Audi will mit neuer Designstrategie wieder zum Taktgeber werden
In Mailand stellt Audi seine neue Designphilosophie vor, die künftig Modelle, Marke und Unternehmen prägen soll. Sie konzentriert sich auf Klarheit, sichtbar in der Studie Audi Concept C. Ein Sportwagen, der die Vergangenheit der Marke in die Zukunft führen soll, und der provozieren dürfte.
Mailand, das ist die Stadt des Designs. Der Mode. Der Kunst. Hier hat Leonardo da Vinci "Das letzte Abendmahl" gemalt. Sie ist die Stadt des Doms, der Scala und des AC. Große Emotionen, große Bilder. Legenden. Geht es nach Audi, wird man mit der Metropole künftig auch den Aufbruch des Ingolstädter Premiumautobauers in eine neue Marken-Ära verbinden. Am Dienstagabend haben die Vier Ringe hier ihre neue Designphilosophie vorgestellt, die aber weit mehr als nur das Aussehen künftiger Modelle bestimmt.
Strive for clarity, wie Audi das Leitmotiv formuliert, soll das gesamte Unternehmen prägen, von den Produkten über die Prozesse bis hin zu den Strukturen. Entschlacken. Fokussieren. Reduzieren. Nur noch das Wesentliche zählt bei der VW-Tochter. Schnickschnack und hohle Phrasen, ab damit in die Vergangenheit. So der Anspruch. Audi will sich mit der neuen Designsprache wieder stärker differenzieren, die Marke begehrlicher machen und auch schneller werden. "So wie wir das Design unserer Fahrzeuge gestalten, so werden wir auch unser Unternehmen formen", sagt Gernot Döllner. Das lässt aufhorchen. Design ist nicht nur Formgeber. Design gibt die Richtung vor. Der Audi-CEO, seit zwei Jahren im Amt, hat der Traditionsmarke einen harten Transformationskurs auferlegt. In Brüssel etwa hat er ein Werk geschlossen, Managementebenen gestrafft, mit dem Betriebsrat im März eine Vereinbarung geschlossen, die Zukunftssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit stärken soll.

Zu dem Kurs gibt es für ihn keine Alternative. „Wir haben uns verirrt“, sagt er. „Wir haben versucht, die Dinge so zu machen, wie alle anderen sie gemacht haben." Es sind ungewöhnlich selbstkritische Worte auf einer Premierenveranstaltung, bei der es normalerweise in der Branche Marketing-Floskeln im Sekundentakt hagelt. Schneller, besser, höher, weiter - Sie wissen schon.
Bei Audi ist das am Dienstag im Mailänder Boutique-Hotel Portrait Milano, einem ehemaligen Kloster, anders. Es ist etwas ruhiger, aber eben auch pointierter. Die Gäste honorieren Döllners Rede immer wieder mit Applaus. Nicht nur aus Höflichkeit, sondern weil in der milden Abendluft etwas zu spüren ist: Audi will anders denken, neu denken. Alte Tugenden der Marke neu aufladen.
Einer der Väter hinter dem neuen Kurs ist Massimo Frascella. Seit einem Jahr ist er der Chief Creative Officer von Audi. Dass Audi in Mailand seine Wiedergeburt feiert, darf man auch als eine Wertschätzung an ihn verstehen. Binnen eines Jahres hat er aus einer Idee und Vision eine Designphilosophie entwickelt, die auf vier Prinzipien steht: klar, technisch, intelligent und emotional. Nicht China-Speed, Frascella-Speed. „Wir wollen unsere Marke stärken, sodass sie Begehrlichkeit weckt und kulturelle Wirkung entfaltet“, sagt Frascella.
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Für ihn ist Audi eine kühne Marke - eine, die vorangeht, nicht hinterherläuft. Die Trends setzt. „Wir sind nicht als Ikone geboren. Wir sind zu einer geworden“, sagt er am Vormittag in einer Runde mit Journalisten. Genau da will Audi wieder hin. Mutig sein. Konventionen verschieben. „Vorsprung durch Technik“ einfach erlebbar machen. Mit Modelle und Marke begeistern.
Nur warme Worte? Nicht an diesem Tag, der mit einem heftigen Schauer begann und in einem strahlenden Sommertag endet. Der Audi Concept C, der als Höhepunkt auf die Bühne rollt, zeigt, was „The Radical Next“ fürs Produkt bedeuten kann. Ein Auto, das provoziert. Das aber eben auch die Klarheit verkörpert, die sich an dem gesamten Tag wie ein roter Faden durch alle Gespräche und Präsentationen zieht. Viele glatte Flächen, wenige Linien. Asketisch. Am „Vertikal Frame“ in der Fahrzeugmitte - und auf dem die vier Ringe dominieren - bleiben die Blicke automatisch hängen. Ein Hingucker. Ein Provokateur. Eine Ansage. Und ein Zitat. Das Designteam hat sich hier vom Auto-Union Typ C inspirieren lassen. Der Wagen war 1936 der erfolgreichste deutsche Grand-Prix-Rennwagen.
Der Innenraum des Zweisitzers ist ein Statement. Nichts lenkt hier ab, sogar der digitale Screen schrumpft. Und es gibt wieder mechanische Schalter - auch, weil man den Kundinnen und Kunden von Audi zugehört hat.
Auf die Reaktionen der Menschen wird Audi kommende Woche besonders achten. Das Modell ist einer der Höhepunkte auf der IAAMobility in München. Ein Auto für viele Bilder und Postings, so wie das schon in Mailand zu beobachten war. Es ist der Beginn einer Reise. In zwei Jahren soll aus dem Concept ein kaufbarer Sportwagen werden. Vielleicht mit einem Wiedersehen in Mailand. Es wäre eine klare Sache.
