Wovon sollen wir im Alter wirklich leben können?

Die Angst vor Altersarmut ist ein Dauerthema, besonders vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Über das richtige Rentenkonzept streiten Politiker sowie Experten. Welches ist zukunftsweisend?

Wie einseitige Politik Deutschlands Zukunft zerstört

Dr. Hubertus Porschen
  • Im Wahlkampf konzentrieren sich Parteien auf die stärkste Gruppe: die Rentner
  • Mehr Fokus sollte auf Berufsanfängern liegen, sie stützen unser Rentensystem
  • Lohnnebenkostenbremsen müssen ins Grundgesetz aufgenommen werden

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In den Parteizentralen ist man auf Zack. Die demografische Entwicklung des Landes ist längst bekannt. Man hat sich – logisch – für besondere Zuwendungen die zahlenmäßig stärkste und bei der Wahlbeteiligung aktivste gesellschaftliche Gruppe herausgesucht: Rentnerinnen und Rentner. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird in zehn Jahren auf fast ein Drittel ansteigen. Schon heute sind 56 Prozent der Wähler über 50, sehr bald über 60. Zudem liegt die Wahlbeteiligung bei den 60- bis 70-Jährigen in unserem Land bei fast 80 Prozent und ist damit deutlich höher als beispielsweise bei den 21- bis 30-Jährigen, die eine Wahlbeteiligung von 60 Prozent vorweisen. Wäre ja idiotisch, nicht die „Alten“ zu umgarnen! Zielgruppenspezifischer Wählerfang scheint höchst attraktiv zu sein. Was vergessen wird: Die Leidtragenden sind die Jungen.

Aus meiner Sicht ist es höchste Zeit, beim Thema Rente weniger über den 60-jährigen Facharbeiter und mehr über die 21-jährige Berufsanfängerin zu reden. Denn sie ist es, die das künftige Rentensystem stützt und bei der eigenen Altersvorsorge größten Herausforderungen gegenübersteht. Deshalb halte ich es für absolut notwendig, „Generationengerechtigkeit“ ins Grundgesetz aufzunehmen, eine „Lohnnebenkostenbremse“ einzuführen und das gesetzliche Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Es gibt gar Forderungen, angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land der jungen Generation bei Wahlen zwei statt einer Stimme einzuräumen, um die nummerische Unterlegenheit gegenüber der älteren Generation auszugleichen. Ein radikaler, aber notwendiger Ansatz, sollte die Verteilung der Wahlgeschenke so einseitig bleiben. Zunächst einmal geht es aber darum, überhaupt die junge Generation zum Wählen zu motivieren, ihr politisches Selbstbewusstsein zu stärken. Hierbei gibt es gegenüber den Älteren viel aufzuholen. Mit unserer Kampagne „Germany’s next Bundeskanzler/in“ möchten wir zeigen, dass sich politisches Engagement für die junge Generation auszahlt. Auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend möchten mit Kampagnen den jungen Menschen sagen: Geht wählen! Die Politik muss begreifen, dass es sich lohnt, die Jugend im Blick zu haben.

Warum die Gesamtheit wichtiger ist als die Stammwähler

Stattdessen gab’s bisher Wahlgeschenke für Rentner. Egal, ob die abschlagsfreie Rente mit 63, die Rentenangleichung Ost/West, die Mütterrente oder die Stabilisierung des Rentenniveaus. Große Profiteure der von der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode vorgenommenen Rentenmaßnahmen sind die Rentner beziehungsweise diejenigen, die in den nächsten Jahren in Rente gehen werden. Das wäre dann die sogenannte Babyboomergeneration mit den Geburtenjahrgängen zwischen 1956 und 1965. Eine Generation also mit mehrheitlich geschlossenen Erwerbsbiografien und mit besseren Rahmenbedingungen, um Geld für das Alter anzusparen. Die Zinslage seinerzeit war eine völlig andere als heutzutage. Es ist zudem eine Generation, die deutlich weniger Kinder zur Welt brachte als die davor. Mit gravierenden Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität der umlagefinanzierten sozialen Sicherungssysteme wie die Rente. Nach Prognosen des Bundesarbeitsministeriums werden die Rentenausgaben im Jahr 2045 auf 784 Milliarden Euro ansteigen. Das ist nahezu das Dreifache gegenüber den aktuellen Ausgaben. Von derzeit knapp 80 Milliarden wird der Steuerzuschuss dann 177 Milliarden Euro betragen. Gezahlt von immer weniger Jungen für immer mehr Ältere. Politiker sollten gerade in solchen Situationen den Mut haben, für das Gemeinwohl auch gegen die Stammwählerschaft zu entscheiden. Das zeigte zu seiner Zeit beispielsweise Gerhard Schröder mit der Agenda 2010, die das Fundament für die starke wirtschaftliche Lage legte.

Schröder ging damals aktiv gegen die eigenen Stammwähler vor: die Gewerkschaften. Im Laufe der Zeit wurde die deutsche Wirtschaft unter maßgeblicher Hilfe der Agenda-Reformen immer wettbewerbsfähiger, die Lage am Arbeitsmarkt immer besser. Von dieser Genesung profitieren konnte die Regierung Schröder allerdings nicht mehr. Die Lorbeeren für die folgende wirtschaftliche Blütezeit strichen andere ein.

Dieser Auszug aus der Geschichte Deutschlands zeigt, dass Politik vom Wähler nicht immer honoriert wird. Vor allem dann nicht, wenn man offensichtlich für das Große und Ganze das Richtige tut, einer breiten Wählerschicht im Einzelfall damit aber einige Zumutungen bereitet. Die politisch Verantwortlichen der Nach-Schröder-Ära ziehen daraus die falschen Schlüsse. Statt auch eine nachhaltige und ganzheitliche Politik zu verfolgen, heißt es wieder: keine Einschnitte oder Zumutungen mehr! Zumindest für jene Wählerschichten nicht, die einem wichtig erscheinen. Liebe Verantwortliche, macht euch bewusst: Einseitige Rentnerpolitik wird auf lange Sicht Deutschlands Zukunft zerstören.

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