Innere Kündigung: 5 Wege aus dem Tief
Welche Szenarien am häufigsten zu einer inneren Kündigung führen – und wie Sie aktiv aus dem Gefühl der permanenten Leere ausbrechen können.
Morgen für Morgen zieht Sie eine bleierne Schwere zurück ins Bett – und raubt Ihnen die Energie für den Arbeitstag. Im Büro sind Sie körperlich anwesend, Ihr Geist allerdings schweift immer wieder ab. Verhaltensweisen Ihrer Mitarbeiter und Vorgesetzten, die Sie lange Zeit auf die Palme gebracht haben, perlen immer mehr an Ihnen ab. Und wenn Sie tief in sich hineinhorchen, ist da kein Zorn mehr, kein Widerstand. Nur noch eine dumpfe Gleichgültigkeit. Sie haben innerlich gekündigt. Erkennen Sie sich wieder? Dann ist es allerhöchste Zeit zu handeln. JETZT!
Die gute Nachricht zuerst. Auch wenn sie ihn gerade beim besten Willen nicht sehen können: Es gibt einen Ausweg aus Ihrem Tief. Nach über 30 Jahren Erfahrung im Führungskräfte-Coaching habe ich viele Dutzend Klienten begleitet, die innerlich aufgegeben – und keinen Funken Hoffnung auf Besserung mehr hatten. Heute sitzen sie wieder fest im Sattel, gehen gern zur Arbeit und sind glücklich darüber, in ihrer Position so richtig etwas bewegen zu können. In diesem Artikel zeige ich, wie das auch Ihnen gelingt.
Finden Sie die Ursache für Ihre innere Unzufriedenheit
Es ist nicht immer leicht, die konkrete Ursache für die eigene innere Abgestumpftheit zu finden. Aus Erfahrung mit meinen Klienten kann ich aber sagen: Im Kern hängt die innerliche Gleichgültigkeit (fast) immer mit ungünstigen Rahmenbedingungen zusammen. Genau hier sollten Sie daher auf Ursachensuche gehen. Stellen Sie sich dazu folgende Fragen:
Wann hatten Sie zuerst das Gefühl, dass Ihnen die Freude an Ihrer Arbeit abhandenkommt? Gab es einen bestimmten Auslöser?
Gibt es Situationen, die Sie als besonders belastend empfinden?
Wie ist die Stimmung im Team? Gibt es Konflikte?
Wie ist die Beziehung zu Ihrem Chef?
Werden unrealistische Erwartungen an Sie gestellt?
Mangelt es Ihnen an Entscheidungsfreiheit? Falls ja: In welchen konkreten Situationen?
Müssen Sie im beruflichen Kontext viele Kompromisse eingehen? (Erstellen Sie eine Liste mit typischen Situationen, in denen Sie Ihre eigenen Wünsche oder Überzeugungen zurückstellen.)
Haben Sie das Gefühl, viel zu viel zu arbeiten – und nicht mehr genug Zeit für die Familie und Ihr Privatleben zu haben?
Glauben Sie, in einer beruflichen Sackgasse gelandet zu sein?
Zusätzlich können Ihnen Reflexionsfragen dabei helfen, die Ursachen für Ihre innere Kündigung herauszufinden. Haben Sie die schädlichen Rahmenbedingungen erst mal erkannt, können Sie Wege suchen, diese zu ändern. Und glauben Sie mir: In den meisten Fällen haben Sie hier sehr viel mehr Gestaltungsspielraum, als Sie anfänglich glauben.
5 Fluchtwege aus der inneren Abgestumpftheit
Mikromanagement, überzogene Erwartungen, mangelnde Wertschätzung: Die Gründe für eine innere Kündigung sind vielseitig. Im Folgenden nehme ich fünf Szenarien in den Fokus, die erfahrungsgemäß am häufigsten zu einer inneren Kündigung führen – und gebe Ihnen jeweils einen konkreten, pragmatischen Ausweg an die Hand.
1. Unerfüllbare Aufgaben? Geigen Sie Ihrem Chef die Meinung
Die meisten meiner Klienten sind wahre Könner. Leistungsträger also, denen Selbstinszenierung fremd ist. Die stattdessen einfach abliefern. Immer und immer wieder. Das macht die C-Level zu den besten Pferden im Stall, führt aber auch immer wieder dazu, dass sie Aufgaben aufgebürdet bekommen, die kaum (und manchmal auch gar nicht) zu erfüllen sind. In der Folge bleiben Erfolge aus, was zu immer mehr Frust und schließlich zur inneren Kündigung führt.
Kommt Ihnen bekannt vor? Dann lernen Sie besser früher als später „Nein!“ zu unerfüllbaren Aufgaben zu sagen. Das soll nicht bedeuten, dass Sie in irgendeiner Form „härter“ werden müssten. Überhaupt nicht. Wichtig ist nur, dass Sie klar, konsequent und konstruktiv bleiben:
Machen Sie Ihrem Vorgesetzten eindeutig klar, dass die Aufgabe (auf Dauer) nicht zu bewältigen ist.
Sagen Sie konsequent „Stopp“ und lassen Sie sich nicht darauf ein, die Aufgabe doch noch (weiter) zu übernehmen.
Bleiben Sie konstruktiv und machen Sie einen konkreten Vorschlag, wie es weitergehen kann.
Sie werden sehen: Sobald die kontinuierliche Überforderung im Job aufhört, kehrt auch die Freude an der Arbeit zurück.
So erging es auch meinem Klienten Peter P., der interimsweise gleich drei (!) Führungspositionen auf einmal übernehmen sollte. Er sah die Notsituation ein, in der nur er den Karren aus dem Dreck ziehen konnte, und sagte zu. Unter der Voraussetzung, dass er die Positionen maximal für einen Zeitraum von sechs Monaten besetzen würde. Doch die Geschäftsführung tat nichts. Auch nicht, nachdem Peter das Gespräch gesucht hatte. Damit drohte die für ihn unglaublich belastende Situation zum Dauerzustand zu werden.
Im Coaching legten wir uns schließlich eine Strategie für Peter zurecht, wobei er wie oben beschrieben vorging. Zu seinem Erstaunen reagierte die Unternehmensspitze plötzlich. Und das, obwohl er doch aus seiner Sicht „nahezu die gleichen Worte wie damals“ genutzt hatte. Ich antwortete ihm: „Peter, es liegt gar nicht daran, WAS Sie gesagt haben. Es ist die Art und Weise, WIE Sie es gesagt haben. Voller Überzeugung und Souveränität, ohne Druck – dafür aber mit viel Klarheit. Damit haben Sie bei Ihrem Gegenüber sofort den Eindruck hinterlassen: Der meint es ernst!“
2. Mangelnde Wertschätzung? Holen Sie sich die Anerkennung, die Sie verdienen
Viele Könner und Leistungsträger haben nicht nur Probleme damit, „Nein!“ zu sagen und ihre Grenzen zu wahren. Sie bekommen als Top-Führungskraft sehr oft auch nicht die Wertschätzung, die sie eigentlich verdient hätten. Und das kann einen gefährlichen Teufelskreis in Gang setzen:
Trotz hohem Einsatz erhalten Sie keine oder nur geringe Anerkennung.
Ihre Motivation nimmt ab.
Ihre Produktivität sinkt.
Ihre Performance leidet.
Die Wertschätzung wird noch geringer – mitunter kommt sogar Kritik hinzu. Und die Abwärtsspirale zieht Sie weiter in die Tiefe, bis Sie innerlich kündigen.
Umso wichtiger ist es, dass Sie das Gefühl haben, dass Ihre Leistung wertgeschätzt wird. Das Problem: Gerade im Top-Management wird Feedback allzu oft nicht direkt formuliert. Ich rate Ihnen daher, Ihre Antennen für die feinen Signale Ihres Vorgesetzten zu schärfen. Denn oftmals übermitteln Top-Manager ihre Wertschätzung durchaus – allerdings unterschwellig oder indirekt. Auf jeden Fall deutlich anders, als Sie es erwartet oder gehofft haben. Haben Sie diesen Code erstmal entschlüsselt, werden Sie auch deutlich mehr Anerkennung erleben. Um es mit den Worten eines Klienten mit Blick auf dessen Chef auszudrücken: „Ich denke, die Tatsache, dass er nicht gemeckert hat, war das höchste Lob, das ich von ihm erwarten kann.“
3. Kein Gestaltungsspielraum? Zügeln Sie das Mikromanagement Ihres Chefs
Eigentlich haben Sie Ihre jetzige Position angetreten, um Ihre Vision zu verwirklichen, Ihre Mitarbeiter modern zu führen und so in letzter Konsequenz richtig etwas für Ihr Unternehmen zu bewegen. Und jetzt? Werden Sie von Ihrem Chef beständig ausgebremst. Nicht aus bösem Willen, sondern schlicht, weil Ihr Vorgesetzter ein absoluter Kontrollfreak ist. Beständiges Mikromanagement allerdings nimmt Ihnen als Führungskraft Entscheidungsfreiheit und Gestaltungsspielraum – und führt über kurz oder lang zur inneren Kündigung.
Mein Tipp: Nehmen Sie sich in Fällen wie diesen ein Vorbild an meinem Klienten Dietmar S. Dietmar, der gerade neu in den Vorstand aufgestiegen war, musste mit einem hoffnungslosen Mikromanager als Vorstandsvorsitzendem klarkommen. Er fand für sich jedoch eine gute Lösung. Er schüttete den Vorstandsvorsitzenden einfach von sich aus immer wieder mit Informationen zu und hielt ihn so beschäftigt. Gleichzeitig schränkte er seine eigene Erreichbarkeit ein und hielt Abstimmungen kurz. Und da seine Ergebnisse stimmten, entzog er dem Vorstandsvorsitzenden jegliche Angriffsfläche für Mikromanagement-Versuche.
4. Unerträgliche (Macht-)Spielchen? Hören Sie auf, sich zu verbiegen
Keine Frage, im Top-Management gibt es bestimmte Spielregeln. Politische (Macht-)Spiele sind – allen Beteuerungen zu einer modernen Unternehmenskultur zum Trotz – vielerorts an der Tagesordnung. Und ja: Natürlich müssen Sie lernen, sich auf diesem politischen Parkett zu bewegen. Sich also ein Stück weit anpassen. Allerdings ohne sich dafür ständig zu verbiegen. Denn das macht auf Dauer krank und führt nicht selten zur inneren Kündigung.
Mein Appell an Sie: Lernen Sie, wie das Spiel an der Spitze gespielt wird. Werden Sie zum (Mit-)Spieler. Aber lassen Sie sich nicht zum Spielball machen! Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan. Viele meiner Führungskräfte-Coachings drehen sich inhaltlich um genau diesen Punkt – insbesondere, wenn meine Klienten neu als Führungskraft in einer C-Level-Position angefangen haben.
5. Zerrissen zwischen zwei Welten? Arbeiten Sie an Ihrer Work-Life-Balance
Nach einem zehn- oder zwölfstündigen Arbeitstag treten Sie den Heimweg an – und briefen unterwegs noch Ihre Assistenz für die morgen anstehenden Termine. Dann, endlich zu Hause, empfängt Sie Ihr Partner mit langem Gesicht und anklagendem Unterton: „Schon wieder so spät?“ Und die Kinder, denen Sie eigentlich noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen wollten, sind längst eingeschlafen.
Die Work-Life-Balance als Manager zu wahren, kann extrem schwierig sein. Viele Top-Führungskräfte, die sowohl beruflich auch privat stark eingespannt sind, befinden sich in einem permanenten Spagat. Das ist frustrierend. Und kann irgendwann zu Resignation – wenn nicht sogar zu Burn-out – führen. Umso wichtiger, dass Sie einen Weg finden, beide Welten – Berufliches und Privates – in Einklang zu bringen. Der Schlüssel dazu: Ehrliche Kommunikation. Nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben. Nur wenn Sie mit Ihrem Partner reden, finden Sie dessen Erwartungen heraus – und können gemeinsam nach Lösungen und Kompromissen suchen. Und zwar nach solchen, die wirklich alle Parteien vertreten können.
Erfahrungsgemäß gibt es hier sehr viel Optimierungspotenzial. Und oft ist die Lösung so simpel, dass Sie selbst einfach nicht darauf kommen. Beispiel: Angenommen, Sie haben Kinder und einen Ehemann oder eine Ehefrau und hetzen sich jeden Tag ab, um pünktlich um 19 Uhr zu Hause zu sein. Für Ihre Familie ist das besser als nichts – aber eigentlich zu spät. Und das Meeting oder Entwicklungsgespräch, dem eine zusätzliche halbe Stunde sehr gutgetan hätte, mussten Sie obendrein noch kürzen. Beides frustriert sie. Und das immer und immer wieder. Eine befriedigendere Lösung könnte im dem Fall sein: Sie kommen an einem Tag schon um 17 Uhr nach Hause, bleiben aber am nächsten bis 21 Uhr im Büro.
Wenn nichts mehr hilft: Suchen Sie Verbündete!
So sehr Sie sich auch das Gehirn zermartern: Sie kommen einfach nicht auf den Grund Ihrer inneren Gleichgültigkeit? In dem Fall kann Ihnen nur der (empathische!) Blick von außen helfen. Denn gerade, wenn wir schon lange im energiesaugenden Trott gefangen sind, sehen wir oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Jetzt ist es Zeit, Verbündete um Rat zu fragen – und gemeinsam auf Ursachenforschung zu gehen. Das können sehr gute Kollegen sein, mit denen Sie eine freundschaftliche Beziehung verbindet, oder langjährige Mentoren. Aber auch ein externer Sparringspartner kommt in Frage.
Gelassenheit vs. innere Kündigung – Sind Sie sicher, dass Sie kein Problem haben?
Klar, dass der Arbeitsalltag als Top-Manager nicht immer tiefenentspannt ist, ist Teil der Jobbeschreibung. Manchmal stellt sich nach sehr stressigen Monaten allerdings schleichend oder plötzlich eine schwer zu fassende Ruhe ein, die sich – im Vergleich mit der Hektik der vorigen Monate (oder Jahre) – zunächst entlastend anfühlen mag. Trotzdem sollten in diesem Fall bei Ihnen erst mal die Alarmglocken schrillen. Denn die vermeintliche Ruhe kann trügerisch sein.
Ein Klient fragte mich mal: „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen innerer Kündigung und Gelassenheit?“ Eine berechtigte Frage, die mich selbst ins Grübeln brachte und die zeigt, wie groß die emotionale Verwirrung und Unsicherheit nach zu viel Stress oft ist.
Meine Antwort: Gelassen sind Sie, wenn Sie selbst die Zügel in der Hand halten, sprich aktiv und handlungsfähig bleiben. Haben Sie innerlich gekündigt, tangieren Sie die Dinge schlicht nicht mehr, Sie sind in einer Opferrolle, und es fehlt Ihnen der innere Antrieb. Letzteres ist auf Dauer enorm gefährlich, denn es kann Sie in eine tiefe Sinnkrise stürzen.
Herzliche Grüße
Gudrun Happich
PS: An der Spitze stehen, erfolgreich sein und sich trotzdem ohnmächtig, überfordert, unzufrieden und einsam zu fühlen – das kommt häufiger vor als manche glauben. Warum? Um Erfolg und Erfüllung verbinden zu können, benötigen wir den richtigen Platz, der unseren Stärken und Talenten entspricht. Ähnlich wie Pflanzen verkümmern wir, wenn die Rahmenbedingungen uns nicht entsprechen. Mein Buch „Was wirklich zählt“ zeigt, wie es gelingt, beruflichen Erfolg und persönliche Erfüllung zu verwirklichen. Mit der „Chipkarte“ machen Sie Ihre Vision greifbar und damit umsetzbar. Jetzt kostenfrei herunterladen.
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