Die Niederlande haben gewählt – für Europa. Gleichzeitig haben sie dem Populismus eine Absage erteilt. Jetzt blickt die ganze Welt nach Frankreich auf den dortigen Präsidentschaftswahlkampf. Beim ersten Fernsehduell konnte der parteilose Emmanuel Macron bei den Franzosen punkten und lag mit Zustimmungswerten von 24 Prozent der Fernsehzuschauer vor dem konservativen François Fillon und der rechtspopulistischen Marine Le Pen, die jeweils rund 19 Prozent der Zuschauer auf ihrer Seite hatten. Doch welches Ranking ergibt sich, wenn man – losgelöst von jeglicher politischen Komponente oder Wertung – nur auf die wirtschaftliche Seite schaut? Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Kandidaten ihre Programme bei einem Wahlsieg zu 100 Prozent umsetzen. Geht man allerdings rein hypothetisch einfach mal davon aus, kann man die wirtschaftlichen Konsequenzen aus den Wahlprogrammen ableiten.
Protektionismus nützt der französischen Wirtschaft nicht
Das (hypothetische) Ergebnis gleicht dem des Fernsehduells durchaus. Beim Wirtschaftswachstum lägen die meisten der Kandidaten gleichauf: Sowohl Macron (unabhängig) als auch Fillon (konservativ) oder Benoît Hamon (sozialdemokratisch) würden bei voller Umsetzung ihrer Wahlversprechen bei einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent in 2018 landen. Le Pen wäre hingegen mit einem voraussichtlichen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von lediglich 0,5 Prozent wirtschaftlicher Verlierer.
Ein Großteil der Einbußen wären allerdings durch den Vertrauensverlust und die Unsicherheit begründet. Ein duales Währungssystem nach einem von Le Pen propagierten „Frexit“ wäre für die Wirtschaft äußerst schwierig. Zumal in ihrem Programm unklar bleibt, wie es genau funktionieren soll. Auch eine stärkere Isolation durch Protektionismus würde weder der französischen Wirtschaft noch dem Handel oder den Unternehmen nützen.
Bei Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit hätte der Pro-Europäer Macron jeweils die Nase vorn, vor Fillon im gemäßigten Mittelfeld. Mit Hamon oder Le Pen wären jeweils eine wesentlich höhere Staatsverschuldung und ein größeres Haushaltsdefizit wahrscheinlich.
Der Wahlkampf besteht jedoch aus mehr als wirtschaftlichen Rechenspielen. Entsprechend offen ist das politische Rennen um die Präsidentschaft. Entsprechend groß ist auch die damit verbundene Unsicherheit.
Die „drei Rs“ spielen im Wahlkampf die entscheidende Rolle
In den Augen der Wähler steckt Frankreich fest in einem „verlorenen Jahrzehnt“. Dies ist gekennzeichnet durch einen ungünstigen „Cocktail“ aus verpassten Reformen und den wirtschaftlichen Folgen der Finanz- und Europakrise. Das Pro-Kopf-Einkommen ist gesunken, die Preise hingegen sind gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist anhaltend hoch, Unternehmensmargen und -gewinne schwach, das Wirtschaftswachstum verhalten, Investitionen zurückhaltend und Insolvenzen trotz eines leichten Rückgangs weiterhin nahe dem Negativrekord. Frankreich hat ein Jahrzehnt des Wachstums, der Beschäftigung und Investitionen verloren. Zurück auf Los, ins Jahr 2007. Die daraus resultierenden sozialen Spannungen und wirtschaftlichen Probleme haben im Wahlkampf bisher wie Katalysatoren gewirkt.
Es besteht ein echter Wunsch nach Veränderung. Insofern spielen die „drei Rs“ im Wahlkampf eine entscheidende Rolle: Reformen, Reflation und Rückzug (aus Europa). Die Kandidaten, die bei diesen drei zentralen Themen in den Augen der Wähler die besten Argumente für die „Grande Nation“ haben, werden am Ende das Rennen machen.
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