Die Chipbranche ist abhängig von Nvidia
Der KI-Boom verzerrt eine ganze Industrie: Wenige Gewinner fahren Rekorde ein, viele verlieren Umsatz. Steigende Preise und leere Fabriken zeigen, wie riskant die Abhängigkeit geworden ist.
München. Auf den ersten Blick wirkt die Chipindustrie wie eine globale Erfolgsgeschichte. Laut Techinsights soll der Umsatz dieses Jahr um 18 Prozent auf den Rekordwert von 797 Milliarden Dollar steigen. Doch das starke Wachstum beruht fast ausschließlich auf KI-Beschleunigern – vorwiegend jenen von Nvidia. „Nur sehr wenige Firmen profitieren von dem Boom“, sagt Techinsights-Analyst Boris Metodiev.
So kommt es, dass Weltmarktführer Nvidia und dessen Zulieferer von einem Rekord zum nächsten eilen. Gleichzeitig dümpeln weite Teile der Halbleiterbranche vor sich hin. Viele Fabriken seien nicht ausgelastet, urteilt Metodiev. Teilweise seien hohe Lagerbestände in der gesamten Lieferkette zu verzeichnen.
„Es gibt momentan nur wenige Wachstumstreiber“, sagt auch Peter Fintl, Chipexperte der Technologieberatung Capgemini. Für die Industrie ist das gefährlich. Fintl: „KI ist ein Klumpenrisiko.“
Das KI-Geschäft floriert – und spaltet die Branche. Während wenige Konzerne mit den Bestellungen kaum nachkommen, kämpfen viele andere mit hohen Kosten für ungenutzte Kapazitäten.
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Zu den Gewinnern gehören die Hersteller von Speicherchips: So ist der Umsatz mit sogenannten DRAM-Chips im dritten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 30 Prozent in die Höhe geschossen. Das haben die Marktforscher von Trendforce berechnet. DRAM steht für „Dynamic Random Access Memory“ und ist der weltweit am häufigsten verwendete Speicherchip-Typ. Derartige Halbleiter sind ein unersetzlicher Bestandteil der KI-Beschleuniger von Nvidia und dessen Mitbewerber AMD. Sie sind aber auch für PCs und Notebooks wichtig.
Trendforce erwartet im laufenden vierten Quartal einen DRAM-Preissprung von bis zu 55 Prozent. Mit anderen Worten: Innerhalb von drei Monaten zahlen Kunden für die gleiche Ware mindestens die Hälfte mehr.
Techinsights rechnet damit, dass der weltweite DRAM-Umsatz in diesem Jahr um fast ein Drittel auf 129 Milliarden Dollar steigt – und 2025 noch einmal ähnlich kräftig auf 170 Milliarden Dollar zulegt.
Die Kunden sind schockiert von dem Preissprung. Noch nie seien die Kosten derart gestiegen, sagte Jeff Clarke, Chief Operating Officer des Computerherstellers Dell , am vergangenen Dienstag.
Das Geschäft machen im Wesentlichen drei Konzerne: SK Hynix und Samsung aus Südkorea sowie der US-Anbieter Micron. Das Trio erzielt mehr als 90 Prozent der Erlöse mit DRAM-Chips weltweit. SK Hynix teilte jüngst mit, die gesamten Kapazitäten fürs kommende Jahr seien ausverkauft.
Nvidia und AMD stehen so gut da wie nie
Noch dynamischer entwickelt sich nur der Umsatz mit Grafikprozessoren selbst, den sogenannten GPUs. Sie stehen im Zentrum der KI-Revolution. Im laufenden Jahr werde der Umsatz um die Hälfte auf 173 Milliarden Dollar steigen, sagt Techinsights voraus. Zum Vergleich: 2024 ging es sogar um 81 Prozent nach oben. Wichtigster Anbieter ist Nvidia mit einem Marktanteil von mehr als 90 Prozent, gefolgt vom US-Rivalen AMD.
Die beiden Konzerne aus dem Silicon Valley stehen so gut da wie nie zuvor. Nvidia-Chef Jensen Huang steigerte den Umsatz im jüngsten Quartal gegenüber dem Vorjahr um mehr als 60 Prozent auf 57 Milliarden Dollar; der Gewinn ist um fast zwei Drittel auf 31,9 Milliarden Dollar geklettert.
AMD verbuchte ein Umsatzplus von 36 Prozent auf 9,25 Milliarden Dollar. Unterm Strich blieben 1,24 Millionen Dollar übrig, das sind 61 Prozent mehr als im Vorjahr.
Zu den Verlierern zählen hingegen jene Chipfirmen, die wenig oder gar nicht am KI-Boom teilhaben. So auch Infineon
, Deutschlands führender Halbleiterhersteller. Der Umsatz in dem am 30. September beendeten Geschäftsjahr ist um knapp zwei Prozent auf 14,7 Milliarden Euro geschrumpft. Der Gewinn ist sogar um gut 20 Prozent zurückgegangen.
Die Münchener liefern zwar Chips für die Stromversorgung von KI-Rechenzentren – ein stark wachsender Bereich. Der stand im vergangenen Geschäftsjahr aber für nur fünf Prozent aller Erlöse.
Im gerade begonnenen Geschäftsjahr soll sich der KI-Umsatz auf 1,5 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Wenn Konzernchef Jochen Hanebeck seine Prognose einhält, sorgt das aber lediglich dafür, den Rückgang an anderer Stelle auszugleichen. So erwartet das Management insgesamt nur ein „moderates Wachstum“ und eine operative Marge, die weit unter den selbst gesetzten Zielen liegt.
Denn weder im für Infineon wichtigen Geschäft mit der Autobranche noch bei erneuerbaren Energien oder der Unterhaltungselektronik sind Impulse zu erwarten. Berater Fintl: „Die klassischen Industrien tun sich alle schwer.“
800 Millionen Euro wird Infineon vermutlich im laufenden Geschäftsjahr an Leerstandskosten verbuchen.
Im vergangenen Geschäftsjahr liefen bei Infineon daher Leerstandskosten von einer Milliarde Euro auf. Für das neue Geschäftsjahr rechnet Finanzvorstand Sven Schneider mit 800 Millionen. Die Fabriken seien nur zu 80 Prozent ausgelastet, so Schneider.
Der Konzern hatte mit einem besseren Geschäft gerechnet. Schneider: „Vor zwei Jahren waren wir optimistischer mit den Wachstumserwartungen.“ So haben sich etwa Elektroautos nicht so schnell durchgesetzt, wie Infineon das vorhergesagt hatte.
Erst Ende des Jahrzehnts geht es aufwärts
Dabei steht Infineon noch gut da im Vergleich zu Rivalen, an denen der KI-Boom ebenfalls vorbeigeht. So brach der Umsatz beim französisch-italienischen Wettbewerber STMicroelectronics in den ersten neun Monaten des Jahres um 15 Prozent ein. Der Gewinn ist um mehr als 80 Prozent abgestürzt.
Die Techinsights-Experten erwarten, dass der Boom bei KI-Beschleunigern 2027 ausläuft. Dann soll der DRAM-Umsatz nur noch um acht Prozent wachsen, der GPU-Markt sogar nur um ein Prozent. Weil sonst keine Impulse in Sicht sind, dürfte die gesamte Branche um zwei Prozent schrumpfen – weite Teile treten also auf der Stelle. „Für Firmen, denen es heute schon schlecht geht, wird das richtig schmerzhaft“, warnt Analyst Metodiev.
Breit getragenes Wachstum sieht der Experte erst für das Ende des Jahrzehnts. Dann dürfte KI in Smartphones, Notebooks und Autos zum Standard werden – ein Massenmarkt, der Milliarden Chips verlangt und das Geschäft auf deutlich mehr Anbieter verteilt als der heutige Boom der KI-Rechenzentren.
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