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Warum Daten der Treibstoff der Automotive-Zukunft sind

Die Automobilindustrie befindet sich in einem radikalen Umbruch. Volatile Märkte, geopolitische Unsicherheiten und technologische Disruptionen verändern auch die Anforderungen an das Marketing. Automotive-Marketing muss heute smart, skalierbar und datengetrieben agieren, findet unsere Gastautorin Karin Immenroth, Global Chief Data Officer Mediaplus Group.

Zeitgemäßes Automobilmarketing gleicht dem teilautonomen Fahren: Der Mensch bleibt am Steuer – doch Millionen Datenpunkte im Hintergrund halten die Kampagne und damit den Erfolg des Unternehmens auf Kurs. First-Party-Daten und darüberhinausgehende Marktdaten sind dabei unverzichtbar: Nur Hersteller, die ihre Daten systematisch erfassen, veredeln und absichern, können sich langfristig von externen Plattformen emanzipieren und eigene skalierbare Geschäftsmodelle etablieren.

Doch welche Daten sind entscheidend? Und wie lassen sie sich gewinnbringend einsetzen? Die Antwort hängt vom Markt- und Markenprofil ab: Etablierter Hersteller oder Herausforderer? Verbrenner oder Elektromodell? Premiumsegment oder Volumenmarkt? Privatkunden oder Flottenkunden als Zielgruppe? Die Kernfragen bleiben dieselben: Nicht nur „Wer verfügt über welche Daten?", sondern „Wer nutzt sie strategisch wirksam und souverän?" 

Daten als Wegweiser

Der Eintritt in einen neuen geografischen Markt stellt Automobil-Hersteller vor besondere Herausforderungen. Im Newcomer-Status fehlt es häufig an verlässlichen First-Party-Daten. Konsumverhalten, Mediennutzung und Zielgruppensegmente unterscheiden sich vom Heimatmarkt – Insights aus der Vergangenheit fehlen und bekannte Mechanismen greifen nicht. In dieser Phase kommt es darauf an, Daten strukturiert zu erschließen. Externe Quellen wie Marktstudien, Mobilitätsdaten, Kaufkraftanalysen oder Mediennutzung liefern eine erste Orientierung. Parallel können initiale Kampagnen datenbasiert so aufgesetzt werden, dass sie nicht nur Reichweite erzeugen, sondern auch Rückschlüsse auf das Verhalten der Nutzer:innen zulassen – etwa durch Testmärkte, A/B-Logiken oder regionale Rollouts.


Das Ziel dieses Szenarios ist, mit überschaubarem Aufwand belastbare Hypothesen zu Zielgruppen, Kanälen und Botschaften zu generieren und daraus datenbasiert Marketingmaßnahmen iterativ weiterzuentwickeln. Der datengetriebene Ansatz ermöglicht vor allem eines: schnelles Lernen bei reduziertem Risiko. 

Orchester der Informationen

Im Gegensatz dazu arbeiten etablierte Marken mit einer völlig anderen Datenrealität und mit ganz anderen Zielen. Ihre Datenstrategie ist nicht auf Breite, sondern auf Tiefe ausgerichtet. Daten sind in der Regel in großer Menge vorhanden – doch sie sind häufig fragmentiert und über zahlreiche interne und externe Silos verteilt: CRM-Systeme, digitale Touchpoints, Händlerberichte, Media- und After-Sales-Daten – oft in inkompatiblen Formaten und Systemen, die isoliert voneinander in verschiedenen Unternehmensbereichen genutzt werden.

Automarken wissen in der Regel, wer ihre Kundinnen und Kunden sind, welches Fahrzeug sie fahren und wann der Leasingvertrag ausläuft. Die Herausforderung besteht nicht darin, Daten zu sammeln, sondern sie zu orchestrieren und gezielt zu nutzen – kanalübergreifend und automatisiert. Harmonisierte Datenmodelle, zentrale Dashboards und integrierte Reportingstrukturen über alle beteiligten Einheiten helfen, relevante Datenquellen zu verknüpfen. Sie bilden die Grundlage, um Zielgruppen präziser anzusprechen, Budgets effizienter zu steuern und vor allen Dingen auch die Werbewirkung nachvollziehbar messen zu können.

Vorteil im Wettbewerb

Gerade im Automotive-Bereich entstehen sehr heterogene Daten aus unterschiedlichsten Quellen – vom Online-Konfigurator über CRM-Systeme bis hin zum Connected Car. Die Fähigkeit, diese Daten zielgerichtet zu clustern und auf Marketing- und Vertriebspotenziale zu prüfen, wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Viele Hersteller zögern , operative Verkaufsdaten ins Marketing zu überführen
Karin Immenroth, Mediaplus Group

Für eine datenbasierte, integrierte und internationale Kampagnenkonzeption und Mediaplanung müssen zudem jede Menge externe Daten über eine intelligente Datenarchitektur angebunden werden. Dazu gehören beispielsweise generelle Marktdaten, alle Leistungsdaten zu laufenden Kampagnen und der Media ROI. Ein weiterer wichtiger Hebel: Die Integration von Kampagnen- und Orderdaten des Herstellers. Sie ermöglichen, direkte Zusammenhänge zwischen Medialeistung und Absatz sichtbar zu machen und die Kampagne kontinuierlich zu optimieren. Viele Hersteller zögern jedoch, operative Verkaufsdaten ins Marketing zu überführen – aus Datenschutzbedenken oder wegen systemischer Komplexität. Doch mit einer geeigneten Datenarchitektur und Privacy-by-Design-Ansätzen lassen sich diese Hürden problemlos überwinden.

Data Mesh als Hebel

Ein modernes Konzept in der Datenorganisation heißt Data Mesh. Dieser dezentrale Ansatz erlaubt es, Daten bei Marken, Märkten und Agenturen zu belassen – und dennoch über gemeinsame Standards und Schnittstellen nutzbar zu machen. So bleibt die jeweilige Datensouveränität gewahrt, ohne auf Synergien zu verzichten.

Idealerweise fließen hier Daten aus allen Funnel-Stufen ein – von Markenbekanntheit über Markenrelevanz bis hin zur Conversion. Ein AI-basierter Algorithmus kann dann aus Millionen Kombinationen den effizientesten Media-Mix berechnen.

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Dashboard zum Steuern

Was das Cockpit im Auto für den Fahrer oder die Fahrerin ist, ist das zentrale Dashboard für Marketer: Eine Kontrollzentrale für datenbasiertes Marketing. Es bündelt alle relevanten Informationen – von der Media-Performance über Zielgruppenreaktionen bis hin zu Budgetverläufen – und bildet die Grundlage für präzise Entscheidungen. Da jeder Hersteller individuelle KPIs priorisiert, sollten Dashboards immer kundenspezifisch konfiguriert sein. Neben kurzfristig messbaren KPIs aus digitalen Kanälen sind auch langfristige Brandindikatoren wie Bekanntheit oder Sympathie unverzichtbar – insbesondere für die Bewertung von Brandformance-Strategien, die auf einen passenden Mix aus Performance und Branding-Aktivitäten setzen. Eine starke TV-Kampagne und dadurch entstehende Online-Recherche/Touchpoints beispielsweise kann die Effizienz digitaler Retargeting-Maßnahmen deutlich steigern. Integrierte Dashboards, die beide Welten abbilden und verbinden, liefern hier einen echten Mehrwert.

Datenbasiertes Arbeiten wird in Zeiten von Absatzdruck und hoher Volatilität zum zentralen Erfolgsfaktor. Umso wichtiger ist es, dass die gewonnenen Erkenntnisse innerhalb der Organisationen geteilt werden – sowohl bei Automobil-Herstellern als auch in Agenturen. Die Einrichtung eines zentralen Hubs zum Sammeln und Verteilen von Kampagnen-Insights ist deshalb essenziell. So lassen sich Erfolge international skalieren, Optimierungsschleifen verkürzen – und Budgets effizienter einsetzen.

Ein Beispiel: Dynamisch generierte Creatives für jedes Modell und jede Zielgruppe sind technisch möglich – aber teuer. In der Praxis erzielen skalierte, global einsetzbare Creatives oft bessere Ergebnisse bei geringerem Aufwand.

Taxonomie als Basis

Um Daten überhaupt nutzen zu können, müssen sie korrekt erfasst werden – insbesondere in internationalen Strukturen. Unterschiedliche Benennungslogiken führen schnell zu inkonsistenter Datenerfassung und Fehlern im Reporting. Das klingt banal, ist es aber gerade auf internationaler Ebene ganz und gar nicht. Arbeiten mehrere Kolleg:innen an einer Kampagne, die völlig unterschiedliche Ordnungsprinzipien haben, bekommen Dateien und Links derselben Kampagne ganz unterschiedliche Namen – und werden deshalb beim Monitoring und Controlling der Kampagne nicht immer richtig zugeordnet. Mit einer eigens entwickelten Taxonomie-Software (dem OneBuilder) können Banner und andere Werbemittel sowie Links eindeutig benannt werden – ohne individuellen Spielraum. Das garantiert, dass das Tracking und die Zuordnung der Werbemittel und Links zu einer Kampagne eindeutig sind und Insights aus der Kampagne in Echtzeit auf Knopfdruck länderübergreifend zur Verfügung stehen.

Automotive-Marketing ist komplex – und datengetriebenes Arbeiten längst nicht mehr Kür, sondern Grundvoraussetzung. Ob beim Markteintritt oder in reifen Märkten: Nur wer seine Daten intelligent strukturiert, dezentral organisiert und operativ aktiviert, sichert sich nachhaltige Effizienz, Wirkung und Differenzierung.

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