf Kurs. Gerettet wurden wir übrigens von Mars in Viersen. Mit der Idee “Schon lange träumt die Haselnuss vom Mars” haben wir damals beim Pitch überzeugt und eine originelle Sales-Promotion zur Einführung von Mars Haselnuss gestartet.

Wenn ich heute daran zurückdenke wundere ich mich schon ein wenig über mich selbst. Dass ich den Mut hatte, einfach den Schritt in ein Berufsfeld zu wagen, von dem ich nichts verstand. Andererseits hatte ich nichts zu verlieren: Im größten Worst-Case-Szenario hätte ich eben wieder Fahrräder an der Nordseeküste vermietet, damit hatten mein Bruder und ich es als Jugendliche immerhin zu beträchtlichem Teenie-Wohlstand als Jungunternehmer gebracht.

“Mit Mut, Leidenschaft und Ideen kannst du alles schaffen”, hatte mein Onkel mir mal gesagt und ich habe es immer geglaubt und gelebt. Noch heute. Und um auf mein Anfangsthema, den „Megxit“ zurückzukommen: Irgendwie glaube ich, dass auch Harry und Meghan den Neustart schaffen können. Was auch immer sie machen werden, wie anstrengend es auch womöglich wird. Und irgendwann werden sich auch die anderen Royals daran gewöhnen.

Auch meine Eltern haben sich dann zum Glück jedes Mal etwas weniger erschreckt, wenn ich mal wieder die Branche wechselte. Ich landete in der Musikbranche, später beim Privat-TV-Sender RTL und schließlich in der Welt der PR- und Kommunikationsagenturen. Es hat mir überall Spaß gemacht, etwas zu verändern und meine Ideen umzusetzen. Vor allem habe ich bei jeder Station wunderbare Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getroffen und eingestellt. Ohne sie hätte ich nie etwas erreicht, mit ihnen gemeinsam alles. “Du bist dann richtig gut, wenn du die besten im Team hast”, hatte mir mein Onkel Hans eine weitere seine Weisheiten mit auf den Weg gegeben.

Mit meiner Mutter, die vor einigen Monaten ihren 85. Geburtstag feierte, sprach ich über meine eigenen drei Kinder. Ob ich sie nicht in eine berufliche Richtung lenken wollte, fragte sie mich. Ich lachte nur und erklärte ihr, dass sie es selbst bei mir auch nicht geschafft habe. Zudem haben alle meine drei Kinder einen starken Willen und sind mit einem entsprechenden Selbstbewusstsein ausgestattet. Holly, meine jüngste Tochter erklärt mir regelmäßig, dass sie später mal auf einer Bühne stehen wird, um die Leute zum Lachen zu bringen. Meine Mutter lacht dann immer gütig. Ich weiß aber, dass meine kleine Power-Tochter das absolut ernst meint. Und ich werde einen Teufel tun, ihr das auszureden. Ich wünsche Archie, dem kleinen Söhnchen von Meghan und Harry, dass er später auch mal das machen und werden kann, was ER will.

Veröffentlicht:

Frank Behrendt
© John M. John
Frank Behrendt

Senior Advisor, Serviceplan Public Relations & Content GmbH & Co. KG

Frank Behrendt (Jg. 1963) war von 2011 bis 2016 Vorstand der fischerAppelt AG. Seit 2016 ist er als Senior Advisor tätig, zunächst für fischerAppelt, seit 2017 für die Serviceplan Public Relations & Content GmbH & Co. KG. 2015 sorgte er mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man lockerer durchs (Berufs-)Leben kommt“ für Aufsehen. 2016 kam sein Buch „Liebe dein LEBEN und NICHT deinen Job“ (Gütersloher Verlagshaus) auf den Markt. Er ist ein gefragter Referent zur Zukunft der Arbeit.

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