Es macht einen nachdenklich, dass ein ganzer Kontinent wie Europa, der sich der Demokratie und Freiheit verschrieben hat, den legendären Widerstand des gesamten türkischen Volkes vom 15. Juli 2016 nicht anerkennen vermag. Mehr als 200 junge und alte Türken haben ihr Leben verloren und zugleich haben Millionen Türken den brutalen Machtergreifungsversuch der gewissenlosen Putschisten erfolgreich abgeschmettert. Dabei wurden Türken mit Panzern überfahren, das Parlamentsgebäude wurde mit Kampfflugzeugen beschossen und über 50 Soldaten wurden im Schlaf skrupellos durch Raketenangriffe getötet. Diese sind nur einige der erschütternden Geschehnisse, welche sich in der verhängnisvollen Nacht des 15. Juli ereigneten.
Ja, es herrscht Ausnahmezustand in der Türkei, aber so mutig und hoffnungsvoll habe ich die Menschen in der Türkei selten erlebt: Jeden Tag gehen sie arbeiten und „halten Wache“ für ihr Recht auf Demokratie bis tief in die Nacht hinein, überall in der Türkei, seit dem 15. Juli!
Wir sind trotz allem optimistisch
Der Putsch-Versuch des Militärs hat uns Türken schockiert. Und dennoch sieht man äußerst positiv in die Zukunft: Staatsstreiche wie diese sind von nun an Geschichte, sagen die Leute hier. Der Staatsapparat unternimmt alle Schritte, die dafür notwendig sind und auch Privatunternehmen haben im großen Maße ihre Unterstützungen in Form von Zinssenkungen etc. zugesagt.
Die wirtschaftliche Stabilität des Landes, so sieht man es hier, ist gerade deshalb eindeutig sichergestellt. Als Konsequenz haben sehr viele Türken ihre Ersparnisse in nur einem Tag aus Fremdwährungen in Türkische Lira umgewandelt. Euro- und Dollar-Kurse sind deshalb fast identisch mit den Werten vor dem Putschversuch des 15. Juli.
Alte Ressentiments ablegen
Wir Türken wollen der EU beitreten, um die Union damit zu bereichern. Umso mehr sind wir verärgert darüber, dass Europa uns als eine ständige Bedrohung ansieht. Viele meiner Landsleute sind der Meinung, dass Europa allein schon aufgrund unserer Religion, dem Islam, eine signifikant ablehnende Haltung gegenüber der Türkei einnimmt. Alle anderen Argumente, die gegen einen Beitritt sprechen, finden sich in ähnlicher Weise auch bei anderen EU-Anwärtern wieder.
Tja, vielleicht ist es das Beste für beide, für die Türkei und die EU, wenn wir die Beitrittsverhandlungen stoppen. Ich aber sage, dass wir im 21. Jahrhundert leben und endlich die Geisteshaltung aus der Zeit der Türkenbelagerung in der EU eingraben müssen und gemeinsam gegen die Bösen kämpfen sollten.
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