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Anke Engelke ist nicht genug: Warum die Deutsche Bahn jetzt Zeit braucht

Mit dem Launch ihrer neuen selbstironischen Webserie mit Anke Engelke hat die Deutsche Bahn für Aufsehen gesorgt. Doch werden die Reisenden deshalb wirklich eine andere Einstellung zu der schwer kriselnden Marke entwickeln? Das hängt von einigen Faktoren ab.

Wird Anke Engelke das Image der Deutschen Bahn nun retten? Reichen einige überaus amüsante Folgen der unternehmenseigenen Webserie "Boah, Bahn! Wir sitzen alle im selben Zug" mit Anke Engelke als Zugchefin Tina aus, um nun endlich über verspätete Züge, fehlende Waggons, ausgefallende Klimaanlagen und Signalstörungen auf der Zugstrecke hinwegzutrösten? Diese Ärgernisse als Pannen einfach wegzulachen? Reicht es aus, wenn Anke Engelke in TV-Talkshows anekdotenreich über ihr Bahn-Praktikum plaudert, um dieses vermaledeite Thema – die Deutsche Bahn – endlich einmal mit einer ordentlichen Prise Humor in die Mitte der Gesellschaft zu wuchten? Eine schwierige Frage, die am ehesten mit "vielleicht" zu beantworten ist.

Auf der Haben-Seite steht, dass die Bahn mit Anke Engelke einen Glücksgriff gemacht hat. Die Entertainerin steht für einen selbstironischen Humor, der viele Menschen erreicht und erwärmt. "Stromberg"-Regisseur Arne Feldhusen sorgt für eine sorgfältige Gesamtkomposition. Und das Ganze im TikTok-Format. Moderner geht’s eigentlich kaum. Endlich einmal herzhaft über die Bahn und vielleicht auch sich selbst als verzweifelter Bahn-Reisender lachen – wie wunderbar. Die Folgen sind derart auf den Punkt, dass sie auch bei Anke Engelkes früherer Sketch-Serie "Ladykracher" hätten landen können.

Martell Beck, Head of Marketing & PR der Bahn und Kopf hinter der Kampagne, kündigte vor knapp einem Jahr im HORIZONT-Interview an, er wolle mehr emotionale Geschichten erzählen, um die Beziehung der Menschen zur Bahn zu verbessern. Nach dem Motto: Freunden verzeiht man mehr. Doch wie soll man diese Herkules-Aufgabe stemmen, wenn gleichzeitig das Marketingbudget im Bahn-Konzern radikal reduziert wird? Wenn klassische Marketingkonzepte generell nicht mehr funktionieren, weil die Menschen ihre Medienkonsumgewohnheiten ändern? Wenn alles im Fluss ist, nur eines nicht: der Spott in der Bevölkerung über die Bahn. Willkommen auf der Soll-Seite der Bahn-Kommunikation.

Der Unmut ist dokumentiert. So sank der allgemeine Zufriedenheitsindex 2024 erneut leicht. Einer der Gründe: Die Pünktlichkeit im Fernverkehr lag mit 62,5 Prozent auf einem historisch niedrigen Niveau. So richtig freundschaftlich verbunden mit der Bahn fühlten sich da die wenigsten Reisenden. Bahn-Marketingchef Beck versucht es mit Humor und Leichtigkeit und das ist sicherlich nicht die schlechteste Antwort auf das Bahn-Bashing.

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Und doch stellt sich die Frage: Haben die Bahn-Fahrer:innen nach dem Anke-Engelke-Ulk wirklich eine andere Einstellung zur Marke Bahn? Fehlt nach dem Offenlegen der allseits bekannten Bahn-Schwächen nicht doch eine versöhnliche Auflösung à la "Wir haben verstanden" oder "Dies sind unsere Lösungen für die nächsten Monate"? Schnell wäre man beim Generalsanierungsplan mit einer grundlegenden Erneuerung von mehr als 40 viel befahrenen Korridoren. Man könnte denjenigen den Wind aus den Segeln nehmen, die fordern, die Bahn solle das Werbegeld doch lieber in die Verbesserung des Produktes stecken.


Eines ist klar: Marke braucht Zeit. Ein hektisches und allzu experimentelles Umsteuern von kommunikativen Ansätzen ist Gift für jede Marke. Wenn diese Kampagne die neue Tonalität der Bahn sein soll und sie vielleicht künftig stärker mit erklärenden Elementen versehen wird, dann benötigt sie Kontinuität. Doch wird ihr die gegeben?

Die neue Bahn-Vorstandschefin Evelyn Palla hat bereits wenige Tage nach ihrem Amtsantritt Anfang Oktober Nicole Mommsen als Leiterin Kommunikation und Marketing abgelöst. Der Neustart der Bahn sei auch eine kommunikative Aufgabe, gab Palla dem Nachfolger von Mommsen, Jens-Oliver Voß, mit auf den Weg. Damit bekommt das Bahn-Marketing und somit auch CMO Beck einen neuen Vorgesetzten. Voß wird sicherlich eigene Akzente setzen wollen. Unter diesen Vorzeichen ist es fraglich, ob es die dringend benötigte Konsistenz im Markenauftritt der Bahn nun endlich geben wird.

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